OGH 2Ob546/95

OGH2Ob546/9524.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Roswitha N*****, und 2. Berthold V*****, beide vertreten durch Dr.Hans-Peter Benischke und Dr.Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Jörg Z*****, vertreten durch Dr.Willibald Rath und Dr.Manfred Rath, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 54.159,33, sA und Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 25.Jänner 1995, GZ 3 R 297/94-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Oktober 1994, GZ 5 C 139/94y-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 5.358,14 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 893,02 USt, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft mit dem Haus *****, K*****gasse 12. Der Beklagte ist infolge Eintritts in die Mietrechte seiner am 4.4.1991 verstorbenen Großmutter Maria P*****, Mieter einer im dritten Stock dieses Hauses gelegenen Wohnung.

Ab dem Zeitpunkt des Eintritts in die Mietrechte bezahlte der Beklagte monatlich S 1.105,-- Miete (einschließlich Betriebskosten).

Mit der vorliegenden, am 24.3.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehren die Kläger vom Beklagten die Bezahlung des für diese Wohnung gemäß § 46 Abs 2 MRG zulässigen Mietzinses ab Mai 1991 im Gesamtbetrag von S 54.259,33 und, gestützt auf § 1118 ABGB, die Räumung des Bestandgegenstandes.

Der Beklagte wendete ein, es sei im Verfahren zu 7 C 434/91 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz festgestellt worden, der von ihm zu bezahlende Mietzins betrage S 1.105,-- (Hauptmietzins S 35,50 zuzüglich Betriebskosten von S 1.069,50). Erst mit Schreiben vom 9.12.1993 sei er aufgefordert worden, einen erhöhten Mietzins von S 2.619,-- zu bezahlen, ohne daß in diesem Schreiben eine Erklärung gemäß § 46 Abs 2 MRG abgegeben worden sei. Eine rückwirkende Hauptmietzinserhöhung gemäß § 46 Abs 2 MRG sei nicht zulässig. Die Kläger hätten auch konkludent auf ihr Recht auf Erhöhung des Mietzinses verzichtet.

Das Erstgericht verpflichtete mit Teilurteil den Beklagten zur Zahlung des Betrages von S 54.159,33 samt Zinsen.

Über den eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus ging es dabei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

1977 vereinbarte die Großmutter des Beklagten mit den Klägern die Bezahlung eines monatlichen Friedenskronenmietzinsen von S 35,50 zuzüglich der anteiligen Betriebskosten. Nach dem Tode der Großmutter des Beklagten am 4.4.1991 brachten die Kläger am 11.7.1991 zu 7 C 434/91 gegen den Beklagten eine Räumungsklage mit der Begründung ein, es habe mit Maria P***** kein Mietverhältnis bestanden. Diese Klage wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 19.6.1992 abgewiesen, weil zwischen Maria P***** und den Klägern ein Mietverhältnis bestand. Das Urteil wurde vom Berufungsgericht aufgehoben, am 18.6.1993 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens.

Am 9.12.1993 übermittelte die Hausverwaltung der Kläger dem Beklagten eine Mietzinsvorschreibung ab Jänner 1994 in der Höhe von S 2.619,-- wobei von einem Kategoriemietzins von S 1.224,-- ausgegangen wurde. Mit Schreiben vom 16.2.1994 wurde der Beklagte zur Zahlung des erhöhten Mietzinses gemäß § 46 Abs 2 MRG aufgefordert.

Die Betriebskosten für das Objekt betrugen für die Zeit von Mai bis einschließlich September (richtig offenbar Dezember) 1991 S 8.187,52 brutto, 1992 betrugen die anteiligen Betriebskosten für die Wohnung des Beklagten S 11.958,61 und 1993 S 13.751,36. Die Betriebskostenabrechnungen für 1991 und 1992 wurden an "Frau Maria P***** (Verlaß)" gerichtet, die Betriebskostenabrechnung für 1993 wurde dem Beklagten übermittelt.

