OGH 7Ob533/95

OGH7Ob533/9528.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Rössler, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen die beklagte Partei H***** GesmbH, ***** vertreten durch Hule & Heinke, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen S 322.576,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 29.Dezember 1994, GZ 2 R 273/94-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Zwettl vom 14.Juli 1994, GZ 1 C 240/94-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 322.576,-- samt 24.9.1993 und 20 % USt aus den Zinsen zu zahlen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die in allen Instanzen mit S 135.882,80 (darin enthalten S 18.838,80 USt und S 22.850,-- Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt einen Bierbezugsvertrag. Nach der Führung von Vertragsverhandlungen, deren Inhalt nicht festgestellt werden konnte, überbrachte ein Angestellter der klagenden Partei dem Geschäftsführer der beklagten Partei einen Vertragsentwurf, der in einem teilweise ausgefüllten Vertragsformular der klagenden Partei samt einem vorgedruckten "Beiblatt" bestand. Der Geschäftsführer der beklagten Partei las den Entwurf durch und äußerte verschiedene Änderungswünsche. Der den Vertragsentwurf überbringende Angestellte der klagenden Partei war nicht befugt, entsprechende Zusagen abzugeben. Deshalb holte er jeweils telefonisch die Zustimmung des Verkaufsleiters der klagenden Partei zu den Änderungswünschen ein.

Nach Punkt I. dieses Vertragsentwurfes überläßt die klagende Partei der beklagten Partei das in diesem Punkt näher bezeichnete bewegliche Inventar, darunter auch zwei Reklametafeln. Weiters übergibt sie der beklagten Partei eine einmalige Zuwendung/Investitionszuschuß in Höhe von S 333.333,33. Dieser Betrag wurde vom Geschäftsführer der beklagten Partei auf S 400.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer, somit auf insgesamt S 480.000,-- ausgebessert. Diese Zuwendung sollte im Fall der vollständigen Erfüllung des Vertrages durch die beklagte Partei unverzinslich und nicht zurückzahlbar sein. Auf dem "Beiblatt" fand sich hiezu unter Punkt 8. der Passus: "Sollte eine vorzeitige Geschäftsbeendigung eintreten, ist der Investitionszuschuß prompt in bar zurückzuzahlen." Der Geschäftsführer der beklagten Partei fügte zu dem Wort "Investitionszuschuß" das Wort "aliquote" und vor "prompt" das Wort "unverzinslich" ein.

Punkt 9. des Beiblattes lautet: "Bei Unterschreitung der jährlichen Abnahmemenge wird der aliquote Differenzbetrag in Rechnung gestellt und ist sofort zu begleichen". Diese Bestimmung blieb von Änderungswünschen des Geschäftsführers der beklagten Partei unberührt.

Die weiteren für den vorliegenden Rechtsstreit wesentlichen Punkte des Vertragsentwurfes hatten folgenden Inhalt:

"II): Als Gegenleistung für die Leistungen der Brauerei verpflichtet sich der Kunde

a) ..... auf die Dauer von 6 Jahren kein anderes, als das von der

Brauerei .... vertriebene "Z***** Bier" zu beziehen; innerhalb von 6

Jahren insgesamt mindestens 1.200 hl Bier im Faß, Flaschen oder anderen Behältern abzunehmen". Vom Geschäftsführer der beklagten Partei wurde der Ausschluß des Bezuges von Bier anderer Marken über die vorgesehene Zeit hinaus bis zur Abnahme der vereinbarten Biermenge gestrichen.

In Punkt II. d) wurde die Stellung einer Bankgarantie mit der ausdrücklichen Ermächtigung vorgesehen, diese nach Belieben fällig zu stellen, falls aus Verletzungen des Vertrages finanzielle Ansprüche der klagenden Partei gegen die beklagte Partei entstehen.

In Punkt III. war vorgesehen, daß sich die beklagte Partei verpflichtet, von der vertraglich vereinbarten Bezugsmenge jährlich eine Teilmenge von 17 % zu beziehen.

