OGH 14Os42/95(14Os43/95)

OGH14Os42/95(14Os43/95)16.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Mai 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Stöckelle als Schriftführerin, in der Privatanklage- und Medienrechtssache des Walter H***** und des Herbert W***** jun. gegen Mag.Roman K***** sowie die O***** GmbH & Co KG wegen § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB, §§ 6 Abs 1, 7b Abs 1 sowie 34 Abs 1 und Abs 3 MedienG, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 18.August 1994, GZ 9 E Vr 417/94-8, und des Oberlandesgerichtes Linz vom 9.Dezember 1994, AZ 11 Bs 222/94 (ON 13 des Vr-Aktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, der Privatankläger bzw Antragsteller und deren Vertreters, Dr.Wageneder, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und der Antragsgegnerin zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch die Urteile des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 18.August 1994, GZ 9 E Vr 417/94-8 und des Oberlandesgerichtes Linz vom 9. Dezember 1994, AZ 11 Bs 222/94, ist das Gesetz in den Bestimmungen des § 1 Abs 1 Z 12 sowie der §§ 6 und 7 b MedienG verletzt worden.

Text

Gründe:

In der Privatanklage- und Medienrechtssache zum AZ 9 E Vr 417/94 des Landesgerichtes Ried im Innkreis wies das Gericht Anträge des Walter H***** und des Herbert W***** jun. auf Zuerkennung von Entschädigungen nach §§ 6 und 7 b MedienG gegen den Medieninhaber (Verleger) O***** GmbH & Co KG und auf Anordnung der Urteilsveröffentlichung gemäß § 34 Abs 1 und Abs 3 MedienG gegen den genannten Medieninhaber sowie den Beschuldigten Mag.Roman K***** mit Urteil vom 18.August 1994 ab (ON 8).

Das Landesgericht ging davon aus, daß im periodischen Druckwerk "R***** Rundschau" Nr 4 vom 27.Jänner 1994 unter dem Titel "Intrigen gegen Manager: Es war wie in Dallas!" über unehrenhafte Verhaltensweisen zweier nicht namentlich genannter Männer berichtet wurde. Für einen kleineren und von vornherein abgegrenzten Personenkreis war erkennbar, daß die beiden Privatankläger und Antragsteller gemeint waren. Dieser Personenkreis setzte sich aus Bekannten der Betroffenen und Kunden eines Geschäftes für Computer-Software zusammen.

Auf dieser Sachverhaltsgrundlage entschied das Landesgericht Ried im Innkreis aus rechtlichen Überlegungen im ablehnenden Sinn, wobei es hervorhob, daß die Opfer der behaupteten üblen Nachrede jedenfalls einem größeren Personenkreis oder einer breiten Öffentlichkeit nicht erkennbar gewesen seien. Daraus leitete es wörtlich folgende Beurteilung ab: "Es liegt sohin kein Medieninhaltsdelikt nach der Begriffsbestimmung des § 1 Z 12 MedienG bzw keine (in einem Druckwerk) einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemachte üble Nachrede im Sinne des § 111 Abs 2 StGB vor. Demnach fehlt es auch an den Voraussetzungen für den Zuspruch einer Entschädigung gemäß §§ 6 bzw 7 b MedienG und auf Urteilsveröffentlichung gemäß § 34 Abs 1 und Abs 3 MedienG."

Die Privatankläger und Antragsteller bekämpften das Urteil mit Berufung, welcher das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 9. Dezember 1994, AZ 11 Bs 222/94, nicht Folge gab.

Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz und führte dazu aus,

"daß nur auf den ersten Blick und bei wörtlicher Auslegung der Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 12 MedienG ein Medieninhaltsdelikt vorliegt, weil die gegenständliche behauptete üble Nachrede zweifellos in einem Medium begangen scheint, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung besteht. Schließlich bezieht sich auch die Bestimmung des § 111 Abs 2 StGB darauf, daß die Tat unter anderem in einem Druckwerk begangen wird. Mediengerechte Auslegung dieser Bestimmungen hat dazu geführt, daß Betroffene, die weder namentlich noch durch auf sie passende Kennzeichen oder durch sonst konkretisierende Umschreibungen bezeichnet werden, nicht Objekte oder Betroffene im Sinne des Medieninhaltsdeliktes werden können. Solange etwa nur der Freundes- oder Geschäftskreis oder einzelne individuell bestimmte Personen den im Medium Behandelten erkennen können, ist er nicht als Objekt eines ehrenrührigen Angriffes in einem Medium anzusehen. Nur wenn die Erkennbarkeit des angegriffenen Objektes über diese individuell bestimmten Teile der Leserschaft hinausgehen, der Angegriffene somit vom sozial integrierten wertbewußten interessierten Durchschnittsleser erkannt werden kann, ist er als Betroffener eines Medieninhaltsdeliktes anzusehen und kann als Kläger bzw Antragsteller nach den medienrechtlichen Bestimmungen auftreten. .... Zutreffend hat der Einzelrichter daher aus diesen getroffenen Feststellungen die rechtlichen Schlüsse dahin getroffen, daß kein Medieninhaltsdelikt vorliegt."