Ungeachtet der Aufforderungen der Hausverwaltung bezahlte der Beklagte monatlich S 1.105,--, wobei in diesem Betrag S 35,50 zuzüglich Umsatzsteuer an Mietzins enthalten sind.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß der Vermieter vom Eintretenden ab dem auf den Eintritt folgenden Zinstermin die Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses bis zum jeweiligen Kategoriemietzins begehren könne. Dieser erhöhte Hauptmietzins könne innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist auch rückwirkend geltend gemacht werden, sofern nicht aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles ein konkludenter Verzicht anzunehmen sei. Die Voraussetzungen eines konkludenten Verzichtes seien im vorliegenden Fall aber nicht gegeben, weil die Kläger zunächst auf den Standpunkt gestanden seien, daß die Großmutter des Beklagten nicht Mieterin gewesen sei. Erst durch Zustellung der Berufungsentscheidung sei den Klägern klar geworden, daß es sich bei dem Verhältnis zwischen ihnen und Maria P***** um ein Mietverhältnis gehandelt habe.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision nicht für zulässig.

Das Berufungsgericht schloß sich der Ansicht des Erstgerichtes, das Begehren auf Zahlung des erhöhten Hauptmietzinses gemäß § 46 Abs 2 MRG könne innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB rückwirkend geltend gemacht werden, soferne nicht aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ein konkludenter Verzicht anzunehmen wäre, an. So wie das Erstgericht verneinte das Berufungsgericht das Vorliegen eines konkludenten Verzichtes.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die Kläger haben in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Die Revision des Beklagten ist zulässig, weil zur Frage, ob eine Mietzinserhöhung nach § 46 Abs 2 MRG auch rückwirkend möglich ist, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt, sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte macht in seinem Rechtsmittel geltend, den Klägern sei ab 4.4.1991 bekannt gewesen, daß er in das Mietrecht seiner Großmutter eingetreten sei, sie hätten daher ab diesem Zeitpunkt eine Erklärung gemäß § 46 Abs 2 MRG abgeben können. Sie hätten aber am 11.7.1991 die Räumungsklage eingebracht, spätestens ab dem 24.2.1993, dem Zeitpunkt der Zustellung des Ersturteiles, sei ihnen klar gewesen, daß der Beklagte in das Mietrecht seiner Großmutter eingetreten sei. Die Kläger hätten aber erst am 16.2.1994 eine Erhöhung des Hauptmietzinses verlangt, bis zu diesem Zeitpunkt habe der Beklagte regelmäßig Miete und Betriebskosten bezahlt. Über drei Jahre habe der Beklagte den ihm angemessenen und vereinbarten Mietzins bezahlt und hätten es die klagenden Parteien über den gleichen Zeitraum unterlassen, eine Zinsanhebung auf den Kategoriemietzins zu verlangen, sodaß davon ausgegangen werden könne, daß die Kläger auf eine Mietzinserhöhung verzichtet hätten.

Die nunmehr rückwirkend geltend gemachte Forderung sei auch sittenwidrig, weil es unzulässig sei, einem Vermieter zu gestatten, zu welchem Zeitpunkt auch immer, eine Mietzinserhöhung gemäß § 46 Abs 2 MRG durchzuführen und dadurch den Mieter vehement in seiner Existenz zu gefährden.

