OGH 15Os52/95

OGH15Os52/9522.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Radichevich als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sigrid F***** wegen des Verbrechens des versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 8.Feber 1995, GZ 15 Vr 1974/94-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Tiegs, sowie der Verteidigerin Mag.Aberham, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten F***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sigrid F***** des Verbrechens des versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil sie am 19.Oktober 1994 in Klagenfurt versucht hatte, fremde bewegliche Sachen, nämlich drei Damenstrickröcke, zwei Damenstrickhosen, zwei Damenpullover, eine Damenstrickjacke, zwei Damenschals, zwei Herrenhemden und eine Lederjacke im Gesamtwert von 5.770 S Verfügungsberechtigten des Kaufhauses C ***** mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch Zueignung dieser Gegenstände unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie, auf frischer Tat betreten, gegen die sie anhaltende Warenhausdetektivin Edith O***** Gewalt anwendete, um sich die Lederjacke zu erhalten, indem sie sich durch Körperkraft vom Haltegriff der Edith O***** loszureißen versuchte und diese dadurch ca 50 m vom Anhalteort mit sich zerrte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte - nur in Ansehung der Qualifikation des Diebstahls als räuberisch - mit einer auf die Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Als undeutlich (unzureichend) und unvollständig bezeichnet sie in ihrer Mängelrüge (Z 5) die Begründung der Urteilsfeststellung, die Angeklagte habe durch das versuchte Losreißen aus dem Haltegriff (nicht nur flüchten, sondern auch) im Besitz der gestohlenen Lederjacke bleiben wollen. Die Diktion des Urteils, daß "die Angeklagte (....) offensichtlich keinesfalls wissen (konnte), daß sie auch bei der Ansichnahme der Lederjacke beobachtet worden sei" und "offensichtlich (glaubte), daß es ihr nach der Flucht auch gelingen würde, durch entsprechendes Verborgenhalten (...) die Auffindung dieses Diebsgutes bei einer möglicherweise erwarteten Hausdurchsuchung zu verhindern", brächte zum Ausdruck, daß es keineswegs sicher sei, ob die Angeklagte bei der (versuchten) Flucht die Absicht gehabt habe, die Lederjacke zu behalten, sei sie doch - worauf das Gericht nicht eingegangen sei - in einer Streßsituation und daher lediglich auf Flucht bedacht gewesen.

Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, daß sich die Tatrichter ausführlich (US 5 und 6) mit ihrer Behauptung, sie habe bis zur Herausgabe der gestohlenen Lederjacke im Kaufhaus an diese nicht mehr gedacht, auseinandergesetzt und ihre Ablehnung dieser Verantwortung - über die zweimalige Verwendung des an sich für eine zureichende Begründung nicht geeigneten Adverbs "offensichtlich" (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3, E 116 zu § 281 Abs 1 Z 5) hinausgehend - damit begründet haben, daß es der Angeklagten bei ihrem Fluchtversuch (auch) um die Erhaltung ihres Besitzes der Lederjacke gegangen sei, weil sie mit ihrer Überführung als Täterin auf Grund ihrer am Tatort zurückgelassenen Ausweise jedenfalls zu rechnen gehabt hätte. Daß das Erstgericht sich hiebei unter mehreren möglichen Schlußfolgerungen für diese der Beschwerdeführerin ungünstigere entschieden hat, ist ein Akt freier - im schöffengerichtlichen Verfahren nicht anfechtbarer - Beweiswürdigung (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 E 23 ff). Mit dem - in der Tatsachenrüge (Z 5 a) im wesentlichen wiederholten - Hinweis auf die Möglichkeit einer (panikartigen) reinen Fluchtreaktion, und lediglich abermals versucht, unzulässig - nach Art einer Schuldberufung - diese Beweiswürdigung des Schöffengerichtes zu bekämpfen, ohne sich aus den Akten ergebende Bedenken, geschweige denn solche schwerwiegender Art, gegen dieselbe aufzuzeigen.

Die Qualifikationsrüge (Z 10), das - weder im Ergreifen noch im Festhalten der Detektivin bestehende, mithin nicht aggressive - Verhalten sei nicht als "Gewalt" im Sinne des § 131 StGB zu qualifizieren, geht gleichfalls fehl, steht sie doch im Widerspruch zur Judikatur (s insb EvBl 1991/12 = JBl 1990, 670), derzufolge dieses Tatbildmerkmal schon bei Einsatz nicht ganz unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines (wirklichen oder vermuteten) Widerstandes gegen das Tätervorhaben verwirklicht wird. Soweit die Nichtigkeitswerberin überdies erneut hervorhebt, es sei ihr beim versuchten Losreißen ausschließlich um ihre Flucht gegangen, verläßt sie prozeßordnungswidrig den Boden der Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite.

Die demnach nur zum Teil gesetzmäßig ausgeführte, insoweit jedoch sachlich nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 19.Oktober 1994, AZ 19 U 658/94, eine Zusatzfreiheitstrafe in der Dauer von siebeneinhalb Monaten, von welcher es gemäß § 43 Abs 3 StGB einen Teil von fünfeinhalb Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend eine einschlägige Vorverurteilung, die Begehung der Tat während eines anhängigen Strafverfahrens und den raschen Rückfall, als mildernd hingegen den Umstand, daß die Tat beim Versuch geblieben ist.

Den Strafausspruch bekämpfen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagte mit Berufungen, wobei erstere die Erhöhung sowohl des gesamten Strafausmaßes als auch des unbedingten Teiles der Freiheitsstrafe, letztere die Herabsetzung des Strafausmaßes in eventu die gänzliche bedingte Strafnachsicht oder eine teilbedingte Nachsicht nach § 43 a Abs 2 StGB anstrebt.

Keinem der Rechtsmittel kann nähergetreten werden.

Mit ihrer auch im Rahmen der Berufung vorgetragenen These, es sei ihr nur um die Flucht gegangen, verläßt die Angeklagte das erstgerichtliche Tatsachensubstrat, an dem sie auch hier gemäß § 295 Abs 1 StPO festzuhalten hätte.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt; den von der Staatsanwaltschaft angeführten weiteren Umständen kommt fallbezogen keine Bedeutung zu. Da das Erstgericht die Strafzumessungsgründe auch zutreffend gewichtet, eine tatschuldangemessene Freiheitsstrafe verhängt und diese richtig auch unter Bezugnahme auf das getrübte Vorleben und die Persönlichkeit der Angeklagten nur zu einem Teil bedingt gemäß dem Abs 3 des § 43a StGB nachgesehen hat, konnte beiden Berufung kein Erfolg beschieden sein.

Stichworte