OGH 13Os51/95

OGH13Os51/9531.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Svatek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zvonimir S***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Zvonimir S***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Steyr vom 9.Februar 1995, GZ 12 Vr 416/94-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generanwalt Dr.Presslauer und der Verteidigerin Dr.Mühl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Zvonimir S***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Zvonimir S***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (1.) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffenG (2.) schuldig erkannt, weil er am 21.Oktober 1994 in A***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigten des *****Marktes A***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe die Tageslosung von ca 75.000 S abzunötigen versuchte, indem er sich kurz vor Geschäftsschluß in einem Lagerraum des Marktes versteckte, um dort die Kassenabrechnung abzuwarten, sich mit einer Wollhaube und einem Strumpf maskierte, Gummihandschuhe überzog sowie einen geladenen Gasrevolver und einen geladenen aufgebohrten Gasrevolver bereithielt, wobei die Tatverübung unterblieb, weil die Angestellten mit dem Bargeld das Geschäftslokal durch einen Hintereingang verließen (1.), sowie

mindestens vom August 1989 bis 21.Oktober 1994 in A*****, S***** und anderen Orten im Bundesgebiet eine Faustfeuerwaffe, nämlich einen auf Kaliber 6,35 mm aufgebohrten Gasrevolver unbefugt besessen und geführt hat (2.).

Der Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschworenen, welche die Hauptfrage 1 nach versuchtem schwerem Raub (§§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) mit einer Beschränkung gemäß § 330 Abs 2 StPO mehrheitlich (im Stimmenverhältnis von 7 : 1) sowie jene 2 nach dem Vergehen gemäß § 36 Abs 1 Z 1 WaffenG stimmeneinhellig bejahten. Die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1 gestellte Eventualfrage 3 nach Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§ 298 Abs 1 StGB) blieb (im Einklang mit der hiezu erteilten Rechtsbelehrung) unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch wegen versuchten schweren Raubes gerichteter Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten stützt sich auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9, 10 a, 11 und 12 StPO.

Verfehlt ist schon die unter unzutreffender verfassungsrechtlicher Problematisierung des Geschworenengerichtsverfahrens (12 Os 178/94) der Beschwerde zugrundegelegte Annahme, die im § 331 Abs 3 StPO vorgesehene kurze Niederschrift über die Erwägungen der Mehrheit der Geschworenen anläßlich der Beantwortung der Fragen müsse konkreten rechtlichen Anforderungen entsprechen und eine nachvollziehbare Begründung für den Wahrspruch sowie Stellungnahmen zu den Beweisergebnissen enthalten. Der Zweck der Niederschrift ist lediglich der, den Geschworenen ihre Bindung an das Gesetz während des Abstimmungsvorganges nachhaltig zum Bewußtsein zu bringen und eigenen Strafwürdigkeitsvorstellungen nicht nachzugeben. Demgemäß dient die Niederschrift der Kontrolle, ob die Geschworenen die Fragestellung sowie Inhalt und Umfang ihrer Antwortpflichten nicht offenbar mißverstanden haben. Sie ist aber weder die Antwort auf gestellte Fragen noch sonst ein Bestandteil des Wahrspruches (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 331 E 11 und 12; Lohsing-Serini, 443). Die Niederschrift soll weder eine Ergänzung noch eine aus den Verfahrensergebnissen abgeleitete Begründung des Wahrspruches sein. Im Urteil hat sogar jegliche Bezugnahme auf die Niederschrift zu unterbleiben (§ 342 letzter Satz StPO). Folgerichtig ist im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile der Geschworenengerichte für die Überprüfung einer Tatsachenrüge nicht von den darin enthaltenen Erwägungen der Geschworenen auszugehen, sondern von der für den Obersten Gerichtshof aus der gesamten Aktenlage ersichtlichen Beweissituation (15 Os 141/88 uva).

Dies schließt nicht aus, daß im Einzelfall ein Vergleich des vom Akteninhalt vermittelten Eindrucks mit den niederschriftlichen Erwägungen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit von im Wahrspruch festgestellten Tatsachen bewirken oder unterstreichen kann (EvBl 1992/170 = JBl 1992, 732) oder diese (wie jeder andere Aktenbestandteil) bei Interpretation der Wortbedeutung des Wahrspruches (JBl 1987, 191) und beim Erkennen eines zum Moniturverfahren gemäß § 332 Abs 4 StPO führenden Widerspruches oder eines gemäß § 334 Abs 1 StPO zur Aussetzung der Entscheidung führenden Irrtums (SSt 26/8) hilfreich zu sein. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß die Judikatur deswegen eine Verpflichtung der Geschworenen zur argumentativen Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Beweisführung annimmt oder sogar für diesbezügliche Unterlassungen die Wirksamkeit von Nichtigkeitssanktionen bejaht. Entgegen der Beschwerde geht die ständige Rechtsprechung vielmehr davon aus, daß mit dem Verlangen nach einer ausreichenden Begründung des Wahrspruches in der gemäß § 331 Abs 3 StPO verfaßten Niederschrift kein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht und kein tauglicher Beschwerdegegenstand bezeichnet wird (Mayerhofer-Rieder, aaO, E 10 und 14).

