OGH 7Ob567/95

OGH7Ob567/9514.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Gertrude N*****, *****, 2. Dipl.Ing.Alois T***** , und 3. Hellmuth T*****, alle vertreten durch Dr.Manfred Melzer ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Johanna S*****, vertreten durch Dr.Günther Niebauer ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung (Revisionsstreitwert S 24.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 18.Oktober 1994, GZ 41 R 883/94-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 20.Juni 1994, GZ 5 C 599/94x-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Die Beklagte ist (seit vielen Jahren) Mieterin der Wohnung top.Nr.8 im Haus Sch*****gasse 35. In diesem Haus befindet sich auf dem Dachboden neben der ehemaligen Waschküche ein weiterer Raum, der früher als Roll- und Bügelkammer verwendet wurde. Dieser Raum wurde in der Folge vom Sohn der Erstklägerin für Hobbyzwecke benützt. Nachdem dieser aus dem Haus ausgezogen war, bot er die Bügelkammer der Beklagten als Hobbyraum an, weil er wußte, daß auch deren Sohn Bastler ist. Für die Benützung dieses Raumes wurden ursprünglich monatlich 100,-- S vereinbart. Dieser Betrag wurde später erhöht und stets von der Beklagten bezahlt. Der Raum wird von der Beklagten seit ca. 18 bis 20 Jahren als Hobbyraum und auch als Abstellraum benützt. Der Mietzins für diesen Raum wurde jeweils zum Hauptmietzins über die von der Beklagten angemietete Wohnung zusätzlich vorgeschrieben und so auch ausgewiesen. Als es zu einer Mietzinserhöhung zufolge Vorschreibung eines Erhaltungsbeitrages kam, wurde der Mietzins für die "Bügelkammer" auf S 200,-- erhöht. Auch dieser Betrag wurde immer extra als Mietzins auf den Vorschreibungen ausgewiesen. Eine Änderung des Vertragszweckes erfolgte nicht.

Die Kläger kündigten den Bestandvertrag über diesen Raum ohne Geltendmachung von Gründen auf und brachten vor, es handle sich dabei um ein sogenanntes "neutrales Objekt".

Die Beklagte wendete dagegen ein, daß ihr ursprünglicher Mietvertrag nur um diesen Raum erweitert worden sei.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es folgerte, daß es im Hinblick auf die separate Anmietung sowie den dafür angegebenen Bestandzweck zu keiner Erweiterung des Hauptmietvertrages über die Wohnung gekommen sei. Es handle sich beim kündigungsgegenständlichen Raum um ein "neutrales Objekt", das ohne Angabe von Gründen aufgekündigt werden könne. Der Raum sei weder Wohn- noch Geschäftsraum. Die klagende Partei habe die Voraussetzungen dafür bewiesen, daß für das aufgekündigte Objekt nicht die Vorschriften des MRG anzuwenden seien.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und erklärte die Revision für unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Beklagten erhobene Revision ist berechtigt.