Punkt IV. lautet: "Der Brauerei steht das Recht zur sofortigen Aufkündigung dieses Vertrages dann zu, wenn

a) gegen den Kunden die Einleitung eines Exekutions- Ausgleichs- oder Konkursverfahrens erfolgte oder aber

b) eine endgültige Geschäftssprerre oder aber

c) die Umwandlung der bezeichneten Absatzstätte in ein nicht bierführendes Unternehmen erfolgte,

d) der Kunde eine Bestimmung dieses Vertrages durch Unterlassung oder Zuwiderhandeln verletzt,

e) wenn die Menge der im Laufe eines Jahres tatsächlich abgenommenen Getränke um mehr als 20 % unter dem aliquoten Anteil der vorgesehenen Gesamtbezüge für die ganze Laufzeit des Vertrages zurückbleibt."

Der letztere Vertragspunkt IV. e) wurde vom Geschäftsführer der beklagten Partei durchgestrichen.

Punkt VII) lautete: "Der Kunde nimmt zur Kenntnis, daß die Brauerei im Fall der Nichterfüllung des Vertrages durch den Kunden Ersatz des ihr daraus erwachsenen Schadens (Erfüllungsinteresse) unbeschadet des Rechtes, die vorzeitige Auflösung des Vertrages zu erklären, auf dem Rechtsweg begehren kann."

Punkt VIII) lautete: "Sollte der Vertrag gemäß Punkt IV. des Vertrages von der Brauerei aufgekündigt werden, hat der Kunde empfangene Sachleistungen sofort zur Gänze, Geldbeträge im aliquoten (hier wurde vom Geschäftsführer der beklagten Partei das Wort "unverzinslich" eingefügt) Ausmaß binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der Kündigung bei sofortiger gerichtlicher Geltendmachung zurückzuzahlen."

Als Vertragsbeginn wurde auf Wunsch des Geschäftsführers der beklagten Partei das Datum "1.Mai 1992" eingefügt, weil er diesen Termin als Saisonbeginn vorgesehen hatte. Darüber, wann das Vertragsjahr enden sollte, wurde nicht gesprochen.

Über die vom Geschäftsführer der beklagten Partei gewünschten und vorgenommenen Änderungen des Vertragsentwurfes wurde nicht gesprochen.

Die vereinbarte Abnahmemenge wurde auf Wunsch des Geschäftsführers der klagenden Partei in den Entwurf aufgenommen und vom Geschäftsführer der beklagten Partei akzeptiert. Diese unüblich kurze Laufzeit wurde deshalb vereinbart, weil der Geschäftsführer der beklagten Partei dem Verkaufsleiter der klagenden Partei gegenüber erklärte, daß er die Gesamtmenge in 6 Jahren problemlos abnehmen könne.

Die Streichung des Punktes IV) e) verlangte der Geschäftsführer der beklagten Partei deshalb, weil seine Geschäftslokale erst im Aufbau begriffen waren und ihm klar war, daß er anfangs nicht die vereinbarte Jahresmenge abnehmen könne. Er war aber zuversichtlich, in 6 Jahren die vereinbarte Gesamtmenge abnehmen zu können. Ob er diesen Grund für seinen Änderungswunsch Mitarbeitern der klagenden Partei mitteilte, kann nicht festgestellt werden.

In der Folge wurde der beklagten Partei ein Vertragsentwurf vorgelegt, der mit Ausnahme der Reihenfolge der einzelnen Absätze und der Numerierung der Vertragspunkte sowie der folgenden Abweichungen dem vom Geschäftsführer der beklagten Partei korrigierten Vertragsentwurf samt Beiblatt entsprach: Statt einer jährlichen Abnahmeverpflichtung von 17 % der Gesamtbezugsmenge war eine jährliche Abnahmeverpflichtung von 200 hl vorgesehen. Punkt 8. der Beilage zum Vertragsentwurf war in der übermittelten Reinschrift in Punkt VI. enthalten und wie folgt formuliert: "Sollte eine vorzeitige Geschäftsbeendigung eintreten, ist der aliquote Investitionszuschuß, der bis zum Zeitpunkt der vorzeitigen Geschäftsbeendigung unverzinslich ist, prompt in bar zurückzubezahlen".

