OGH 15Os25/95

OGH15Os25/9511.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pointner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wolfgang W* wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 11.Jänner 1995, GZ 8 Vr 651/94‑43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Weiss, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Glaser zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:E39004

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf zweieinhalb Jahre erhöht.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem ‑ auch einen unangefochten gebliebenen Schuldspruch wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (1) und des Diebstahls nach § 127 StGB (5) enthaltenden ‑ angefochtenen Urteil wurde Wolfgang W* der Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 (zu ergänzen: zweiter Fall) StGB (2) und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15105 Abs 1106 Abs 1 Z 1 StGB (3 a und c) sowie der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (3 b) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (4) schuldig erkannt.

Den bekämpften Teilen des Schuldspruches zufolge hat er in Ried im Innkreis

(zu 2) am 17.September 1994 Ingrid R* durch Einsperren in der gemeinsamen Wohnung widerrechtlich gefangen gehalten, wobei er der Genannten durch die Äußerung, sie werde die Wohnung ohnehin nicht mehr lebend verlassen, besondere Qualen bereitete;

(zu 3) nachstehende Personen durch Drohung, und zwar in den Fällen a) und c) mit dem Tod, zu Unterlassungen zu nötigen versucht, nämlich

a im Sommer 1994 Ingrid R* in wiederholten Angriffen durch die Äußerung, er bringe sie um, falls sie ihn verlasse,

b im September 1994 Margarete Ra* durch die Äußerung, er werde ihr Leute schicken, die ihr etwas antun, falls sie sich weiterhin zwischen ihn und Ingrid R* stelle, und

c am 18.September 1994 Margarete Ra* durch die Äußerung, er werde ihr die Kehle durchschneiden oder sie erschießen lassen, falls sie sich weiter in seine Beziehung mit Ingrid R* einmische;

(zu 4) am 17.September 1994 Ingrid R* durch die unter 2 genannte Äußerung mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

 

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch zu 2 bis 4 bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum Schuldspruch 2 wegen § 99 Abs 1 und Abs 2 StGB:

Angesichts der erstgerichtlichen Feststellung, wonach Ingrid R* am 17.September 1994 am Verlassen der gemeinsamen Wohnung nicht nur durch die vom Angeklagten vorgenommene Sperre der Wohnungseingangstür gehindert wurde, sondern auch durch den gleichfalls dort aufhältigen, erheblich alkoholisierten und aggressiven Angeklagten selbst, der der durch vielfache Mißhandlungen und Drohungen ‑ auch noch am 17.September 1994 (US 5) ‑ in einen Zustand permanenter Einschüchterung versetzten Ingrid R* verbot, die Wohnung zu verlassen, und der ein Zuwiderhandeln auch verhindert hätte (vgl US 5, 6, 11 und 15), haftet dem Urteil, das keine Feststellung darüber traf, ob der Angeklagte den Schlüssel der versperrten Wohnungseingangstür innen stecken gelassen hatte, jedoch mit Schwergewicht auf das Verbot (und die bei einem Zuwiderhandeln zu befürchtenden lebensbedrohenden Attacken) abstellte, den Beschwerdeausführungen zuwider ein Feststellungs- (Z 9 lit a) oder ein Begründungsmangel (Z 5) nicht an.

Gefangenhalten im Sinn des § 99 StGB bedeutet nämlich, das Opfer am Verlassen eines bestimmten abgegrenzten Raumes, etwa einer Wohnung, zu hindern, wobei das Hindernis zwar nicht unüberwindlich oder nur durch Gewalteinsatz zu beseitigen, aber doch ernstlich und gewichtig sein muß. Daher liegt auch im Regelfall ein Gefangenhalten dann nicht vor, wenn zwar zugesperrt wurde, dem Opfer aber ein zweiter Schlüssel zur Verfügung stand oder es mit dem innen steckenden Schlüssel aufsperren konnte (Leukauf/Steininger Komm3 § 99 StGB RN 5 und 5 a). Steht aber nicht nur die Sperre der Eingangstür einer (hier im zweiten Stock eines Hauses gelegenen) Wohnung, sondern auch die Anwesenheit des körperlich dem Opfer weit überlegenen (US 8) und aggressiven Täters in der Wohnung dem von diesem nicht gestatteten Verlassen der Wohnung entgegen, so ist ein derartiges (ein ernstliches und gewichtiges Gefangenhalten des Opfers in einem abgegrenzten Raum bewirkendes) Hindernis gegeben. In einem solchen Fall kommt es daher, wie vom Erstgericht zutreffend erkannt wurde, auf den Umstand, ob der Schlüssel der Eingangstür innen steckte oder das Opfer sonst Gelegenheit hatte, sich in den Besitz eines Schlüssels zu setzen, nicht mehr an.

