OGH 4Ob536/95

OGH4Ob536/9513.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Johanna F*****, vertreten durch Dr.Friedrich H.Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Theresia P*****, vertreten durch Dr.Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in Gmünd, 2. Rudolf C*****, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert S 50.000,-), infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 21.April 1995, GZ 2 R 68/95-12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Gmünd vom 4.November 1994, GZ 2 C 242/94y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Erstbeklagten auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ *****

Grundbuch ***** G***** mit den Grundstücken Nr. 788 und Nr. 792/5.

Im Gutsbestandsblatt dieser Liegenschaft ist das Recht des Gehens

über die Grundstücke Nr. 844/3, 851/1, 851/2, 2226 und 2228

jeweils zugunsten der Grundstücke Nr. 788 und 792/5 ersichtlich

gemacht.

Die Beklagten sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** G*****. Zu dieser Liegenschaft

gehören die Grundstücke Nr. 844/3, 851/1, 851/2, 2226 und 2228.

Im Lastenblatt ist gemäß Kaufvertrag vom 2.8.1963 unter C l Nr. 3

a die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über diese Grundstücke zugunsten der Grundstücke Nr. 788 und 792/5 einverleibt.

Mit Kaufvertrag vom 2.5.1994 verkaufte der Zweitbeklagte seine Liegenschaftshälfte der Erstbeklagten. Der Kaufvertrag ist noch nicht grundbücherlich durchgeführt.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihr als Alleineigentümerin

der Grundstücke Nr. 788 und Nr. 792/5 der KG G***** sowie allen

ihren Rechtsnachfolgen die Dienstbarkeit des Wegerechtes auf dem

bereits bestehenden Fußweg in Richtung des ehemaligen Schulgebäudes

- ohne Beschränkung lediglich auf den Kirchgang - gegenüber den

jeweiligen Eigentümern der dienenden Grundstücke Nr. 844/3, 851/1,

2228, 2226 und 851/2 in dem Maße zustehe, daß sämtliche Benutzer des

Hauses und deren Besucher den Fußweg ungehindert benutzen können. Die

Klägerin begehrt weiters, die Beklagten schuldig zu erkennen,

"sämtliche Störungshandlungen zur Wahrnehmung des Wegerechtes" zu

unterlassen.

Das Wegerecht sei den Rechtsvorgängern der Klägerin beim Kauf der Liegenschaft eingeräumt worden. Damals habe der Weg bereits bestanden; man habe das zu errichtende Haus nur auf diesem Weg erreichen können. Der Weg sei auch jetzt noch die kürzeste Verbindung zum Dorf. Das Wegerecht sei mehr als dreißig Jahre hindurch ungehindert ausgeübt worden.

Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen.

Das Wegerecht sei nur eingeräumt worden, um es den Rechtsvorgängern

der Klägerin zu ermöglichen, auf kürzestem Weg zur Schule und zur

Kirche zu gelangen. Die in Punkt VII des Kaufvertrages vom 2.8.1963

gewählte Formulierung "........ auf dem bereits bestehenden Fußwege

zur Schule und zur Kirche ......." sei keine bloße

Richtungsbeschreibung. Das Begehren der Klägerin sei bereits zu 2 C 1677/93 a-6 rechtskräftig abgewiesen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Dem Vater der Klägerin und seinen Rechtsnachfolgern sei "das immerwährende und unentgeltliche Recht eingeräumt worden, über die vorgenannten Grundstücke jederzeit auf dem bereits bestehenden Fußwege zur Schule und zur Kirche zu gehen". Absicht der Parteien sei

es gewesen, lediglich ein Wegerecht für den - durch die Schließung

der Schule hinfälligen - Schulweg und den Kirchgang einzuräumen.

Die Klägerin habe kein uneingeschränktes Wegerecht ersessen. Noch vor Ablauf der dreißigjährigen Ersitzungszeit sei sie darauf hingewiesen worden, daß sie nicht berechtigt sei, den Weg uneingeschränkt zu benützen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S nicht übersteige und die Revision jedenfalls unzulässig sei.

Sowohl nach dem Wortlaut der Vertragsbestimmung, mit der das Wegerecht eingeräumt worden sei, als auch nach der Übung des redlichen Verkehrs sei mit "Fußweg zur Schule und zur Kirche" der Zweck des Wegerechtes bestimmt worden. Die Parteienabsicht könne nicht mehr erforscht werden, weil die vertragschließenden Parteien verstorben und andere Beweismittel nicht verfügbar seien. Nach § 484

ABGB seien Dienstbarkeiten einschränkend auszulegen; auch aus diesem Grund sei der Wortsinn der Vertragsbestimmung maßgebend. Die Klägerin habe das behauptete Wegerecht auch nicht ersessen. Sie sei keine redliche Ersitzungsbesitzerin, weil sie noch vor Ablauf der Ersitzungszeit erfahren habe, daß ihr Besitz unrechtmäßig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision ist unzulässig.

Die Klägerin verweist darauf, daß Gegenstand des Verfahrens ein

strittiges Wegerecht ist. In einem solchen Fall sei der Oberste

Gerichtshof nicht an die Bewertung des Streitgegenstandes durch das

Berufungsgericht gebunden.

Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig,

wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden

hat, an Geld oder Geldeswert 50.000 S nicht übersteigt. Besteht der

Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so

hat das Berufungsgericht gem § 500 Abs 2 Z 1 ZPO in seinem

Urteil auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes

insgesamt 50.000 S übersteigt oder nicht. Dieser Ausspruch ist

unanfechtbar und bindend, wenn das Berufungsgericht dabei nicht

zwingende Verfahrensbestimmungen verletzt hat oder eine Bewertung

überhaupt nicht vorzunehmen war (EvBl 1990/146 mwN; RZ 1992/16 ua).

Bei der Bewertung sind die §§ 54 Abs 2, 55 Abs 1 bis 3, 56

Abs 3, 57, 58 und 60 Abs 2 JN sinngemäß anzuwenden (§ 500 Abs

3 ZPO erster Satz).

Gegenstand des Verfahrens ist ein Wegerecht, dessen Umfang

festgestellt werden soll und dessen Störung die Beklagten unterlassen

sollen. Bei Feststellungsklagen hat der Kläger den Streitgegenstand

zu bewerten; bei Unterlassungsklagen ist die vom Kläger angegebene

Höhe seines Interesses als Wert des Streitgegenstandes anzusehen (§

56 Abs 2, § 59 JN). Das Berufungsgericht hatte keine der beiden

Vorschriften bei der Bewertung des Streitgegenstandes anzuwenden (§

500 Abs 3 ZPO); für den Anspruch auf Feststellung eines

Wegerechtes und auf Unterlassung von Störungen dieses Wegerechtes besteht auch keine andere zwingende Bewertungsvorschrift. Der Klägerin wäre aber auch nicht geholfen, wenn das Berufungsgericht an die Bewertung des Streitgegenstandes durch den Kläger gebunden wäre, hat sie doch den Streitgegenstand mit 50.000 S bewertet.

Das Berufungsgericht hat mit seinem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S nicht übersteige, keine zwingende Bewertungsvorschrift verletzt. Der Ausspruch ist daher bindend, so daß die Revision als unzulässig zurückzuweisen war.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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