Die Bestimmung über die Bankgarantie wurde in Punkt VII. der Reinschrift aufgenommen und lautet dort: "Zur Besicherung der mit diesem Vertrag übernommenen Verpflichtungen einschließlich allfälliger Schadenersatzansprüche und Forderungen aus laufender Belieferung übergibt der Kunde der Brauerei eine Bankgarantie über den Betrag von S 400.000,-- .... Die Brauerei ist berechtigt, die Bankgarantie zur Gänze oder teilweise zur Abdeckung von offenen Forderungen aus diesem Vertrag einschließlich Schadenersatzansprüchen, insbesondere wegen Nichterfüllung des Vertrages oder von offenen Warenlieferungen oder sonstigen, im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder Getränkelieferungen stehenden Forderungen samt allfälliger Zinsen und Kosten abzurufen."

Diese Reinschrift des Vertrages wurde vom Geschäftsführer der beklagten Partei firmenmäßig gezeichnet und auch vom Geschäftsführer der klagenden Partei unterschrieben.

Das Unternehmen der beklagten Partei ist ein Saisonbetrieb. Die Saison dauert ungefähr von Mai bis Oktober. Nach Ende der ersten Saison im Oktober 1992 wurden die Geschäftslokale abgesperrt. Die klagende Partei holte nach telefonischer Verständigung die Bierschankeinrichtungen ab, reinigte sie und machte sie winterfest. Es ist während der Geschäftsverbindung der Parteien nicht vorgekommen, daß nach Saisonende ein Eisverkaufsstand mit Bierausschank eröffnet worden wäre. Ein solches Vorhaben für den Fall, daß die Alte Donau zufriert, wurde der klagenden Partei auch nicht mitgeteilt.

In der Saison 1992 nahm die beklagte Partei 43,1 hl ab. Am 4.11.1992 übermittelte die klagende Partei an die beklagte Partei eine "Buchungsnota", in der eine Minderabnahme gegenüber der vereinbarten Abnahmemenge von 156,9 hl ausgewiesen war, wofür ein Differenzbetrag von S 333,33 pro hl zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt S 62.759,38 gefordert wurde. Der Betrag pro hl errechnete sich aus der Aufteilung der Zuwendung von S 400.000,-- netto auf die vereinbarte Gesamtabnahmemenge von 1.200 hl.

Am 20.4.1993 brachte die klagende Partei beim Bezirksgericht Zwettl eine Klage über diesen Betrag samt Zinsen ein. Am 12.5.1993 fand im Büro der beklagten Partei eine Besprechung zwischen dem Verkaufsleiter der klagenden Partei Ernst P*****, dem Angestellten der klagenden Partei Helmut H***** und dem Geschäftsführer der beklagten Partei Karl H***** statt. Dabei wurde unter anderem über den eingeklagten Betrag gesprochen. Der Geschäftsführer der beklagten Partei vertrat die Ansicht, daß der Betrag zu früh gefordert werde, weil das Geschäftsjahr noch nicht abgelaufen sei. Er war bereit, diesen Betrag sofort zu zahlen, lehnte aber die Bezahlung von Zinsen und Kosten ab. Die Angestellten der klagenden Partei lehnten die Entgegennahme der Zahlung ab, weil die Angelegenheit schon dem Klagevertreter übergeben worden sei. Eine Einigung über Zinsen und Kosten wurde nicht erzielt.

Am 13.5.1993 kam Helmut H***** neuerlich, um die Bezahlung der ersten Lieferung in der Saison 1993 zu kassieren. Die damaligen Geschäftsführer der beklagten Partei Karl H***** und Ing.Gerhard B***** beriefen sich darauf, daß Monatsrechnung vereinbart sei. Nach telefonischer Rückfrage bei der klagenden Partei nahm deshalb Helmut H***** Abstand vom sofortigen Inkasso. Erklärungen betreffend die eingeklagte Forderung gab er jedoch nicht ab.

Am 24.5.1993 zahlte die beklagte Partei beim Postamt 1220 Wien S 62.759,38 ein, wobei sie die PSK-Nummer der V*****bank K*****, jedoch die Girokontonummer der klagenden Partei bei der B***** AG W***** angab. Durch diesen Fehler verzögerte sich die Überweisung an die klagende Partei. Die klagende Partei erlangte von der Zahlung erst durch den Kontoauszug vom 4.6.1993 Kenntnis. Sie hatte aber bereits am 25.5.1993 beim Bezirksgericht D***** die Fahrnisexekution beantragt. Mit Schriftsatz vom 8.6.1993 schränkte sie die Exekution auf Zinsen und Kosten ein.

In der Saison 1993 nahm die beklagte Partei 37,2 hl ab.