Dem Erstgericht ist auch ‑ dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge zuwider ‑ bei seiner Feststellung, wonach vom Zeitpunkt des Absperrens der Wohnung bis zum Sprung des Tatopfers aus dem Fenster nur wenige Minuten vergangen sind (US 7), keine Aktenwidrigkeit unterlaufen. Ein entsprechender Begründungsmangel liegt nämlich nur vor, wenn der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben wird. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht seine Feststellung über die Dauer des Gefangenhaltens auf die als glaubwürdig beurteilte Zeugenaussage der Ingrid R* gestützt (US 11), die den Zeitraum zwischen ihrem Verlassen des Klosetts und ihrem Fenstersprung mit "vielleicht zwei Minuten" angegeben hat (S 291). Da nach den weiteren Angaben dieser Zeugin der Angeklagte die Wohnungseingangstür aber schon zu einem Zeitpunkt versperrte, als sie sich noch im Klosett befand, und weil die Zeugin auch selbst nur eine ungefähre Schätzung des Zeitraumes ab Verlassen des Klosetts bis zum Fenstersprung vornehmen konnte, hat das Erstgericht bei Begründung seiner gleichfalls nur unbestimmten Eingrenzung des Tatzeitraumes auf "wenige Minuten" die Zeugenaussage der Ingrid R* keineswegs unrichtig oder unvollständig wiedergegeben. Vielmehr ist die weitere Beschwerdebehauptung, wonach die Zeugin R* angegeben habe, "praktisch" unmittelbar nach dem Absperren der Wohnungstür durch den Angeklagten das WC verlassen zu haben, aus dem Akt nicht nachvollziehbar (vgl Aussage der Zeugin S 271 ff).

Wenngleich die Zeugin Ingrid R* zur Begründung ihres Fenstersprunges aus dem 2.Stock nur ihre (nicht näher beschriebene) Angst vor dem Angeklagten angegeben hat (S 277), ist die (weitergehende) Feststellung, wonach sie durch die Tathandlungen des Angeklagten in Todesangst geraten und deshalb aus dem Fenster gesprungen ist (vgl US 6 und 7), nicht aktenwidrig begründet, stützt doch das Erstgericht diese Feststellung gar nicht ausschließlich auf deren subjektive Beschreibung des Angstzustandes. Vielmehr hat es aus der Gesamtheit ihrer Angaben (insbesondere über das mehrwöchige aggressive Verhalten des Angeklagten ihr gegenüber bereits vor der Tat, über das mit Todesdrohung verbundene Absperren der Wohnung am 17.September 1994 und über ihren Fenstersprung aus dem 2.Stock des Wohnhauses) sowie auf Grundlage der Zeugenaussagen der Wohnungsnachbarn Monika K* und Klaus W* (S 193 ff) über die Hilferufe der Zeugin R* (vgl US 6, 11, 12 und 17) die angefochtene Feststellung durchaus denkmöglich abgeleitet.

Die objektive Tatbestandsmäßigkeit schließlich bestreitet der Angeklagte mit dem Hinweis auf den relativ kurzen Zeitraum von nur "wenigen Minuten", der zwischen dem Absperren der Wohnung und dem Fenstersprung der Zeugin vergangen ist (Z 9 lit a).

