OGH 7Ob1/95

OGH7Ob1/9514.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma W***** gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Fink und Dr.Peter Bernhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei *****versicherung, vertreten durch Dr.Ferdinand R.Graf, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 299.500,-- sA (Revisionsinteresse S 269.550,-- sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27.Oktober 1994, GZ 1 R 213/94-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 13.Juni 1994, GZ 26 Cg 41/93-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.287,50 (darin S 2.287,50 USt) bestimmten Revisionskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei unterhielt seit 1982 eine Geschäftsbeziehung zum jugoslawischen Außenhandelsunternehmen T***** C*****. Infolge von Außenständen dieser Firma wollte die klagende Partei für einen bestimmten Geschäftsfall eine Exportkreditversicherung eingehen. In dem ihr von der beklagten Partei übersendeten Antragsformular hieß es, daß der Antragsteller zur Kenntnis nehme, daß die beigelegten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Export-Kreditversicherung EKV K 1 in der jeweils gültigen Fassung und die Polizze maßgeblich seien. Der Geschäftsführer der klagenden Partei las sich die EKV K 1 nicht durch und ersuchte auch nicht um Aufklärung hinsichtlich irgendeines Punktes der Versicherungsbedingungen. Schon in seinem Antrag erklärte er, daß er bei positiver Erledigung seines Antrages die Ansprüche aus der Polizze an die Bank für K***** abtreten werde. Im Antrag gab die klagende Partei als Fakturenbetrag S 933.000,-- an. Die Exportware wurde mit ***** spezifiziert. Als vereinbarte Sicherstellung erschien im Antrag die Eröffnung einer L/C oder Zahlung binnen 60 Tagen, "Überziehung ca. 3 bis 4 Monate" auf. Die klagende Partei legte die seit 1982 bestehende Geschäftsverbindung mit dem Vertragspartner und die Umsätze der letzten Jahre offen. Außerdem wies sie die beklagte Partei auf einen derzeitigen Forderungsstand von S 2,250.000,--, davon S 760.000,-- als überfällig, aus. Dem Antrag schloß die klagende Partei eine Proforma-Rechnung vom 14.6.1988 über S 933.000,-- an.

Die beklagte Partei nahm den ihr übermittelten Versicherungsantrag am 27.6.1988 mit einem Versicherungsbeginn am 20.6.1988 an. Sie verwies die Klägerin in der Polizze darauf, daß Versicherungsfälle vor der Fakturierung nicht gedeckt seien und für wirtschaftliche Versicherungsfälle nach Fakturierung ein 10 %iger Selbstbehalt bestehe. In der Beilage zur Polizze heißt es in Klausel 03, daß für wirtschaftliche Versicherungsfälle kein Selbstbehalt zur Anwendung komme, wenn für die versicherte Exportforderung nachträglich ein Akkreditiv einer bonitätsmäßig gut beurteilten Bank, zahlbar spätestens 60 Tage nach Präsentation der Dokumente, eröffnet werde.

Art.8 der dem Versicherungsverhältnis zugrundeliegenden EKV K 1 trägt die Überschrift "Berechnung der Versicherungsentschädigung". Der Abs.1 dieser Bestimmung stellt auf die der Versicherung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles zugrundeliegende Forderung (ohne Zinsen) in Vertragswährung ab, Abs.2 befaßt sich mit einer allfälligen Währungsumrechnung, Abs.3 mit der allfälligen Kürzung des so ermittelten Betrages auf die Versicherungssumme oder auf das gemeldete Deckungserfordernis, Abs.4 mit dem Deckungsprozentsatz, Abs.5 mit der allfälligen Einbeziehung von Zinsen in die Deckung und Abs.7 mit dem Abzug des Selbstbehaltes.

Abs.6 lautet: "Nach dem Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungfalles eingegangene Zahlungen (ungeachtet ihrer Widmung), verfügbare Erlöse aus bereits durchgeführter Verwertung von Gütern, sowie allenfalls gemäß Art.7 auszuschließende Beträge werden im Ausmaß des Deckungsprozentsatzes in Abzug gebracht".