Mit Schreiben vom 15.9.1993 kündigte der Klagevertreter namens der klagenden Partei der beklagten Partei die "Leistungs- und Liefervereinbarung" wegen der Minderabnahme in den Jahren 1992 und 1993 und wegen des laufenden Exekutionsverfahrens auf. Für die Minderabnahmen 1993 von 162,8 hl wurden S 65.119,35 inkl. Umsatzsteuer gefordert. Weiters enthielt das Schreiben die Fälligstellung des restlichen Investitionszuschusses von S 320.000,-- zur Rückzahlung, ein Schadenersatzbegehren von S 300,-- pro hl für die insgesamt nicht abgenommene Menge von 1.119,7 hl sowie die Forderung für Zinsen und Kosten aus dem Exekutionsverfahren. Es wurde eine Zahlungsfrist bis 23.9.1993 gesetzt.

Bis zu diesem Schreiben war der beklagten Partei vom Exekutionsverfahren nichts bekannt.

Der Vertreter der beklagten Partei antwortete mit Schreiben vom 22.9.1993, daß der Betrag für die Minderabnahme 1993 sowie unpräjudiziell auch der im Exekutionsverfahren noch betriebene Betrag bezahlt werde, die Kündigung aber unwirksam sei.

Am 27.9.1993 stellte die klagende Partei die Exekution wegen vollständiger Befriedigung ein.

Am 13.10.1993 rief sie die Bankgarantie von S 333.334,-- ab.

Die klagende Partei begehrte S 322.576,-- sA, wobei sie den Klagsbetrag wie folgt aufschlüsselte: Als Investitionszuschuß sei noch ein Betrag von S 320.000,-- zur Rückzahlung offen. Da die beklagte Partei gravierend gegen ihre Mindestabnahmeverpflichtung verstoßen habe und darüber hinaus ein Exekutionsverfahren gegen sie eingeleitet worden sei, stehe der klagenden Partei ein Schadenersatzanspruch zu, der im Verdienstentgang von S 300,-- pro nicht abgenommenem hl bestehe und sich mit Rücksicht auf insgesamt 1.119,07 nicht abgenommene hl mit S 335.910,-- errechne. Zuzüglich des zurückzuzahlenden Investitionszuschußanteiles ergebe sich ein Anspruch der klagenden Partei von S 665.910,--, wovon der Betrag von S 333.334,--, der der klagenden Partei aus der Abberufung der Bankgarantie zugekommen sei, abzuziehen sei.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Sie wendete im wesentlichen ein, keinen Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung gesetzt zu haben, wobei sie insbesondere darauf hinwies, daß der ursprünglich vorgesehene Kündigungsgrund der Minderabnahme innerhalb eines Jahres von ihr gestrichen worden sei. Weiters hätte eine Nachfrist gesetzt werden müssen. Die Kündigung sei auch zu früh erfolgt, weil das Geschäftsjahr noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Exekution sei vereinbarungswidrig geführt worden. Der in Exekution gezogene Betrag sei beglichen worden. Der Kündigungsgrund der Exekutionsführung sei verfristet geltend gemacht worden. Die Klagsforderung sei auch deshalb unberechtigt, weil durch die Inanspruchnahme der Bankgarantie ein allfälliger Schadenersatzanspruch der klagenden Partei zur Gänze abgedeckt worden sei. Bei Geltendmachung des Erfüllungsinteresses könne nicht gleichzeitig der Investitionszuschuß zurückverlangt werden, weil dieser bei Vertragserfüllung der beklagten Partei verblieben wäre. Der Höhe nach werde der behauptete Verdienstentgang von S 300,-- hl außer Streit gestellt.

Des weiteren wendete die beklagte Partei Gegenforderungen kompensando ein.

