OGH 6Ob508/95(6Ob509/95)

OGH6Ob508/95(6Ob509/95)1.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof.Dipl.Ing.Dr.Herbert Z*****, vertreten durch Dr.Norbert Kohler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Republik Österreich - Österreichische Bundesbahnen (Republik Österreich), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17 - 18, wegen S 6,426.169,55 s.A., infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungs- und Rekursgerichtes vom 17.November 1994, AZ 17 R 227/94, 228/94 (ON 12), womit der Beschluß und das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 12.August 1994, GZ 16 Cg 369/93i-8, aufgehoben wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte mit der am 29.9.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage von der beklagten Partei "Republik Österreich - Österreichische Bundesbahnen" die Zahlung von S 6,426.169,55 als aushaftenden Werklohn.

Die beklagte Republik wandte ein, seit 1.1.1993 seien die Österreichischen Bundesbahnen gemäß § 1 Abs 1 BundesbahnG eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und nicht mehr Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes, es fehle daher an der passiven Klagslegitimation. Allfällige Ansprüche seien überdies verjährt.

Einen noch im November 1993 überreichten Schriftsatz und die -

vorsichtshalber, ohne Zustellung der Klage und Aufforderung zur

Klagebeantwortung - erstattete Klagebeantwortung der

"Österreichischen Bundesbahnen", die auf ihre seit 1.1.1993 bestehende eigene Rechtspersönlichkeit und darauf hinwiesen, mit dem Kläger kein Vertragsverhältnis zu haben, wies das Erstgericht zurück.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 1.Juni 1994 brachte der Kläger daraufhin ergänzend vor, § 17 BundesbahnG, in welchem eine Gesamtrechtsnachfolge der neuen Gesellschaft statuiert werde, sei erst am 1.1.1994 in Kraft getreten, die Republik zum Zeitpunkt der Klagseinbringung daher passivlegitimiert gewesen. Die im Gesetz normierte Gesamtrechtsnachfolge bedinge allenfalls einen Parteienwechsel. Falls ein solcher nicht von Amts wegen vorzunehmen sei, werde der Antrag gestellt, den Parteienwechsel auf die Gesellschaft "Österreichische Bundesbahnen" vorzunehmen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag und die Klage gegen die Republik ab.

Es führte aus, gemäß § 1 Abs 1 des BundesbahnG sei der als Zweig

der Betriebsverwaltung des Bundes gebildete Wirtschaftskörper

"Österreichische Bundesbahnen" eine Gesellschaft mit eigener

Rechtspersönlichkeit. Diese Bestimmung sei nach § 25 Abs 1 leg.

cit. am 1.1.1993, somit vor Klagseinbringung in Kraft getreten. Der

beklagten Republik fehle daher die Passivlegitimation. Daran ändere

auch nichts, daß § 17 BundesbahnG, welcher die Vermögensübertragung

auf die neue Gesellschaft regle, erst am 1.1.1994 in Kraft getreten

sei. Entscheidend für die Legitimation sei das Datum der Entstehung

der Rechtspersönlichkeit der neuen Gesellschaft. Darauf, ob diese zu

jenem Zeitpunkt auch Vermögen gehabt habe, komme es nicht an, die

Österreichischen Bundesbahnen hätten ab 1.1.1993 selbst Vermögen

bilden können. § 17 BundesbahnG stelle ausdrücklich auf das

"bisher im Eigentum des Bundes gestandene, den Wirtschaftskörper

"Österreichische Bundesbahnen" gewidmete Vermögen" ab. Eine

Richtigstellung der Parteibezeichnung nach § 235 Abs 5 ZPO komme

nicht in Betracht, weil diese ausgeschlossen sei, wenn der Kläger ein anderes Rechtssubjekt geklagt habe, als er wollte. Ein Parteiwechsel um den es hier gehe sei aber grundsätzlich unzulässig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den Beschluß

auf und trug dem Erstgericht ein Vorgehen nach § 155 ZPO auf. Als

Berufungsgericht gab es der Berufung Folge und verwies die

Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das

Erstgericht zurück. Auszugehen sei davon, daß § 17 BundesbahnG eine

Gesamtrechtsnachfolge normiere, die nach dessen § 25 mit 1.1.1994

in Kraft getreten sei. Daß die Österreichischen Bundesbahnen seit

1.1.1993 bereits eigene Rechtspersönlichkeit aufgewiesen hätten, sei

unbeachtlich, weil die Werklohnforderung, die der Kläger gegen die

Republik Österreich - Österreichische Bundesbahnen geltend mache

und auch die vom Kläger erbrachten Leistungen unbestritten auf eine

Zeit zurückgingen, da eine Gesellschaft mit eigener

Rechtspersönlichkeit noch nicht existent gewesen sei. Es komme daher

auf die in § 17 BundesbahnG angeordnete Gesamtrechtsnachfolge der

Verbindlichkeiten an, die erst nach Klagseinbringung eingetreten sei.

