OGH 2Ob547/95

OGH2Ob547/9524.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Günther K*****, Inhaber der Firma H*****, vertreten durch Dr.Gerhard Gratzer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei H***** GesmbH,***** vertreten durch Dr.Herbert Felsberger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert S 350.000), infolge außerordentlichen Rekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 16.März 1995, GZ 1 R 66/95-8, womit der Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 15.Februar 1995, GZ 20 C 327/95x-2, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung

Auf Antrag der gefährdeten Partei erließ das Erstgericht ohne Anhörung des Gegners eine einstweilige Verfügung, mit der der Gegnerin der gefährdeten Partei die Inanspruchnahme einer am 16.8.1994 zur Verfügung gestellten Bankgarantie und der betreffenden Bank eine Auszahlung aus dieser Garantie bei Inanspruchnahme durch die Gegnerin der gefährdeten Partei untersagt wurde.

Das Rekursgericht wies den gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei zurück, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige, erklärte den ordentlichen Rekurs an den Obersten Gerichtshof für nicht zulässig und traf gemäß § 50 Abs 2 ZPO eine Kostenentscheidung zugunsten der Rechtsmittelwerberin.

Die Zurückweisung des Rekurses begründete das Rekursgericht folgendermaßen: Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre setze jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse voraus, sei es doch nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Nach Rechtsprechung und herrschender Auffassung müsse die Beschwer sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen; falle sie nach dem Einlangen des Rechtsmittels weg, dann sei das ursprünglich zulässige Rechtsmittel zurückzuweisen. Aus der in Fotokopie vorgelegten Zahlungsgarantie sei zu entnehmen, daß die Garantie selbst bei Nichtrückgabe der Urkunde am 28.2.1995 erlösche. Die mit der gegenständlichen einstweiligen Verfügung getroffenen Anordnungen seien nunmehr nach Ablauf des 28.2.1995 obsolet, sodaß eine Entscheidung des Rekursgerichtes nur mehr von theoretischer Bedeutung wäre.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der - einseitige (RZ 1994/47) - Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß (mit Ausnahme der Kostenentscheidung) im Sinne der Abweisung des Antrages auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Rekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend wendet sich die Rechtsmittelwerberin gegen die Verneinung ihrer Beschwer:

Nach ständiger Rechtsprechung fehlt einem Rechtsmittelwerber grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse, wenn die von ihm beantragte Maßnahme wegen Zeitablaufes überholt ist. Eine solche mangelnde Beschwer kann jedoch bei der Entscheidung darüber, ob eine einstweilige Verfügung, deren Verfügungsverbot zeitlich inzwischen abgelaufen ist, berechtigter- oder unberechtigterweise erlassen worden war, im Hinblick auf die Bestimmung des § 394 EO in der Regel nicht angenommen werden (EFSlg 46.775 mwN; zuletzt WBl 1992, 195; 6 Ob 564,565/93). Wegen möglicher Ersatzansprüche nach § 394 EO ist auch im vorliegenden Fall der Rechtsmittelwerberin ein Interesse an einer meritorischen Entscheidung (und nicht nur an einer Kostenentscheidung gemäß § 50 Abs 2 ZPO) zuzubilligen, obwohl die gegenständliche Bankgarantie bereits durch Zeitablauf erloschen und das einstweilige Verbot damit überholt ist (vgl auch MietSlg 36.876).

Der angefochtene Beschluß war daher (samt Kostenentscheidung, die keinen selbständigen Bestand haben kann) aufzuheben. Das Rekursgericht wird über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund neuerlich zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Kosten des drittinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 52 ZPO, §§ 78, 402 EO.

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