Dem Gefangenhalten ist begrifflich und wesensmäßig wohl ein gewisses Zeitmoment zu eigen, der Tatbestand der Freiheitsentziehung nach § 99 StGB sieht aber eine bestimmte Mindestdauer des Gefangenhaltens oder der sonstigen Freiheitsentziehung nicht vor. Ob die Dauer der Freiheitsbeschränkung den tatbestandlichen Erfordernissen entspricht, hängt vielmehr von den Umständen des konkreten Falles ab. Dabei kommt der Dauer der Freiheitsentziehung umsoweniger entscheidende Bedeutung zu, je gravierender die Umstände der Tat nach deren Art und Gewichtigkeit sind, sodaß auch eine nur kurzfristige Beschränkung der Bewegungsfreiheit (wie hier von wenigen Minuten) genügen kann (vgl Leukauf‑Steininger aaO, § 99 RN 8 und 8 a sowie Kienapfel BT3 § 99 StGB Rz 10). Dies gilt umsomehr, wenn ‑ wie diesfalls ‑ die relativ geringe Dauer der Freiheitsentziehung nur gegen den Willen des Angeklagten durch den selbstgefährdenden Sprung des Tatopfers aus einem Fenster der im zweiten Stock des Hauses gelegenen Wohnung bewirkt wurde.

Soweit der Beschwerdeführer mit der Behauptung, wonach das Erstgericht unter wenigen Minuten "offenbar nur zwei Minuten verstehe", von der Feststellung einer derart kurzen Zeitspanne der Freiheitsentziehung ausgeht, wird der materielle Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig zur Darstellung gebracht. Aus der beweiswürdigenden Erwägung des Erstgerichtes, wonach die Dauer der Freiheitsentziehung mit "nur wenigen Minuten" festzustellen war, weil die Zeugin R* den Zeitraum (zwischen dem erst nach dem Versperren der Wohnungstür erfolgten Verlassen des WC und dem Fenstersprung, vgl S 291) mit "etwa zwei Minuten" angegeben hatte, ergibt sich schon einwandfrei, daß das Erstgericht jedenfalls von einer längeren Freiheitsentziehung als von nur zwei (und einer kürzeren als zehn ‑ US 15/16) Minuten ausgegangen ist. Geriet das Opfer aber aufgrund der Freiheitsentziehung ‑ wie hier ‑ in echte Todesangst, so genügt zur Annahme der objektiven Tatbestandsmäßigkeit eben bereits die (nur kurzfristige) Beschränkung der Bewegungsfreiheit im Zeitraum von wenigen Minuten.

Mit dem neuerlichen Hinweis auf die relativ kurze Zeitspanne des Gefangenhaltens und die relative Bewegungsfreiheit der (von ihm nicht weiter bedrängten) Zeugin R* in der verschlossenen Wohnung bestreitet der Angeklagte die Rechtsrichtigkeit der erstrichterlichen Annahme, Ingrid R* durch die Freiheitsentziehung besondere Qualen (Qualifikation nach § 99 Abs 2 zweiter Fall StGB) bereitet zu haben. Auch dieser rechtliche Einwand (Z 10) versagt.

"Besondere Qualen" sind nach Lehre und Judikatur Schmerzen oder Angstzustände, die das Opfer aufgrund ihrer Intensität oder Dauer physisch und psychisch außergewöhnlich stark belasten (vgl Leukauf/Steininger aaO § 99 RN 21; Schwaighofer WK § 99 StGB Rz 43 und 44). Nicht aufgrund der (relativ kurzen) Zeitdauer der Freiheitsentziehung, wohl aber wegen der besonderen Intensität des durch sie herbeigeführten Angstzustandes (Todesangst) hat das Erstgericht diese Qualifikation zu Recht angenommen (Mayerhofer/Rieder StGB4 E 12 zu § 99). Daß sich das Tatopfer während dieser Zeit in der versperrten Wohnung relativ frei bewegen konnte, vermag an der besonderen Intensität des Angstzustandes nichts zu ändern.

Das Gesetz verlangt auch nicht, daß die besonderen Qualen ausschließlich durch die Freiheitsentziehung herbeigeführt werden, sondern setzt lediglich eine Tatbegehung "auf solche Weise" voraus, daß sie "dem Festgehaltenen besondere Qualen bereitet" (modaler Tatunwert). Wird aber ‑ wie hier ‑ das Opfer einer Freiheitsentziehung bereits Wochen vor der Tat durch wiederholte Körperverletzungen und drohende Äußerungen in panische Angst vor dem Angeklagten versetzt (US 10), es unmittelbar vor der Freiheitsentziehung erneut unter Mißhandlungen mit dem Tode bedroht und dessen Angst dann noch durch das (in bezug auf die vorangegangene Drohung, die Wohnung nicht lebend zu verlassen, folgerichtige) Versperren der Wohnung bis zur Todesangst gesteigert, so erfolgt die Tatbegehung der Freiheitsentziehung durchaus auf solche Weise, daß sie dem (hier: der) Festgehaltenen besondere Qualen bereitet.

