OGH 15Os60/95(15Os61/95)

OGH15Os60/95(15Os61/95)1.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Stöckelle als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mohaymen E***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Jänner 1995, GZ 2 d Vr 1251/94-88, sowie über dessen Beschwerde gegen den gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gleichzeitig mit diesem Urteil verkündeten Widerrufsbeschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der ägyptische Staatsangehörige Mohaymen E***** wurde des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die Nachgenannte am Vermögen schädigten bzw in einem Fall schädigen sollten, wobei der Schaden insgesamt 500.000 S übersteigt, nämlich

I. in Wien durch die Vorgabe, ein redlicher (rückzahlungsfähiger und rückzahlungswilliger) Kreditnehmer zu sein, sowie durch Verschweigen der Tatsache, daß seine Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlängert worden war und er sich nur mehr auf Grund eines (befristeten) Vollstreckungsaufschubes in Österreich aufhalten durfte, zur Gewährung von Darlehen, und zwar

1. am 17.Juni 1991 Angestellte der B***** zur Auszahlung von 150.000

S verleitet,

2. am 14.Mai 1991 Angestellte der A*****-Bank zur Auszahlung von 300.000 S zu verleiten versucht;

II. in Wittau durch Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit sowie seiner Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich, und zwar

1. im April 1993 den Richard S***** zum Abschluß eines Pachtvertrages, wodurch dieser einen Schaden von ca 105.000 S erlitt,

2. am 1.April 1993 Angestellte der Österreichischen B***** AG zum Abschluß eines Bierbezugsvertrages, wodurch die genannte Firma einen Schaden von ca 272.200 S erlitt,

3. in der Zeit vom 14.Juli bis zum 3.August 1993 Angestellte der S***** GesmbH zur Lieferung von Gastronomiegeräten im Gesamtwert von 67.505,60 S, wodurch die genannte Firma um diesen Betrag geschädigt wurde,

4. in der Zeit von Juli bis August 1993 Angestellte der M***** Österreichische F***** GesmbH zur Lieferung von Milchprodukten im Gesamtwert von 101.864,39 S, wodurch die genannte Firma um diesen Betrag geschädigt wurde, und

5. am 9.September 1993 in Schleichbach Angestellte der Firma K***** zur Herausgabe eines PKWs im Wert von ca 100.000 S.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten hiefür zu einer Freiheitsstrafe.

Unter einem widerrief es gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO (§ 53 Abs 1 StGB) die dem Angeklagten mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.November 1991, GZ 2 d E Vr 9804/91-15, gewährte bedingte Nachsicht einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe und sprach aus, daß diese zu vollziehen ist.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch erhob der Angeklagte eine auf die Z 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch wendet er sich mit einer Berufung; den Widerrufsbeschluß bekämpft er mit Beschwerde.

Als nichtig (Z 4) rügt der Beschwerdeführer das (entgegen der Bestimmung des § 238 Abs 1 StPO nicht sofort, sondern erst im Urteil

Voranzustellen ist, daß der Nichtigkeitswerber zwar in der Beschwerdeschrift (404) darauf hinweist, im Hauptverhandlungsprotokoll sei dieser Beweisantrag nur "rudimentär und zum Teil fehlerhaft" aufgenommen worden, weshalb er in diesem Zusammenhang das Protokoll "rügen" müsse. Ein formeller Protokollsberichtigungsantrag ist indes in diesem Vorbringen mangels Konkretisierung, worin die unvollständige bzw fehlerhafte Protokollierung gelegen sein soll, nicht zu erblicken (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 271 E 34). Abgesehen davon behandelte das Schöffengericht in seiner im Urteil nachgeholten Begründung den Beweisantrag ohnedies so, als ob das in der Nichtigkeitsbeschwerde behauptete Beweisthema - der Zeuge S***** habe von dem gegen den Angeklagten bestehenden Aufenthaltsverbot gewußt - vorgebracht worden wäre (US 8).

Mangels eines geeigneten Protokollberichtigungsantrages kommt das erwähnte Versäumnis jedoch ohnehin nur beim Zeugen El Zahar Abd el A***** (Elsara A*****) zum Tragen; hiezu wurden im Beweisantrag weder eine ladungsfähige Anschrift dieses Zeugen noch geeignete Anhaltspunkte zu dessen Ausforschung angeführt. Demnach verfiel dieser Antrag (im Ergebnis) zu Recht der Abweisung.

Was hingegen die zwei weiteren genannten Zeugen Petra L***** und Mohamed G***** Z***** betrifft, kann zwar (nur) im Zusammenhang mit dem Antragsvorbringen in der vorangegangenen Hauptverhandlung vom 17. November 1994 ein konkretes Beweisthema entnommen werden (vgl 286); allein die vom Vorsitzenden zu deren Stelligmachung in die Wege geleiteten sicherheitsbehördlichen Erhebungen erbrachten, daß einerseits dem gerichtlichen Ersuchen mangels geeigneter Angaben nicht entsprochen werden konnte bzw eine Petra L***** ab 1976 in Wien nicht gemeldet ist (ON 75), andererseits Mohamed G***** Z***** unbekannten Aufenthaltes ist (ON 76). Die Nichtaufnahme eines Beweises, weil das Beweismittel - wie vorliegend - für das Gericht unerreichbar ist, kann diesem aber unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs 1 Z 4 StPO nicht zum Vorwurf gemacht werden (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 4 E 104 mit Judikaturhinweisen). Sonach wurde der Beschwerdeführer auch durch die Abweisung dieses Antrages in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.

Die - nach der Diktion der Beschwerdeausführungen (405 Punkt A.II.: "... die von mir angebahnten Geschäfte ...") ersichtlich gegen alle Schuldspruchsfakten gerichtete - Rechtsrüge (Z 9 lit a) entbehrt zur Gänze einer gesetzmäßigen Darstellung. Behauptet sie doch - unter Zugrundelegung der vom Schöffengericht ausdrücklich mit mängelfreier Begründung als unglaubwürdig abgelehnten (den Täuschungs- und Schädigungsvorsatz gegenüber seinen Vertragspartnern weitgehend in Abrede stellenden) Verantwortung des Angeklagten (US 8 ff) urteilsfremd, es fehle an dem vom Erstgericht (wenn auch nur in Form des dolus eventualis) angenommenen "Vorsatz", wohingegen im angefochtenen Urteil unmißverständlich konstatiert wird, der Angeklagte habe alle inkriminierten Betrugstaten mit "bedingtem Vorsatz" verübt (US 11 f). Die erfolgreiche Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert jedoch unabdingbar das Festhalten am gesamten Tatsachensubstrat und den Vergleich des darauf angewendeten Gesetzes. Diesem Gebot wird die Rechtsrüge nicht gerecht.

Aus den dargelegten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten (§§ 285 i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Stichworte