Die klagende Partei replizierte, die "Vorauszahlung" von S 400.000,-- habe den Charakter eines "Vorausrabattes" gehabt. Die S 300,-- pro hl stellten den zusätzlichen Verdienstentgang unter Berücksichtigung aller Gegenleistungen der klagenden Partei dar.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe und die eingewendeten Gegenforderungen nicht zu Recht bestünden. Es stellte zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, daß die klagende Partei bei Abgabe der vereinbarten Biermenge einen Gewinn erzielt hätte, der zumindest den bei Beginn des Vertragsverhältnisses geleisteten Investitionszuschuß samt angemessener Verzinsung gedeckt hätte und daher höher gewesen wäre als die abgerufene Bankgarantie. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die Streichung des Kündigungsgrundes der Minderabnahme von mehr als 20 % der jährlichen Bezugsverpflichtung durch den Geschäftsführer der beklagten Partei nicht bedeute, daß damit jegliche Verletzung der Abnahmepflicht als Kündigungsgrund ausgeschlossen sei. Da im ersten Jahr von der vereinbarten jährlichen Abnahmemenge nur etwa 20 % und im darauffolgenden Jahr noch weniger abgenommen worden sei, liege ein wichtiger Grund für die Vertragsauflösung vor, weil der klagenden Partei die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr zugemutet habe werden können. Aus den Bestimmungen des Vertrages über die Rückzahlung des Investitionszuschusses und den Ersatz des Erfüllungsinteresses lasse sich ableiten, daß beide Ansprüche nebeneinander gefordert werden könnten. Diese Vereinbarung sei nicht sittenwidrig. Die klagende Partei fordere unter dem Titel des Verdienstentganges ohnehin nur jenen Betrag, der vom erzielbaren Gesamtgewinn nach Abzug des anteiligen Investitionszuschusses übrigbleiben würde. Die Gegenforderungen seien unberechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der beklagten Partei insoweit Folge, als es die Entscheidung über die Gegenforderung aufhob. Es bestätigte aber den Ausspruch, daß die Klagsforderung dem Grunde nach zu Recht bestehe. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Ansicht des Erstgerichtes, daß das krasse Absinken des tatsächlichen Bezuges gegenüber der vereinbarten jährlichen Mindestmenge einen wichtigen Grund für die vorzeitige Auflösung des als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierenden Vertrages darstelle, der nicht eigens vereinbart werden müsse. Der Rücktritt sei sowohl hinsichtlich der in der Vergangenheit fällig gewordenen, als auch der in der Zukunft zu erbringenden Leistungen wirksam, weshalb der durch die Nichterfüllung verursachte Schaden insgesamt fällig sei. Da die Höhe des allfälligen Verdienstentganges mit S 300,-- pro hl außer Streit stehe, errechne sich bei einer Fehlmenge von 1.119,8 hl ein Fehlbetrag von S 335.910,--, der sohin über jenem der abberufenen Bankgarantie in Höhe von S 333.334,-- liege. Selbst wenn daher der Rückforderungsanspruch aus dem Investitionszuschuß zur Gänze einzuberechnen sei, wäre noch ein geringfügiger Anspruch der klagenden Partei gegeben, sodaß der Ausspruch über das grundsätzliche Bestehen einer Forderung der klagenden Partei berechtigt sei. Die Höhe dieser Forderung, die die klagende Partei letztlich insgesamt auf den Titel des Schadenersatzes, resultierend aus einer berechtigten Vertragsauflösung gestützt habe, sei im fortgesetzten Verfahren zu prüfen, sodaß auf sämtliche Ausführungen der beklagten Partei, die auf eine Minderung der Schadenshöhe und damit des Ersatzanspruches abziele, im Rahmen des Zwischenurteiles nicht einzugehen sei. Auf die Gegenforderungen könne allerdings ebenfalls erst im Endurteil Bedacht genommen werden, weil diese die Höhe des Anspruches beträfen. Die Revision sei zulässig, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, in welchem Umfang der entgangene Gewinn aus erst in Zukunft fälligen Lieferungen geltend gemacht werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Berufung der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

Im ursprünglichen Vertragsentwurf der klagenden Partei, der der beklagten Partei übermittelt wurde und als Anbot zu qualifizieren ist, war in Punkt IV) lit e als Kündigungsgrund die jährliche Minderabnahme von mehr als 20 % gegenüber dem aliquoten jährlichen Anteil der Gesamtbezugsmenge vorgesehen. Punkt IV. lit d bestimmte - wie auch in der endgültigen Vertragsfassung - als Grund für die sofortige Vertragsauflösung, wenn der Kunde eine Bestimmung dieses Vertrages durch Unterlassung oder Zuwiderhandeln verletzt. Da die beklagte Partei auch nach dem ursprünglichen Vertragsentwurf verpflichtet werden sollte, jährlich eine Teilmenge von 17 % (dies entspricht in etwa dem letztlich vereinbarten Ausmaß von 200 hl) der Gesamtbezugsmenge zu beziehen, war offensichtlich, daß der Minderbezug nicht von dem in Punkt IV. d), sondern von dem in Punkt IV. e) vorgesehenen Kündigungsgrund umfaßt sein sollte. Die Streichung des Punktes IV. e) durch den Geschäftsführer der beklagten Partei konnte daher nur dahin verstanden werden, daß der Minderbezug überhaupt keinen Kündigungsgrund darstellen und nicht etwa nunmehr dem Kündigungsgrund des Punktes IV. d) unterstellt werden sollte, weil letzteres die klagende Partei ja schlechter gestellt hätte (Kündigungsgrund bereits bei Vertragsverletzung durch Minderabnahme von weniger als 20 % des aliquoten Anteils ?).