Art.10 regelt unter der Überschrift "Besondere Verpflichtungen des Versicherungsnehmers nach Anerkennung des Versicherungsfalles und Kostenersatz" in der Z 4, daß der Versicherungsnehmer alle Eingänge ungeachtet ihrer Widmung im Ausmaß des Deckungsprozentsatzes abzüglich Selbstbehalt an den Versicherer weiterzuleiten hat.

Die klagende Partei lieferte die dem versicherten Exportgeschäft zugrundeliegenden Waren in Teilen aus. Darunter befand sich eine über S 299.500,-- fakturierte Lieferung von *****. Weitere Teilrechnungen wurden über S 257.400,--, S 193.050,-- gelegt. Mit Schreiben vom 21.7.1988 bot die klagende Partei der Bank für K***** AG ihre Forderungen aus den obigen drei Teilrechnungen über insgesamt S 749.950,--, auf ein Zessionsverpflichtungsanbot vom Oktober 1986 Bezug nehmend, zur Abtretung an, die Bank für K***** AG nahm dieses Offert an, die jugoslawische Schuldnerin wurde davon verständigt. In der Folge wurden der Klägerin von der Firma T***** C***** weitere Aufträge über S 1,366.447,--, S 357.500,-- und über US-$ 41.047,13 erteilt und abgewickelt.

Mit Telex vom 4.11.1988 ersuchte die Firma T***** C***** die klagende Partei um Bezahlung eines Rückstandes aus einem Rohrgeschäft des vergangenen Jahres und erklärte, erst nach dessen Zahlung zu einer neuen Zusammenarbeit bereit zu sein.

Auf die Mitteilung eines Zahlungsverzuges von T***** C***** hin erklärte die beklagte Versicherung, dies vorerst unpräjudiziell für diesen Geschäftsfall zur Kenntnis zu nehmen, und verwies auf Art.8 Abs.6 der AVB (ohne diesen Hinweis jedoch inhaltlich näher auszuführen). Der Geschäftsführer der Klägerin reagierte auf diesen Hinweis nicht, vielmehr erachtete er die Mitteilung der Kenntnisnahme als inhaltsleer.

