OGH 13Os35/95

OGH13Os35/9531.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Svatek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael H* wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Michael H* sowie die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil und den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.Dezember 1994, GZ 5 d Vr 4620/93‑42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0130OS00035.9500000.0531.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Michael H* wurde des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er ab Sommer 1992 bis 9.Februar 1993 in Wien wiederholt den am 8.Jänner 1980 geborenen, sohin unmündigen Rene R* durch wechselseitigen Mundverkehr auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbrauchte.

Rechtliche Beurteilung

Seine dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5 a StPO (undifferenziert) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Zu Unrecht moniert die Mängelrüge (Z 5), daß der Schöffensenat sich mit den Aussagen des Zeugen Rene R* am 10.Februar 1993 vor der Polizei (49 ff) und am 20.April 1993 vor dem Untersuchungsrichter (63 ff), nicht auseinandergesetzt habe. Denn der geltend gemachte formelle Begründungsmangel liegt nur dann vor, wenn das Gericht bei der Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den Aussagen der vernommenen Personen nicht würdigt oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise nicht für stichhältig erachtet (Foregger‑Kodek, StPO6 § 281 Abs 1 Z 5 Anm V samt Judikaturhinweisen).

Den von der Rüge genannten Aussageteilen kommt jedoch keine solche Bedeutung zu, daß die Tatrichter bei der gesetzlich aufgetragenen gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zur besonderen Erörterung verpflichtet gewesen wären:

Die erwähnte Aussage vor der Polizei steht zu den im Urteil festgestellten Handlungen nicht im Widerspruch. Aus den Angaben des Zeugen kommt ‑ im Zusammenhang gesehen ‑ nur zum Ausdruck, daß dieser sich damals nachhaltig weigerte, nähere Angaben über seine Beziehung zum Angeklagten zu machen, sodaß schließlich die fragende Polizeibeamtin im Anschluß an die Vernehmung (51) resignierend festhielt, daß sie trotz eindringlichster Befragung nicht eruieren konnte, "ob an R*" eine strafbare Handlung begangen wurde (ergänze:) oder nicht.

Ferner fehlt auch der (ersten) Aussage des Zeugen vor dem Untersuchungsrichter am 20.April 1993, in der er - anders als bei der folgenden am 16.Juni 1993 (S 65 a f) und drei Tage vorher beim Sachverständigen (ON 20/S 201 f) ‑ nähere Angaben zu seinem "guten Freund Michael H*" ausdrücklich verweigerte (64), die für ihre Erörterungsbedürftigkeit notwendige Bedeutung im obigen Sinne.

Dies gilt schließlich auch zur Kritik der Beschwerde an der unterbliebenen Auseinandersetzung mit dem Aktenvermerk vom 20.April 1993 (65) und der Aussage seiner Mutter Maria R*, wonach er ihr über Sexualkontakte nichts erzählt habe. Aus all diesen Verfahrensergebnissen können gegen die festgestellten Tatsachen "vorgebrachte Einwendungen" (s. § 270 Abs 1 Z 5 StPO) nicht abgeleitet werden.

Eine Auseinandersetzung des Erstgerichtes mit dem Gutachten, wonach dem Zeugen (zu ergänzen: bei allerdings gegebener hinreichender sozialer Antizipationsleistung) die moralische Urteilsfähigkeit fehle (143), war mangels entsprechender Relevanz für die Frage der (generellen) Glaubwürdigkeit seiner den Angeklagten belastenden Angaben ebenfalls unerheblich, wozu noch kommt, daß sich das Erstgericht den diesbezüglichen Erörterungen des Sachverständigen ausdrücklich anschloß und damit hinreichend deutlich zum Ausdruck brachte, daß es diese Äußerung des Sachverständigen in seine Überlegungen einbezogen hatte.

Das Erstgericht stützte sich nach den Urteilsgründen insbesondere auf die eindeutig den Angeklagten belastende Zeugenaussage Rene R*s vor dem Untersuchungsrichter vom 16.Juni 1993 (65 a ff) in Verbindung mit den Ausführungen des Sachverständigen über die vom Zeugen ihm gegenüber über die Vorfälle gemachten Angaben und über die Wahrnehmungs‑ und Wiedergabefähigkeit des Zeugen (US 5 f). Dabei lassen die Urteilsausführungen ‑ der Beschwerde zuwider ‑ mit dem Hinweis auf die glaubwürdigen "ursprünglichen" (gegenüber den später in der Hauptverhandlung geänderten) Angaben des Zeugen, auf die sich das Gericht stützte, keine Zweifel daran, daß damit die belastenden vom 16.Juni 1993 gemeint waren.

Das angefochtene Urteil genügt in der Feststellung wiederholten wechselseitigen Mundverkehrs in der Zeit ab Sommer 1992 bis zum 9.Februar 1993 samt den dargelegten Urteilsgründen sowohl den gesetzlichen Individualisierungs‑ (§§ 260281 Abs 1 Z 3 StPO) als auch Konkretisierungsanforderungen, sodaß die Beschwerde auch mit ihrem Vorwurf unterbliebener näherer Eingrenzung der Tatzeit versagt.

Mit seinen weiteren Ausführungen, die weitgehend die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpfen, vermag der Beschwerdeführer insgesamt auch keine Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidungswesentlichen Tatsachen zu erwecken, geschweige denn solche erheblicher Art (Z 5 a). Das gilt im besonderen auch für den Beschwerdehinweis, Rene R* habe die genaue Zahl der sexuellen Kontakte nicht angeben können, während der Zeit, in der er ‑ von zu Hause abgängig ‑ beim Angeklagten zugegebenermaßen wiederholt genächtigt hatte.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO).

Über die vom Angeklagten erhobene Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß nach § 494 a Abs 1 Z 2 StPO wird das Oberlandesgericht Wien zu befinden haben (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

 

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