Der vom Geschäftsführer der beklagten Partei durch Streichungen,

Ausbesserungen und Einfügungen geänderte, der klagenden Partei

rückgemittelte Vertragsentwurf stellte ein von deren ursprünglichem

Antrag abweichendes, somit neues Anbot der beklagten Partei an die

klagende Partei dar, das von der klagenden Partei, wie die endgültige

Vertragsfassung zeigt, akzeptiert wurde. Die klagende Partei war

insbesondere mit dem Entfall des ursprünglich in Punkt IV. e)

vorgesehenen Kündigungsgrundes einverstanden. Es unterblieb zwar die

Aufnahme eines Vertragspunktes in die endgültige

Vertragsausfertigung, wonach die entsprechende Minderabnahme

abweichend von der allgemeinen Formulierung in Punkt IV. d) keinen

Kündigungsgrund darstellen sollte. Ungeachtet dessen konnte die vom

Geschäftsführer der beklagten Partei vorgenommene Streichung aber nur

in diesem Sinne verstanden werden, wie bereits ausgeführt wurde. Der

aufgezeigte Vorgang, der zur endgültigen schriftlichen

Vertragsfassung führte, läßt keinen Zweifel daran, daß die

Willensübereinstimmung der Vertragsparteien letztlich dahin ging, daß

(auch) eine Minderabnahme von mehr als 20 % der jährlichen

Abnahmeverpflichtung kein Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung

seitens der klagenden Partei sein sollte. Der Annahme dieser sich allein schon aus dem Schriftverkehr ergebenden Willenseinigung steht die Negativfeststellung der Vorinstanzen, nämlich daß nicht festgestellt werden könne, ob der Geschäftsführer der beklagten Partei der klagenden Partei sein Motiv für den diesbezüglichen Änderungswunsch mitteilte (weil die Lokale erst im Aufbau begriffen waren und ihm klar war, daß er anfangs nicht die vereinbarte Jahresmenge abnehmen könne), nicht entgegen.

Hätte sich die klagende Partei das Recht auf sofortige Vertragsauflösung bei Unterschreiten eines bestimmten, wenn auch höheren oder sogar weit höheren Prozentsatzes der Minderabnahme gegenüber dem von ihr ursprünglich vorgesehenen Prozentsatz wahren wollen, so hätte sie dies unter den gegeben Umständen eindeutig zum Ausdruck bringen müssen, etwa durch Einfügen eines entsprechend abgeänderten Kündigungsgrundes. Da dies unterblieben ist und weder feststeht noch behauptet wurde, daß diesbezüglich ein mündlicher Vorbehalt gegenüber der beklagten Partei erklärt wurde, kann das Verhalten der klagenden Partei nur dahin verstanden werden, daß sie entsprechend ihrem Einverständnis mit der gänzlichen ersatzlosen Streichung dieses Kündigungsgrundes auf das Kündigungsrecht aus dem Grund der jährlichen Minderabnahme ohne Untergrenze verzichtet hat. Sie kann sich daher auch nicht darauf berufen, daß ein Kündigungsgrund deshalb vorliege, weil das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien gestört sei und sie daher auch ohne entsprechende Vereinbarung der vorzeitigen Auflösungsmöglichkeit des Dauerschuldverhältnisses zur Auflösung berechtigt sei.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich aber nicht nur durch den schlüssig vereinbarten Ausschluß gerade dieses Auflösungsgrundes von jenem Sachverhalt, der der von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 4 Ob 593/88, teilweise veröffentlicht in WBl 1989, 160 zugrundelag. Anders als dort wurde hier ausdrücklich eine Sanktion für den Fall der jährlichen Minderabnahme vereinbart, nämlich die sofortige Pflicht zur Rückzahlung des aliquoten Differenzbetrages der Zuwendung, während im Fall der Entscheidung 4 Ob 593/88 nach dem Vertragsinhalt für die Brauerei keine Möglichkeit bestand, im Fall einer Minderabnahme das Darlehen auch nur zum Teil fällig zu stellen. Im vorliegenden Fall aber ist es der klagenden Partei trotz Verzichtes, den Vertrag aus diesem Grund vorzeitig aufzulösen, nicht verwehrt, ihren anteiligen Zuschuß zurückzuerhalten. Eine besondere Ungleichgewichtslage zu ihren Lasten entsteht daher hier nicht.