Diese "partielle Gesamtrechtsnachfolge" während des Prozesses führe

zu einem Parteiwechsel ex lege. Es sei daher analog § 157 ZPO zu

entscheiden und davon auszugehen, daß die Österreichischen

Bundesbahnen zufolge Gesamtrechtsnachfolge Partei dieses Verfahrens

seien. Selbst für den Fall einer Klagseinbringung erst nach bereits

erfolgter Universalsukzession bestünde die Möglichkeit, eine

Richtigstellung der Parteibezeichnung nach § 235 Abs 5 ZPO

vorzunehmen, weil jeden Zweifel ausschließend die Österreichischen

Bundesbahnen vom Kläger in Anspruch genommen werden wollten

(sollten). Das Erstgericht werde daher nach § 155 Abs 4 ZPO

analog § 157 ZPO vorzugehen haben. Aus denselben Erwägungen sei

auch das klagsabweisende Urteil aufzuheben.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Frage der Gesamtrechtsnachfolge der Österreichischen Bundesbahnen, soweit überblickbar, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege und der Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 27.10.1993, 6 Ob

627/93 (JBl 1994, 626 = RdW 1994, 145 = ecolex 1994, 94) zur

Frage der Auswirkungen einer "partiellen Gesamtrechtsnachfolge" im

Sinne der §§ 61 a, 61 b VAG und anderer neuerer Gesetze auf die

Parteifähigkeit im Zivilprozeß Stellung genommen: Bleibt ein

Rechtssubjekt bestehen, von dem ein Teil seines Vermögens nach

Eintritt der Streitanhängigkeit kraft gesetzlicher Anordnung im Wege

der Gesamtrechtsnachfolge auf ein anderes Rechtssubjekt übergeht, so

müßte eine Lösung, daß zwar die Sachlegitimation auf den

Rechtsnachfolger übergehe, der Rechtsvorgänger aber Partei des

anhängigen Verfahrens bliebe, dazu führen, daß die übertragende

Partei in Aktivprozessen der Einrede der mangelnden Aktivlegitimation

ausgesetzt wäre, während sie in Passivprozessen (wie im vorliegenden

Fall) nur die Einrede der mangelnden Passivlegitimation erheben

müßte, um eine Klagsabweisung zu erreichen, bei einer neuerlich notwendigen Klage gegen den Gesamtrechtsnachfolger die Forderung in vielen Fällen aber schon verjährt wäre.

Der erkennende Senat hat daher die auch von Rechberger-Oberhammer:

Gesamtrechtsnachfolge während des Zivilprozesses in ecolex 1993,

513 vertretene Ansicht geteilt, daß zwar nach dem herrschenden

formellen Parteibegriff im streitigen Verfahren Parteien des

Zivilprozesses jene Personen seien sollen, die entweder einen

Rechtsschutzantrag stellen (Kläger) oder in diesem Antrag als Gegner

bezeichnet werden (Beklagter) und nicht etwa die tatsächlichen

Prätendenten des streitigen Rechtsstreites, diese Frage aber vom

Einfluß einer Gesamtrechtsnachfolge auf den anhängigen Zivilprozeß zu

trennen ist. Die Rechtsprechung hat schon bisher über den in § 155

ZPO hinaus geregelten Fall des Todes einer Partei, unter welchem wohl

nur eine natürliche Person zu verstehen ist, ausgesprochen, daß §

155 Abs 1 ZPO auch für den Fall des Unterganges einer juristischen

Person gilt und eine Änderung der Parteibezeichnung nur dann

ausgeschlossen ist, wenn im Berichtigungsweg (§ 235 ZPO) ein

bestehendes Rechtssubjekt gegen ein anderes bestehendes, nicht

geklagtes Rechtssubjekt ausgetauscht werden soll, dies aber bei einer

Gesamtrechtsnachfolge nicht zutrifft (1 Ob 750/79; GesRZ 1981, 178

ua). Daß der Gesamtrechtsnachfolger einer juristischen Person Partei

aller jener Verfahren wird, deren Partei sein Rechtsvorgänger war und

daß er von der Rechtskraft aller für oder gegen seinen

Rechtsvorgänger ergangenen Entscheidungen erfaßt wird, folgt somit

aus der Natur der Gesamtrechtsnachfolge und ist kein Problem der

bloßen Sachlegitimation. Dies gilt gleichermaßen für alle Fälle einer

durch Gesetz normierten nur partiellen Gesamtrechtsnachfolge, die in

den letzten Jahren immer häufiger vorkommt (vgl § 61 a VAG, § 8 a

KWG, § 1 Abs 2 Z 2 SpaltG). Ebenso wie in diesen Bestimmungen

normiert § 17 Abs 1 BundesbahnG, daß das bisher im Eigentum des

Bundes gestandene, den Betriebskörper "Österreichische Bundesbahnen"

gewidmete Vermögen einschließlich der Forderungen und

Verbindlichkeiten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in das Eigentum

der Gesellschaft "Österreichische Bundesbahnen" übergeht. Der

Gesamtrechtsnachfolge unterliegt aber auch eine Verfahrensstellung in

einem anhängigen Senatsverfahren.

Die Republik ist daher hinsichtlich des gesamten in die Gesellschaft

Österreichische Bundesbahnen eingebrachten Vermögens mit dem Tag des

Inkrafttretens der Gesamtrechtsnachfolge, somit am 1.1.1994 (§ 25

Abs 1 BundesbahnG) aus dem bis dahin bestandenen

Prozeßrechtsverhältnis ausgeschieden. Die Aufträge des Berufungsgerichtes an das Erstgericht sowie die Aufhebung von dessen Urteil erfolgten daher zu Recht.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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