Auf die Anfrage der Beklagten vom 30.3.1989 über den Informationsstand des die gegenständliche Polizze betreffenden Geschäftsfalles antwortete die Klägerin, daß auf die Versicherungssumme bislang nur S 193.050,-- und nicht versicherte Zahlungen von S 955.000,-- geleistet worden seien. Der Saldo betrage abgerundet 4,3 Mill. Im Jahr 1989 seien keine Lieferungen mehr erfolgt, es sei von T***** C***** Zahlung zugesagt worden. Die klagende Partei habe auch Gegenimporte von rund 3 Mill.S, ohne eine Antwort zu erhalten, angeboten. Im Antwortschreiben vom 17.4.1989 erklärte die Beklagte, diese Information ungeprüft zur Kenntnis zu nehmen. Sie wies darauf hin, daß etwaige Verletzungen des Versicherungsvertrages dadurch nicht saniert werden. Die Klägerin beabsichtigte in der Folge eine Klagsführung in Jugoslawien, der jedoch die Beklagte nicht zustimmte. In der Folge kam es zu einer Ratenvereinbarung mit T***** C*****, bei der diese aufgefordert wurde, mit der nächsten Teilzahlung vorrangig die versicherte Forderung zu begleichen. Auf diese Mitteilung hin verwies die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 29.6.1990 nochmals auf die Verpflichtungen der Klägerin gemäß Art.8 Abs.6 bzw Art.10 Abs.4 der AVB. In der Folge wurden die anderen versicherten Teilforderungen, nicht aber die Rechnung über S 299.500,-- beglichen. Der schriftliche Antrag der Klägerin auf Anerkennung des Versicherungsfalles langte bei der beklagten Partei am 20.6.1991 ein, worauf diese Kontounterlagen verlangte. Im Schreiben vom 27.7.1992 anerkannte die Beklagte gegenüber der Klägerin zwar den Eintritt des Versicherungsfalles hinsichtlich der Teilforderung von S 299.500,--, machte aber unter Berufung auf Zahlungseingänge der T***** C***** in Höhe von S 2,438.514,60 auf nicht versicherte und nach dem versicherten Geschäftsfall getätigte Lieferungen gemäß Art.8 Abs.6 der EKV K 1 Leistungsfreiheit geltend. Daß eine Klagsführung in Jugoslawien zu dem von der klagenden Partei frühest vorgeschlagenen Zeitpunkt zu einer tatsächlichen Zahlung geführt hätte, konnte nicht festgestellt werden.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Versicherung die Bezahlung von S 299.550,--. Alle späteren nicht versicherten Lieferungen seien nur gegen Akkreditive erfolgt. Da dadurch die betreffenden Banken Gläubiger der Firma T***** C***** geworden seien, sei der Klägerin jede Einflußmöglichkeit auf eine gezielte Zahlungsweise von T***** C***** entzogen gewesen. Über die gegenständliche Forderung habe die Klägerin zufolge ihrer Zession an die Bank für K***** AG keine Möglichkeit gehabt, auf die Zahlungen einzuwirken. Das Klagebegehren werde hilfsweise zufolge mangelnder Aufklärung über die Anrechnungsregeln späterer Zahlungen auf den Titel des Schadenersatzes gestützt. Die Beklagte habe die Klägerin nicht darüber informiert, daß die Anrechnungsverpflichtung auch für mit Akkreditiven besicherte Forderungen gelte. Bei Kenntnis dieses Umstandes hätte die Klägerin die gegenständliche Versicherung gar nicht abgeschlossen. Außerdem habe die Beklagte die unterbliebene gerichtliche Einbringlichmachung der gegenständlichen Forderung in Jugoslawien schuldhaft zu verantworten.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, zufolge der Bestimmung des Art.8 Abs.6 der EKV K 1 leistungsfrei zu sein. Die Firma T***** C***** habe der klagenden Partei alle späteren nicht versicherten Lieferungen mit weit über der Versicherungssumme liegenden Zahlungen abgegolten. Offen sei allein der versicherte Teilbetrag. Die Klägerin habe es auch unterlassen, ihren Selbstbehalt in Abzug zu bringen.