Richtig ist, daß in Rechtsprechung und Lehre (vgl. Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 1 MRG Rz 2) die Unanwendbarkeit des MRG auf "neutrale Objekte" mehrfach bejaht worden ist. Grundsätzlich wäre die Anmietung eines Dachbodeneinzelraumes nur für Freizeitzwecke ohne Zusammenhang mit einer geschäftlichen Tätigkeit bzw. ohne Zusammenhang mit einem zu Wohnzwecken begründeten Hauptmietverhältnis als Inbestandnahme eines solchen neutralen Objektes rechtlich möglich, wobei die Kläger für diese von ihnen behaupteten Voraussetzungen beweispflichtig wären (vgl Würth-Zingher aaO Rz 1). In der Entscheidung 5 Ob 1013/90 = WoBl 1992/4 wurde ausgesprochen, daß derjenige, der sich bei Anmietung eines Dachbodens auf die Anwendbarkeit des MRG für dieses Mietverhältnis berufe, beweisen müsse, dort Räume zu Wohnzwecken angemietet zu haben. Bei dem der dortigen Entscheidung zugrunde liegenden Fall handelte es sich um einen unverbauten Dachboden. Im vorliegenden Fall liegt jedoch unbestrittenermaßen ein abgegrenzter und daher einer selbständigen Benützung zugänglicher Raum vor. Die von der ersten Instanz erwähnten Entscheidungen ergingen zu PKW-Abstellplätzen (MietSlg 36.238, MietSlg 33.258, MietSlg 32.261, MietSlg 30.270) bzw. zu einem Boots- und Badehaus (MietSlg 35.492); sie können nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall herangezogen werden, weil die Benützung der dortigen Bestandgegenstände mit Wohnen im verkehrsüblichen Sinn schon von vornherein nichts zu tun hatte. Auch der von der zweiten Instanz zitierten Entscheidung MietSlg 34.370/7 lag ein völlig anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Der Wohnzweck bei einer Raummiete hängt neben dem Vorliegen der baulichen Voraussetzungen von der Parteienabsicht ab (vgl MietSlg 37.235 mwN). Sohin kommt der Frage, ob der gegenständliche Raum zur Wohnung der Beklagten zugemietet (mitgemietet) oder separat und ohne Bezug auf das Hauptmietverhältnis angemietet worden ist, entscheidende Bedeutung zu. Dabei kommt es nicht auf eine einheitliche Vertragsurkunde, sondern auf den Parteiwillen an, ob die "Nebensache" ein einheitliches Schicksal mit der Hauptsache haben oder der Bestand des einen Mietvertrages von dem des anderen unabhängig sein soll (vgl Würth-Zingher, aaO Rz 32). Das Berufungsgericht verneinte dies allein aus dem der Anmietung zugrunde gelegten Verwendungszweck, nämlich dort Freizeitbeschäftigungen nachzugehen (vgl. AS 50 = S.8 der Ausfertigung des Berufungsurteiles). Dies allein reicht nicht aus, weil aus dem festgestellten Anbot des früheren Hauseigentümers gegenüber der Beklagten, deren Sohn könne für Bastlerarbeiten den gegenständlichen Raum anmieten, ebenso das Gegenteil abgeleitet werden könnte, ebenso auch aus dem Umstand, daß der Raum zum Abstellen (doch wohl nur von aus der Wohnung ausgegliederten Gegenständen) benützt wird. Es fehlen daher Feststellungen über die bei der Anmietung des gegenständlichen Raumes zum Ausdruck gebrachte Parteienabsicht. Daß ein Zubehör zur Wohnung erst nach Begründung des Hauptmietvertrages angemietet wurde, stünde einer Parteienabsicht, den Raum zur Wohnung dazuzumieten, nicht entgegen; dafür ist allerdings die beklagte Partei beweispflichtig. Sollte dies der Fall sein, so unterläge der aufgekündigte Raum im Rahmen einer "Mitvermietung" mit den übrigen in Hauptmiete vergebenen Räumen dem Kündigungsschutz (vgl Würth-Zingher aaO Rz 5). Die Kläger müßten unter diesen Voraussetzungen allenfalls eine Teilkündigung aussprechen. Der Umstand einer zeitlich nach der Inbestandnahme der Wohnung erfolgten Anmietung für Freizeitzwecke und einer separaten Ausweisung des Mietzinses für dieses Bestandverhältnis stellt für sich allein noch keinen zwingenden Grund gegen die Annahme dar, der Hobbyraum sei nur als Nebenraum ("Nebensache") zur Wohnung der Beklagten angemietet worden. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Parteien über die der Anmietung des gegenständlichen Raumes zugrunde liegenden Vereinbarungen zu befragen und ergänzende Feststellungen darüber zu treffen haben. Der Revision war daher Folge zu geben und waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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