Mit seiner Behauptung in der Subsumtionsrüge, das Motiv für den Fenstersprung der Zeugin R* sei gar nicht Todesangst, sondern ihre Verzweiflung über die Umstände der zu Ende gehenden Beziehung gewesen, entfernt sich der Angeklagte bei Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes unzulässig von den anders lautenden Feststellungen des Erstgerichtes.

Zum Schuldspruch 3 a bis c wegen wiederholten Versuches

des Verbrechens der schweren Nötigung und

des Vergehens der versuchten Nötigung:

Obwohl von der Anfechtungserklärung (S 352) auch das Schuldspruchfaktum 3 a (versuchte schwere Nötigung der Ingrid R* im Sommer 1994) umfaßt ist, finden sich hiezu keine Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde. Es mangelt somit an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung der Tatumstände, die einen Nichtigkeitsgrund bilden sollen (§ 285 a Z 2 StPO), und damit an einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung.

Zum Schuldspruch wegen versuchter (teils schwerer) Nötigung der Margarete Ra* (3 b und c) macht der Angeklagte mit der Mängelrüge (Z 5) vorerst geltend, das Erstgericht berücksichtige bei seiner Entscheidung Beweismittel, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen seien, weil es sich unter anderem auf die Zeugenaussage der Genötigten vor dem Untersuchungsrichter berufe (US 3), obgleich diese Aussage in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden sei. Damit übersieht der Beschwerdeführer, daß in der (gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten) Hauptverhandlung vom 11.Jänner 1995 (ON 42) das Protokoll der Hauptverhandlung vom 30.November 1994 (ON 37) verlesen wurde (S 297), in welcher der Zeugin Margarete Ra* wiederholt auch ihre im Vorverfahren abgelegte Zeugenaussage vorgehalten wurde (S 205, 215, 217)), sodaß diese Angaben sehr wohl im Sinn des § 258 Abs 1 erster Satz StPO in der Hauptverhandlung vorgekommen sind und daher bei der Urteilsfällung berücksichtigt werden konnten.

Wenngleich der Angeklagte die den Tathandlungen zu 3 b und c zugrunde liegenden Drohungen geleugnet hat (S 167, 169), ist die Begründung des Urteils, der Angeklagte habe nicht bestritten, gegenüber Margarete Ra* Drohungen geäußert zu haben (US 13), den weiteren Beschwerdeausführungen zuwider nicht aktenwidrig, bezieht sich doch die Begründung ersichtlich auf eine andere (als die inkriminierte) drohende Äußerung des Angeklagten gegen Margarete Ra*. Daß der Angeklagte eine derartige Äußerung gegen die Genannte am 17.September 1994 abgegeben hat, hat er aber sowohl schriftlich (S 93) als auch mündlich in der Hauptverhandlung (S 173), wenn auch unter Bestreitung der Ernstlichkeit, zugegeben. Seinen Schuldspruch hat das Erstgericht zudem ohnehin nicht auf die Verantwortung des Angeklagten, sondern auf die Angaben der genötigten Margarete Ra* gestützt (US 13, 14), sodaß dem gerügten Umstand außerdem keine Relevanz zukäme.

Dem weiteren Inhalt der Mängelrüge zuwider hat das Erstgericht in den Kreis seiner Überlegungen auch den Umstand einbezogen, daß Margarete Ra* in ihrer Aussage die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Äußerungen als "leere Drohungen" abgetan hat (S 219). Zu Recht hat es diesem Teil der Zeugenaussage aber keine entscheidende Bedeutung beigemessen, weil die Eignung der Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen, objektiv zu beurteilen ist, wobei wohl in der Person des Bedrohten gelegene besondere Umstände mitzuberücksichtigen sind (objektiv‑individueller Maßstab), es aber nicht darauf ankommt, ob die Drohung in dem Bedrohten tatsächlich Besorgnis erweckt hat (Leukauf/Steininger aaO § 74 RN 21). Daß der Angeklagte seine Drohungen entgegen den Beschwerdebehauptungen durchaus ernst gemeint, d.h. sie mit dem zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich ihrer Eignung, die Bedrohte in Furcht und Unruhe zu versetzen und hiermit das angestrebte Nötigungsziel zu erreichen, geäußert hat, hat das Erstgericht mit dem Hinweis auf die ‑ durch mehrere gerichtliche Verurteilungen des Angeklagten in Deutschland wegen Aggressionsdelikten (US 4 iVm S 137 ff) und durch die vorliegenden Tathandlungen dokumentierte ‑ Aggressivität des Beschwerdeführers durchaus zureichend begründet (US 14).