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 269.500,-- sA zu und wies das Mehrbegehren von S 29.950,-- sA ab. Es folgerte rechtlich, daß sich die Klägerin trotz unbelesener Unterfertigung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen diesen grundsätzlich unterworfen habe. Von dieser Akzeptanz seien jedoch ungewöhnliche, sie besonders benachteiligende Bedingungen, mit denen sie nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht rechnen brauchte und auf die sie nicht besonders hingewiesen worden sei, ausgenommen. Dabei seien nach einem objektiven Gesichtspunkt als unklar aufzufassende AVB so auszulegen, wie dies der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehen mußte, Unklarheiten hätten hiebei zu Lasten des Versicherers zu gehen. Die Bestimmung, daß nach dem Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles eingehende Zahlungen (ungeachtet ihrer Widmung) im Ausmaß des Deckungsprozentsatzes in Abzug gebracht werden, werde in Abs.6 des Art.8, der die Überschrift "Berechnung der Versicherungsentschädigung" trage, nicht besonders hervorgehoben, sondern in auf den versicherten Einzelfall bezogene Bestimmungen eingebettet. Abs.6 spreche auch nicht von allen Zahlungen oder noch deutlicher von Zahlungen nach Versicherungseindeckung ohne Rücksicht auf das zugrundeliegende Exportgeschäft, sondern schlechthin nur von Zahlungen, denen verfügbare Erlöse aus bereits durchgeführter Verwertung zur Seite gestellt werden, wodurch wiederum der Anschein eines Bezuges auf den konkreten Geschäftsfall ("bereits durchgeführte Verwertung") hervorgerufen werde. Daß damit auch Zahlungen aufgrund von Rechtsgeschäften gemeint seien, die nichts mit dem versicherten Exportgeschäft zu tun hätten, bringe die beklagte Partei nur beiläufig, den Anschein untergeordneter Bedeutung erweckend, in einem Klammerausdruck zu Papier. Daß der beklagten Partei durchaus auch eine zumindest annähernd deutlichere Formulierung nicht fremd gewesen sei, zeige sie in Art.10 Abs.1 Z 4, in welchem sie die Verpflichtung statuiere, daß der Versicherungsnehmer alle Eingänge ungeachtet ihrer Widmung (ohne Verwendung eines Klammerausdruckes) im Ausmaß des Deckungsprozentsatzes abzüglich Selbstbehalt an den Versicherer weiterzuleiten habe. Aus dieser Bestimmung sei für den konkreten Fall jedoch nichts zu gewinnen, weil sie durch die unterschiedliche Textierung nur noch eine Unklarheit hinzufüge und zudem unter der Voraussetzung der Anerkennung des Versicherungsfalles stehe. Insbesondere stellten die Z 1 und 2 des Art.10 auf die Abtretung von Forderungen durch den Versicherungsnehmer spätestens nach Anerkennung des Versicherungsfalles an den Versicherer und auf die Durchsetzung der Forderungen ab und spreche Z 4 von der Weiterleitung von Zahlungseingängen, sodaß sich aus diesem Zusammenhang ergebe, daß Z 4 nur im Sinne von Eingängen aus den abgetretenen oder doch noch vom Versicherungsnehmer selbst betriebenen Forderungen nach Anerkennung des Versicherungsfalles verstanden werden müsse. Daß hingegen eine Rückführung bereits früher vom Versicherungsnehmer vereinnahmter Forderungen an den Versicherer gemeint sei, komme sprachlich nicht zum Ausdruck. Außerdem liege die Sachlage auch insoweit anders, als mit der Anerkennung der Versicherungsleistung ansonsten das Interesse des Versicherungsnehmers an einer Betreibung gerade der versicherten Forderung naturgemäß nicht mehr gegeben wäre. Auch wenn wegen des auf Kaufleute anzuwendenden strengeren Maßstabes zumindestens bei beiderseitigen Handelsgeschäften mit einer derartigen Klausel an sich gerechnet werden müsse, erweise sich die Formulierung des Art.8 Abs.6 der EKV K 1 als undeutlich und zufolge Verwendung eines Klammerausdruckes auch als versteckt, sodaß die Klägerin mit ihr nicht habe zu rechnen brauchen. Da die Klägerin keine Besicherung der versicherten Forderung durch ein Akkreditiv behauptet und bewiesen habe, habe sie sich den Selbstbehalt abzuziehen lassen, sodaß aus diesem Grund das Klagemehrbegehren abzuweisen gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte aufgrund der nur gegen den Zuspruch