Auch die weiteren Beschwerdeeinwände versagen.

Der Rüge des Frageschemas (Z 6) zuwider wäre die Annahme einer straflosen Vorbereitungshandlung keine Tatsache, welche die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würde. Eine Zusatzfrage gemäß § 313 StPO kommt deshalb von vornherein nicht in Betracht. Kommen die Geschworenen zur Überzeugung, die Strafbarkeit eines Verhaltens sei noch nicht eingetreten, ist vielmehr die entsprechende Schuldfrage (nach Tatversuch) zu verneinen.

Die Instruktionsrüge (Z 8) releviert, die Laienrichter wären über die bedeutungsvolle Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitungshandlung und Eintritt des Versuchsstadiums nicht aufgeklärt worden. Sie setzt sich damit jedoch in prozeßordnungswidriger Weise über den diesbezüglichen Inhalt der Rechtsbelehrung (S 9 ff und 27 ff) hinweg und ist daher mangels Anknüpfung an den Akteninhalt einer sachbezogenen Erledigung nicht zugänglich.

Die von der Beschwerde behauptete Undeutlichkeit und Unvollständigkeit des Wahrspruchs (Z 9) liegt ebensowenig vor. In der eingeschränkten Bejahung der Hauptfrage 1 kommt unzweifelhaft zum Ausdruck, welches Verhalten die Geschworenen im einzelnen als erwiesen angenommen haben. Daß der Beschwerdeführer eine Begründung für die Beantwortung vermißt, stellt keine Undeutlichkeit dar. Auch aus der unterbliebenen Beantwortung der Eventualfrage 3 (Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung) kann eine Unvollständigkeit des Wahrspruches nicht abgeleitet werden, weil die Geschworenen insoweit instruktionskonform (zufolge Bejahung der Hauptfrage 1) handelten und in diesem Punkt keineswegs "zu Unrecht" eine Antwort entfallen ließen, wie die Beschwerde behauptet.

Zur Tatsachenrüge (Z 10 a) genügt der Hinweis, daß nach gewissenhafter Prüfung aller auf sachverhaltsmäßige Grundlage beziehbarer Beschwerdeargumente unter Berücksichtigung der gesamten Aktenlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen bestehen. Zu der als Basis für eine solche Überprüfung untauglichen Niederschrift der Geschworenen, welche die Beschwerde zur Grundlage ihrer (unberechtigten) Kritik macht, sei lediglich bemerkt, daß bei richtigem sachlichem Verständnis darin ohnehin (in der gebotenen Kürze) eine Erfassung der zentralen Problemstellungen bezüglich der inneren Tatseite sowie des Versuchsstadiums durch die Geschworenen zum Ausdruck kommt und daraus weder ein Widerspruch zum Wahrspruch noch eine ungesetzliche Erwägung ableitbar ist.

Die Beschwerdeausführungen zu den Rechtsrügen (Z 11 und 12) behandeln nicht die rechtliche Beurteilung der im Wahrspruch festgestellten Tatsachen, sondern bringen lediglich Einwände vor, daß weder die Hauptverhandlungsergebnisse noch Erwägungen und Konstatierungen der Geschworenen in der Niederschrift ein geeignetes Sachverhaltssubstrat für die Annahme eines Raubversuches geboten hätten. Der Prozeßordnung entsprechende Rechtsrügen liegen somit nicht vor, weil der gebotene Vergleich des Wahrspruchs mit dem darauf angewendeten Gesetz verfehlt wird (Mayerhofer-Rieder, aaO, § 345 E 2).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten (unter Anrechnung der Vorhaft) nach §§ 28, 41, 143 StGB zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Dabei wertete es als erschwerend das Begehen von zwei strafbaren Handlungen, als mildernd jedoch den bisher untadeligen Lebenswandel des Angeklagten, daß es (beim Raub) beim Versuch geblieben war sowie das Geständnis zum Vergehen nach dem Waffengesetz. Die dagegen erhobene Berufung strebt Strafherabsetzung und Anwendung des § 43 a Abs 3 StGB an. Inhaltlich zielen deren Ausführungen auf eine stärkere Berücksichtigung des Umstandes ab, daß die Tat beim Versuch geblieben ist. Angesichts der gesetzlichen Strafdrohung wurde dieser vom Erstgericht ausdrücklich herangezogene Milderungsgrund jedoch ausreichend berücksichtigt. Auch den im Rahmen der Erwägungen zu den allgemeinen Strafbemessungsgrundsätzen nach § 32 StGB vom Geschworenengericht zu Recht angestellten Präventionsüberlegungen (Leukauf-Steininger, Komm3, § 32 RN 9, sh auch zuletzt ÖJZ-LSK 1995/107) vermag die Berufung in Wahrheit nichts entgegenzusetzen. Eine Strafherabsetzung kann daher nicht in Frage kommen, weshalb sich auch ein Eingehen auf das Berufungsbegehren im Sinne des § 43 a StGB erübrigt.

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