Da die beklagte Partei davon ausgehen konnte, daß eine Minderabnahme in dem einen oder anderen Jahr keinen Aufkündigungsgrund darstellt, kann ihr auch kein Verschulden an der - letztlich zu Unrecht - auf diesen Grund gestützten Vertragsauflösung angelastet werden.

Aber auch der Umstand, daß gegen die beklagte Partei ein Exekutionsverfahren anhängig war, läßt für sich allein noch keinen Schadenersatzanspruch der klagenden Partei gegen die beklagte Partei entstehen. Es ist dem Geschäftsführer der beklagten Partei zuzugestehen, daß er zumindest subjektiv der Meinung sein konnte, daß das laufende Geschäftsjahr bei Erhalt der "Buchungsnota" vom 4.11.1992 noch nicht beendet und das Begehren auf Rückerstattung des aliquoten Teiles der Zuwendung für das Jahr 1992 verfrüht erhoben wurde. Auf Grund der nach Erlassung des Zahlungsbefehles geführten Gespräche mit den Angestellten der klagenden Partei konnte der Geschäftsführer der beklagten Partei doch noch auf eine Einigung hinsichtlich der Zinsen und Kosten hoffen. Den Kapitalbetrag hat er noch vor Einbringung des Exekutionsantrages zur Einzahlung gebracht, wenn dieser auch erst einige Tage später auf dem (richtigen) Konto der klagenden Partei einlangte. Ein Verschulden an der Exekutionsführung ist der beklagten Partei daher nicht vorzuwerfen. Zudem hat die klagende Partei die ihr zur Exekutionsführung Anlaß gebenden Vorgänge und die Tatsache der Einleitung des Exekutionsverfahrens offensichtlich zumindest zunächst nicht als Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung angesehen, weil sie dessen ungeachtet die ganze Sommersaison 1993 über weiterhin Bier an die beklagte Partei lieferte und damit eindeutig dokumentierte, am Vertrag festhalten zu wollen. Es ist ihr daher verwehrt, sich trotz ihres gegenteiligen Verhaltens nachträglich auf die sofortige Vertragsauflösung wegen dieses Exekutionsverfahrens zu berufen, zumal dieses bereits mehrere Monate vor der Klageführung (die Klage langte am 24.1.1994 beim Erstgericht ein) wegen vollständiger Befriedigung eingestellt worden war.

Da der beklagten Partei aus den dargelegten Gründen kein Verschulden an der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses anzulasten ist, ist das auf Vertragsverletzung gegründete Schadenersatzbegehren jedenfalls verfehlt, ohne daß auf Fragen der Fälligkeit oder der Schadensberechnung näher eingegangen werden muß.

Der gemäß Punkt VI. letzter Satz der endgültigen Vertragsfassung bei vorzeitiger Geschäftsbeendigung zurückzuzahlende aliquote Investitionsvorschuß, der von der klagenden Partei mit S 320.000,-- beziffert wurde, ist durch die Abberufung der Bankgarantie voll abgedeckt, wie die Aufstellung in der Klage zeigt. Die eingeklagte Forderung besteht daher insgesamt nicht zu Recht, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinne abzuändern waren.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten in erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Verfahrenskosten in zweiter und dritter Instanz auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Schriftsatz vom 13.4.1994, ON 5, war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, weil das darin enthaltene Vorbringen auch in der vorangehenden Tagsatzung vom 17.2.1994 erstattet hätte werden können. Er war daher nicht zu honorieren.

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