Die Absicht des Gesetzgebers bei der Schaffung des MRG sei jene gewesen, den sozial schwächeren Mieter nicht der Gefahr von Willkürhandlungen des sozial stärkeren Vermieters auszusetzen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Im gegenständlichen Fall liegt der maßgebliche Zeitpunkt für die Anhebung des Mietzinses vor dem 1.3.1994, es gilt daher das MRG in der vor dem 3. WÄG geltenden Fassung (Würth/Zingher, WohnR 94, Anm 1 zu § 46 MRG). Gemäß § 46 Abs 2 MRG darf der Vermieter vom in das Hauptmietrecht Eintretenden, sofern er nicht dem Personenkreis des § 46 Abs 1 MRG angehört, ab dem auf den Eintritt folgenden Zinstermin eine Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem Betrag begehren, der sich für die Wohnung bei Zugrundelegung des § 16 Abs 2 bis 4 und der Ausstattungskategorie im Zeitpunkt des seinerzeitigen Vertragsabschlusses oder einer späteren, vom Vermieter finanzierten Standardverbesserung errechnet. Die Anhebung erfolgt durch formungebundene empfangsbedürftige Erklärung des Vermieters gegenüber dem Eintretenden (Würth in Rummel2, Rz 2 zu § 46 MRG). Durch § 46 Abs 2 MRG wurde dem Vermieter ein den Mietvertrag veränderndes Gestaltungsrecht eingeräumt, das ihm eine Anpassung der Höhe des Hauptmietzinses an die für Neuvereinbarungen festgelegten Höchstsätze ermöglicht. Der Vermieter soll im Fall des Eintritts nicht begünstigter Angehöriger in einen bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung so gestellt werden, wie er stünde, wenn er mangels eines solchen Eintrittes über die frei gewordene Wohnung einen neuen Hauptmietvertrag abgeschlossen hätte (MietSlg 40.606). Das Ziel der Regelung des § 46 Abs 2 MRG ist die allmähliche Angleichung der niedrigen Zinse an das Niveau der Kategoriezinse nach § 16 Abs 2 MRG (Derbolav, MRG, Anm 3 zu § 46). Anders als in den §§ 12 Abs 3, 16 Abs 6 und 45 Abs 2 MRG (jeweils idF vor dem 3. WÄG) ist in § 46 Abs 2 MRG keine Frist zur Geltendmachung des Erhöhungsbegehrens normiert; eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen würde eine Gesetzeslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit voraussetzen (Bydlinski in Rummel2, Rz 2 zu § 7 mwN). Eine solche liegt aber nicht vor. Es kann dem Gesetzgeber des MRG nicht unterstellt werden, daß er dieses Problem nicht gesehen hätte; vielmehr kann durch die Möglichkeit der rückwirkenden Geltendmachung eines der Prinzipien des MRG, nämlich die Erhaltung des erhaltungswürdigen Hausbestandes und die Schaffung eines sozial gerechten Preises für alle Wohnungen realisiert werden (425 Blg NR 15. GP, 27). Es handelt sich bei dem Anspruch des Vermieters, den erhöhten Mietzins zu fordern, um einen normalen Mietzinsanspruch, der innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB sowie jede andere Hauptmietzinsforderung auch, rückwirkend geltend gemacht werden kann (Iro, Die Übertragung des Mietrechts an Wohnungen, RZ 1983, 213 [218]).

Zutreffend sind daher die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der Vermieter den erhöhten Hauptmietzins innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB auch rückwirkend geltend machen kann, sofern nicht aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ein konkludenter Verzicht im Sinne des § 863 ABGB anzunehmen ist (so auch LGZ Wien, MietSlg 38.599).

Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch, wie die Vorinstanzen bereits ausgeführt haben, ein stillschweigender Verzicht der Kläger auf die Erhöhung des Hauptmietzinses nicht vor. Für die Konkludenz, also die Schlüssigkeit eines Verhaltens ist gemäß § 863 ABGB ein strenger Maßstab anzulegen, insbesondere ist bei Annahme stillschweigenden Verzichtes besondere Vorsicht geboten (Rummel in Rummel2, Rz 14 zu § 863). Voraussetzung hiefür ist, daß besondere Umstände darauf hinweisen, daß der Verzicht ernstlich gewollt ist und der Schuldner unter Bedachtnahme auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche und unter Berücksichtigung aller Umstände den zweifelsfreien Schluß ziehen durfte und auch tatsächlich gezogen hat, daß der Berechtigte ernstlich auf einen Anspruch verzichtet (vgl Schubert in Rummel2, Rz 11 zu §§ 988, 989). So wie bei bloßer Entgegennahme der Mietzinse in der ursprünglichen Höhe ein Verzicht auf Aufwertungsbeträge nicht angenommen werden kann (JBl 1982, 426), kann auch in der Unterlassung der Geltendmachung der Erhöhung des Hauptmietzinses auf den Kategoriemietzins ein stillschweigender Verzicht nicht erblickt werden. Dazu kommt noch im vorliegenden Fall, daß die Kläger den Beklagten zunächst überhaupt nicht als Mieter anerkennen wollten, sodaß von einem schlüssigen Verzicht auf die Mietzinserhöhung keine Rede sein kann.

Es war daher der Revision des Beklagten ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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