OGH 8ObA254/95(8ObA255/95)

OGH8ObA254/95(8ObA255/95)22.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic, sowie die fachkundigen Laienrichter Robert Letz und Hofrat Robert List in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1.) Christian G*****, Kellner, ***** und 2.) Christian K*****, Kellner, ***** beide vertreten durch Dr.Helga Hofbauer-Goldmann, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft AG, ***** vertreten durch Dr.Bernhard Hainz ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.März 1995, GZ 34 Ra 170/94-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14.September 1994, GZ 13 Cga 324/93y-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben. Das erstgerichtliche Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es zu lauten hat:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Erstklägers über den 11.10.1993 und das des Zweitklägers über den 8.10.1993 hinaus fortbestehen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern binnen 14 Tagen die mit S 23.809,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.968,25 USt) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat den Kündigungs- und Entlassungsschutz für die Kläger zutreffend gemäß § 120 Abs 4 Z 2 ArbVG ohne Unterscheidung, ob sie als Wahlwerber für die Funktion eines Mitgliedes oder Ersatzmitgliedes des Betriebsrates auftraten, bejaht, sodaß es genügt, auf die Richtigkeit seiner Entscheidung zu verweisen (§ 48 ASGG).

Den Ausführungen der Revisionswerberin, es wäre eine teleologische Reduktion des Regelungsgehaltes des § 120 Abs 4 ArbVG dahin vorzunehmen, daß sich der Kündigungs- und Entlassungsschutz nur auf Wahlwerber für die Funktion von Mitgliedern des Betriebsrates, nicht jedoch von (möglicherweise nur) Ersatzmitgliedern bezieht, ist zu erwidern:

Das in § 58 ArbVG geregelte vereinfachte Wahlverfahren ist im Fall der bei der beklagten Partei zwischen dem 22. und 27.Oktober 1993 durchgeführten Betriebsratswahl unanwendbar, da jedenfalls mehr als zwei Betriebsratsmitglieder zu wählen waren (nach dem Vorbringen der beklagten Partei neun Betriebsratsmitglieder und neun Ersatzmitglieder). Die insoweit vorgesehene Differenzierung zwischen Mitgliedern und Ersatzmitgliedern kann daher nicht auf das normale, dh nicht vereinfachte Verfahren der Betriebsratswahl übertragen werden.

Die von der beklagten Partei geforderte teleologische Reduktion des § 120 Abs 4 ArbVG würde den Nachweis einer verdeckten Lücke voraussetzen. Eine solche liegt nicht vor, wie aus der Unterscheidung von Wahlwerbern je nach ihrer erfolgten oder nicht erfolgten Aufnahme in einen Wahlvorschlag hervorgeht. Wenn nämlich der Kündigungs- und Entlassungsschutz der Wahlwerber, die auf keinem Wahlvorschlag aufscheinen, spätestens 14 Tage vor dem Wahltag endet (§ 20 Abs 1 BR-WO), so hat der Gesetzgeber in § 120 Abs 4 Z 2 ArbVG innerhalb der Wahlwerber bereits eine bestimmte Unterscheidung getroffen. Die weitergehende Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Ersatzmitgliedern hängt dagegen - worauf schon die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen haben - von der Annahme der Wahl (§ 64 Abs 1 ArbVG) ab, die im Zeitpunkt vor der Wahl noch ebenso ungewiß ist, wie der Ausgang der Wahl. Die geforderte Praktikabilität der Wahl und des Schutzes der Wahlwerber würde beseitigt, hinge der Schutz der Wahlwerber in der sensiblen Wahl-Phase von Bedingungen ab, deren Eintritt erst später, nämlich nach dem Ablauf der Frist zur Anfechtung der Wahl (§ 59 Abs 1 Arb-VG), festgestellt werden kann. Verfehlt ist es auch, wenn die Rechtsmittelwerberin auf ein fehlendes bzw geringeres Schutzbedürfnis der Ersatzmitglieder nach der Wahl hinweist, den gerade während dieser einmonatigen Schwebe ist der Wahlausgang noch ungewiß; ebenso ungewiß, wie die Umstände, von denen die Mitgliedschaft bzw Ersatzmitgliedschaft zum Betriebsrat abhängt.

Die Frage der Zulässigkeit einer allfälligen nachträglichen Einholung der Zustimmung gemäß § 122 Abs 3 ArbVG braucht nicht geprüft zu werden, weil eine solche tatsächlich nicht begehrt wurde und nunmehr nicht mehr unverzüglich erfolgen könnte.

Da die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann (Arb 10.029, 10.806; RdW 1991, 55) und der Urteilsspruch und die Entscheidungsgründe äußerlich zu sondern sind (§ 417 Abs 2 erster Satz ZPO), hat der Teil des Urteilsspruches, der bereits eine Teilbegründung enthält, zu entfallen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die § 41, 50 ZPO iVm § 2 ASGG.

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