Rechtliche Beurteilung

Die Urteile erster und zweiter Instanz stehen, wie der Generalprokurator mit seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Unter "Medieninhaltsdelikt" versteht der § 1 Abs 1 Z 12 MedienG eine durch den Inhalt eines Mediums begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung besteht. Weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Gesetzeszweck läßt sich ableiten, daß die abstrakte Umschreibung des begleitenden Publizitätseffekts der mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung als einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung auch ein konkretes Erfordernis einer bestimmten subjektiven Reaktionsmöglichkeit des größeren Personenkreises - wie etwa Erfassung der Verbotswidrigkeit oder Identifizierung eines Opfers - zum Ausdruck bringt. Aus der Sicht des Regelungsumfanges zielt die Begriffsbestimmung nicht allein auf strafbare Handlungen gegen die Ehre und vergleichbare Angriffe ab, sondern auch auf schlichte Tätigkeitsdelikte - zum Beispiel das klassische Medieninhaltsdelikt der verbotenen Veröffentlichung nach § 301 StGB - weshalb die gesetzliche Definition zweifellos keine Aussage über die Erkennbarkeit eines Angriffsobjektes enthält. Der Meinung des Oberlandesgerichtes Linz zuwider wäre das eingeschränkte Verständnis des Begriffes Medieninhaltsdelikt auch keineswegs mediengerecht, weil sich auf diese Weise Fälle ergeben würden, in denen trotz Delinquenz durch den Inhalt eines Mediums mangels Verwirklichung eines Medieninhaltsdeliktes insbesondere der aus der Wahrnehmung journalistischer Sorgfalt erwachsende Strafbefreiungsgrund (§ 29 Abs 1 MedienG) und die medienspezifische Regelung der Beschlagnahme sowie Einziehung nicht anwendbar wären.

Auf der Grundlage des Urteilssachverhaltes stellte die hier aktuelle üble Nachrede daher ein Medieninhaltsdelikt dar.

Wird in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt, so hat der Betroffene gegen den Medieninhaber (Verleger) gemäß § 6 Abs 1 MedienG Anspruch auf eine Entschädigung für die erlittene Kränkung. Der Betroffene ist jene physische Person, in deren Persönlichkeitssphäre durch das Medieninhaltsdelikt eingegriffen, deren Ehre also angegriffen wird (Hager-Walenta, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht2, S 35). Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, daß der Verletzte einer üblen Nachrede nur dann "Betroffener" ist, wenn er von einem größeren Personenkreis als Opfer identifiziert werden kann.

Auf der Basis der gerichtlichen Sachverhaltsannahmen waren die Antragsteller daher im Sinne des § 6 Abs 1 MedienG die Betroffenen einer in einem Medium begangenen üblen Nachrede.

Die Bestimmung des § 7 b MedienG über den Entschädigungsanspruch bei Verletzung der Unschuldsvermutung stellt nicht auf ein Medieninhaltsdelikt oder einen bestimmten deliktischen Inhalt eines Mediums ab, weshalb die Ablehnung dieses Anspruches durch das Erstgericht und das Berufungsgericht mit der bloßen Negierung eines Medieninhaltsdelikes in Wahrheit ohne sachbezogene Begründung geblieben ist. Das Gesetz enthält keinen Hinweis darauf, daß eine tatverdächtige Person, die in einem Medium als überführt und schuldig hingestellt oder als Täter bezeichnet wird, nur dann von dieser Äußerung "betroffen" ist, wenn sie zufolge des unmittelbaren Veröffentlichungsinhalts ein größerer Personenkreis als Objekt der publizistischen Vorverurteilung zu erkennen vermag.

Da sich die unrichtige Rechtsanwendung - mangels konkreten Eingriffs in die Rechtssphäre - weder zum Nachteil eines Beschuldigten oder Antragsgegners (§ 41 Abs 6 MedienG), noch eines Angeklagten oder Verurteilten ausgewirkt hat - weshalb auch der in der Äußerung der Antragsgegnerin aufgeworfenen Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 7 b MedienG im gegebenen Zusammenhang keine Bedeutung zukommt - muß es mit einem feststellenden Erkenntnis sein Bewenden haben.

Abschließend sei noch angemerkt, daß auch die vom Landesgericht Ried im Innkreis angestellte Überlegung zur Qualifikation der üblen Nachrede nach § 111 Abs 2 StGB unzutreffend war, weil sich bei Tatbegehung durch ein Druckwerk eine Befassung mit dem Begriff der breiten Öffentlichkeit erübrigt (SSt 60/20).

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