von der Beklagten erhobenen Berufung mit der angefochtenen

Entscheidung dieses Urteil und erklärte die ordentliche Revision für

zulässig. Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Vertragsbestimmung

habe einen etwas anderen Wortlaut als die der Entscheidung des

Obersten Gerichtshofes 7 Ob 12/90 (= ÖBA 1991/273) zu Grunde gelegene

und stehe im Zusammenhang mit anderen Vertragsbestimmungen. Bei

genügend deutlichem Vertragstext könne auch eine ungewöhnliche,

nachteilige Bestimmung zum Vertragsinhalt werden. Dies liege aber

hier nicht vor. Der Begriff "Zahlungen" in Art.8 Abs.6 der EKV K 1

lasse für sich allein noch nicht erkennen, ob damit auch Zahlungen

des Vertragspartners des Versicherungsnehmers aus nicht versicherten

Geschäften gemeint seien, oder eben nur Zahlungen aus dem

versicherten Geschäft. Der dem Wort "Zahlungen" unmittelbar

nachgestellte Klammerzusatz ("ungeachtet ihrer Widmung") deute zwar

zunächst durchaus in die Richtung, daß mit "Zahlungen" auch solche

gemeint seien, die nicht versicherte Geschäfte beträfen, völlig

zwingend sei diese Auslegung aber nicht, weil ja immerhin noch

denkmöglich sei, daß mit der Wendung "ungeachtet ihrer Widmung" nur

Scheinwidmungen des Schuldners des Versicherungsnehmers begegnet

werden sollte. Eine völlig klare Formulierung im Sinne der Beklagten

wäre nur dann gegeben, wenn es hieße: "... Zahlungen, auch aus

anderen, nicht versicherten Geschäften werden ungeachtet der Widmung

der Zahlungen... in Abzug gebracht". Die strittige Anrechnungsregel

über den Abzug von Zahlungen von der Versicherungsentschädigung stehe in einem Satz, der weitere Abzüge regle, nämlich die Abzüge von Erlösen aus bereits durchgeführter Verwertung von Gütern (also wohl ein Abzug, der mit dem versicherten Rechtsgeschäft in direktem Zusammenhang stehe) und Abzüge, die ihren Grund in einem Verhalten des Versicherungsnehmers hätten. Diese Zusammenfassung verschiedener Abzugsgründe in nur einem Satz erschwere naturgemäß die Auslegung, was unter dem Begriff "Zahlungen" zu verstehen sei. Eine genügend deutliche Erklärung, die auch ungewöhnliche, nachteilige Bestimmungen zum Vertragsinhalt werden lasse, liege daher nicht vor. Auch die im Art.10 Abs.1 Z 4 EKV K 1 gebrauchte Wendung über die Behandlung von "Eingängen ungeachtet ihrer Widmung" nach Anerkennung des Versicherungsfalles stelle keineswegs klar, ob damit alle Zahlungen des Geschäftspartners des Versicherungsnehmers gemeint seien, also solche aus Geschäften vor dem Versicherungsvertrag, nach dem Versicherungsvertrag sowie aus dem versicherten Geschäft selbst. Anders als in der vom Obersten Gerichtshof in ÖBA 1991/273 zu beurteilenden Fall sei der Überraschungseffekt im vorliegenden Fall schon deswegen zu bejahen, weil eine an sich undeutliche, nachteilige Regelung im Vertragstext "versteckt" werde und die Klausel über die Anrechnung von Zahlungen auch aus nicht versicherten Geschäften keine den Überraschungseffekt aufhebende, geradezu typische Vertragsbestimmung bei einem Exportversicherungsgeschäft darstelle. Die Subsumtion unter das Tatbild "ungewöhnlicher Inhalt" habe sich an der Verkehrsüblichkeit des entsprechenden Geschäftstyps zu orientieren. Die für die Klägerin nachteilige Klausel sei aus den dargelegten Gründen zufolge der Bestimmung des § 864a ABGB nicht zum Vertragsbestandteil geworden. An dieser Beurteilung vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Beklagte in ihrem Schreiben vom 4.11.1988 und vom 29.6.1990 die Klägerin auf die Klausel hingewiesen habe. Unstrittig sei nämlich, daß diese Hinweise nur den entsprechenden Artikel der AVB nannten, aber keine weitere Erläuterung geboten hätten. Damit werde aber nicht dem gesetzlichen Erfordernis eines "besonderen Hinweises" im Sinne des § 864a letzter Halbsatz ABGB entsprochen, weil in Wahrheit ja nur die bestehende Unklarheit prolongiert worden sei. Im übrigen schloß sich das Berufungsgericht der Kritik Jaborneggs zur Entscheidung 7 Ob 12/90 in ÖBA 1991, 379 ff an.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Es ist allgemein bekannt, daß Versicherer ihre Versicherungsverträge üblicherweise unter Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen abschließen (vgl SZ 63/54; VR 1990, 350). Nach der nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Praxis ist die Auslegung aller nicht im Verordnungsweg erlassenen Versicherungsbedingungen am Maßstab eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers vorzunehmen, weshalb die Unklarheitsregel des § 5 (des deutschen) Allgemeinen Geschäftsbedingungsgesetzes (AGBG) anzuwenden sei, wenn die objektive Auslegung zu keinem Ergebnis führe (vgl Prölss-Martin VVG25, 32 ff). Eine derartige Auslegungsregel nähert sich weitgehend der Regelung der §§ 914 f ABGB. Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Allgemeine Versicherungsbedingungen müssen daher so ausgelegt werden, wie sie der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehen mußte, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen. Zu berücksichtigen ist in allen Fällen der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl Prölss-Martin aaO, EvBl 1982/94; VersE 1472 ua, zuletzt 7 Ob 4/94). Versicherungsbedingungen sind auch aus ihrem Zusammenhang heraus auszulegen (vgl Prölss-Martin aaO, 29). Der Revisionswerberin ist darin zuzustimmen, daß vor der Auslegung bzw. Beurteilung einer Vertragsbestimmung nach den §§ 914 f bzw 864a ABGB diese Bestimmung zunächst auf ihre Verständlichkeit zu untersuchen ist (§ 869 ABGB) und dann erst eine Inhalts- und Geltungskontrolle zu erfolgen hat. Verständlich ist eine Erklärung, wenn sie aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers, vermehrt um Sonderkenntnisse des Adressaten im Einzelfall, einen sinnvollen Rechtsfolgewillen erkennen läßt. Erfolgt die Annahme unter anderen Bestimmungen, als unter welchen das Versprechen geschehen ist, so entsteht im Regelfall kein Vertrag (Dissens). Konsens setzt also Erklärungen voraus, die nach den allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 863, 914 f ABGB übereinstimmen (Rummel in Rummel, ABGB2 § 869 Rz 8). Bei der unbelesenen Unterfertigung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt es jedoch hinsichtlich einzelner Bestimmungen zu keinen derartigen Erklärungen, der sich unterwerfende Teil geht vielmehr davon aus, daß er damit "das Übliche" in Kauf nimmt (vgl SZ 57/78). Was "ungewöhnlich" ist, ist nach herrschender Lehre (vgl. Rummel in Rummel ABGB2 § 864a Rz 5 mwN) mit der Einschränkung objektiv zu verstehen, daß eine Klausel nämlich auch dann nicht gilt, wenn sie im konkreten Zusammenhang gerade für diesen Vertragspartner aus der Sicht eines redlichen Aufstellers überraschend sein mußte, er also gerade mit dessen Unterwerfung nicht rechnen durfte. Nur wenn das feststeht, kommt es auf die objektive Ungewöhnlichkeit nicht an.

