OGH 7Nd506/95

OGH7Nd506/959.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Andreas V*****, wohnhaft bei seiner Mutter in ***** K*****, betreffend die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Wels an das Bezirksgericht Oberpullendorf, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht W***** an das Bezirksgericht O***** wird genehmigt.

Text

Begründung

Der mj.Andreas stammt aus der am 22.8.1990 im Einvernehmen geschiedenen Ehe des Franz und der Brigitte V*****. Die Obsorge steht aufgrund des pflegschaftsgerichtlich genehmigten Scheidungsvergleiches der Mutter Brigitte V***** zu. Der Vater wohnt nach wie vor in G***** im Sprengel des Bezirksgerichtes W*****. Die Mutter wohnte nach der Scheidung mit dem Kind zunächst in W*****.

Am 22.3.1994 und am 16.4.1994 beantragte der Vater eine Ausdehnung seines Besuchsrechtes von zuletzt an jedem 2. und 4. Samstag im Monat auf 2 x 2 Tage im Monat bzw von Freitag abends bis Sonntags abends an jedem zweiten Wochenende. Die Mutter sprach sich dagegen aus und bekundete ihren Wunsch, das Besuchsrecht zu reduzieren oder überhaupt zu untersagen.

Am 13.6.1994 stellte der Magistrat der Stadt W***** als Unterhaltssachwalter des Kindes den Antrag, die Unterhaltsbeiträge des Vaters von zuletzt S 2.060,-- ab 1.1.1993 auf S 2.830,-- und ab 1.7.1993 auf S 2.940,-- monatlich zu erhöhen. Der Vater sprach sich gegen jede Unterhaltserhöhung aus.

Mit Beschluß vom 31.5.1994 beauftragte das Bezirksgericht W***** einen Sachverständigen in L***** mit der Erstellung eines Gutachtens zur Besuchsrechtsproblematik. Während dessen teilte die Mutter mit, daß sie ab 1.8.1994 nach K***** im Burgenland übersiedeln werde.

Nach Einlangen des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen am 14.12.1994 und nach Bestimmung der Sachverständigengebühren übertrug das Bezirksgericht W***** mit Beschluß vom 10.2.1995 die Zuständigkeit in dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht O*****, weil sich das Kind nun ständig in K***** aufhalte. Das Bezirksgericht O***** lehnte die Übernahme der Pflegschaft mit der Begründung ab, daß einer Übernahme erst nach Erledigung des offenen Besuchsrechtsantrages und des offenen Unterhaltserhöhungsantrages zugestimmt werde. Daraufhin legte das Bezirksgericht W***** die Pflegschaftssache zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit vor.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sprechen offene Anträge im allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN. Offene Anträge können nur dann bedeutsam sein, wenn das Wohl des Kindes aus besonderen Gründen von dem bisher befaßten Gericht wirksamer beachtet werden kann, etwa weil dem übertragenden Gericht eine besondere Sachkenntnis zukommt (vgl EFSlg 69.767, EFSlg 69.768 ua). Auch in dem Fall, daß alle zur Entscheidung erforderlichen Beweise bereits aufgenommen wurden, kann die Übertragung der Zuständigkeit vor Erledigung des Antrages unzweckmäßig sein (3 Nd 510/87).

Anhaltspunkte dafür, daß das Bezirksgericht W***** im vorliegenden Fall bereits besonders intensiv mit den Persönlichkeiten der hier Beteiligten vertraut und in die Problematik der anstehenden Fragen eingearbeitet wäre, lassen sich dem bislang nicht besonders umfangreichen Akteninhalt nicht entnehmen. Es liegt zwar bereits ein psychiatrisches Gutachten zum Besuchsrechtsstreit vor. Die Parteien wurden aber nach dessen Einlangen noch nicht einvernommen und konnten daher hiezu noch nicht Stellung beziehen. Sie hatten noch keine Gelegenheit, anläßlich einer gerichtlichen Einvernahme ihre Vorstellungen zur Besuchsrechtsgestaltung nach Übersiedlung in das vom Wohnort des Vaters relativ weit enfernte K***** zu deponieren, wodurch doch eine wesentliche Änderung der Situation gegenüber ihrer letzten Einvernahme vor mehr als einem Jahr eintrat. Es ist daher keineswegs auszuschließen, daß vor der Entscheidung über das Besuchsrecht noch weitere Einvernahmen und allfällige sonstige Erhebungen durchzuführen sein werden. Der Unterhaltserhöhungsantrag ist schon deshalb noch nicht spruchreif, weil noch keine Lohnauskunft betreffend den unterhaltspflichtigen Vater eingeholt wurde und auch über die nunmehrigen Lebensverhältnisse der Mutter nichts bekannt ist.

Es liegen daher im vorliegenden Fall keine Umstände vor, die es trotz des Umstandes, daß das Kind nun schon geraume Zeit im Sprengel des BG O***** wohnt, angezeigt erscheinen lassen, weiterhin die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes W***** beizubehalten. Vielmehr kommt auch hier der Grundsatz zum Tragen, daß bei Kindern in der Regel die Pflegschaftsaufgabe von jenem Gericht wahrgenommen werden soll, in dessen Sprengel sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (EFSlg 69.750; 5 Nd 514/94 ua).

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