Die Bestimmung des Art.8 Abs.6 der EKV K 1 befindet zwar sich im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen in dem Regelungsabschnitt, in den sie gehört, nämlich in den mit "Berechnung der Versicherungsentschädigung" übertitelten; dies, weil das Problem späterer Zahlung aus späteren nicht versicherten Geschäftsfällen als dem versicherten logischerweise immer nur ein An- oder Berechnungsproblem sein kann. Die vorliegende Vertragsbestimmung ist aber im Gegensatz zu der der Entscheidung 7 Ob 12/90 (= ÖBA 1991, 376

ff) zugrundeliegenden Formulierung "alle Eingänge sind ungeachtet ihrer Widmung durch den ausländischen Vertragspartner vorerst zur Abdeckung der vom Versicherer anerkannten Forderung zu verwenden" nicht klar. Der Wortsinn der gegenständlichen Klausel erlaubt es zwar, "eingegangene Zahlungen" sowohl nur auf den betreffenden Geschäftsfall als auch auf andere, nicht versicherte Geschäfte zu beziehen. Auch ein verständiger Versicherungsnehmer wird aber eher an ersteres denken, weil, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, jeglicher weitere Hinweis auf Eingänge aus nicht versicherten Geschäften fehlt und er ohne entsprechend deutlichen Hinweis von sich aus wohl nicht an einen solchen von ihm nicht zu erwartenden Ausnahmefall denkt; der Klammerausdruck mag zwar für letzteres sprechen, bewirkt aber keine Eindeutigkeit im Sinne des Standpunktes des Versicherers. Die Fassung der vorliegenden Bestimmung ist jedenfalls nicht hinreichend klar, was zu Lasten des Versicherers geht. Vor einer Anwendung des § 864a ABGB muß die Ermittlung des Inhaltes einer Bestimmung stehen. Erst von einem bestimmten Inhalt ausgehend, wäre dessen Ungewöhnlichkeit zu beurteilen. Aufgrund der vorliegenden Erwägungen liegt daher kein Anwendungsfall des § 864a ABGB vor. Da eine echte Vergleichbarkeit mit dem der Entscheidung 7 Ob 10/90 = ÖBA 1991, 379 ff zugrundeliegenden Sachverhalt nicht vorliegt, erübrigt es sich, auf die Kritik Jaborneggs zu dieser Entscheidung mit der Ausnahme einzugehen, daß der erkennende Senat, wie bereits dargelegt, die neu gefaßte Formulierung der Bestimmung für nicht ausreichend verständlich hält.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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