Wenn der Angeklagte in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) daher einwendet, die ihm angelasteten Drohungen seien nur von ihm nicht ernst gemeinte Redensarten gewesen, weicht die Beschwerde erneut von den tatrichterlichen Feststellungen ab, die von der "Absicht" des Angeklagten ausgehen, Ingrid R* und Margarete Ra* durch die Drohungen zu Unterlassungen zu zwingen (US 4, 5, 7 und 15), und verfehlt damit erneut die gesetzmäßige Darstellung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Zum Schuldspruch 4 wegen § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB:

Mit der Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich der Angeklagte gegen die gesonderte Zurechnung seiner unmittelbar vor dem Absperren der Wohnungseingangstür erfolgten drohenden Äußerung mit dem Tod als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB mit dem Vorbringen, gerade durch diese Äußerung seien im konkreten Fall der Festgehaltenen besondere Qualen bereitet worden und letztere wären ohnehin Voraussetzung für die Annahme der strafsatzbestimmenden Qualifikation nach § 99 Abs 2 StGB.

Damit wird vom Beschwerdeführer der Sache nach eine Konsumtion des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB als sogenannte straflose Vortat durch die hiemit realkonkurrierende (und nicht ‑ wie vom Erstgericht vermeint, vgl US 16 ‑ eintätig zusammentreffende) Haupttat nach § 99 Abs 1 und Abs 2 StGB geltend gemacht.

Von einer derartigen "nachbestraften Vortat" spricht man indes nur bei einem deliktischen Geschehen, das sich in gewöhnlich sich steigernden Etappen abspielt. Die einzelnen Handlungen sind hiebei selbständig vertypt. Die Bestrafung wegen des letzten und schwersten Deliktes schließt auch die Vorhandlungen ein, die der Ermöglichung oder Erleichterung der Haupttat dienten. Voraussetzung für diese Art der Konsumtion ist aber stets, daß sich Vortat und Haupttat gegen dasselbe Rechtsgut richten und daß der durch die Vortat verursachte Schaden nicht über den der Haupttat hinausgeht (Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 463 f; Pallin WK, Vorbem. zu § 28 StGB RN 20; EvBl 1983/43).

Mangels Identität des angegriffenen Rechtsgutes kommt aber im vorliegenden Fall eine Konsumtion des Vergehens der gefährlichen Drohung durch das Verbrechen der Freiheitsentziehung nicht in Betracht. Wohl sind beide Tatbestände (§§ 107, 99 StGB) im selben (dritten) Abschnitt des besonderen Teiles des Strafgesetzbuches pönalisiert, doch dient § 99 StGB speziell dem Schutz vor Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit, § 107 StGB dagegen allgemein dem Schutz vor Gefährdung der Willensbildungs‑ und Betätigungsfreiheit (vgl Schwaighofer aaO Vorbem. zu § 99 StGB Rz 6 und 7). Eine gefährliche Drohung ist aber auch kein typisches Begleitdelikt einer Freiheitsentziehung, selbst wenn durch diese besondere Qualen bereitet werden, sodaß auch aus diesem Gesichtspunkt eine Verdrängung des § 107 StGB nicht in Betracht kommt.

Die unbegründete, zum Teil nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten eine achtzehnmonatige Freiheitsstrafe. Dabei wertete es als erschwerend die mehreren Vorstrafen wegen Aggressionsdelikten und die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen (zu ergänzen: derselben und verschiedener Art), als mildernd hingegen ein teilweises Geständnis und den Umstand, daß die Taten teils beim Versuch geblieben sind.

Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft; jener strebt die Herabsetzung, diese die Erhöhung des Strafausmaßes an.

Nur die Berufung der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

Das Erstgericht hat übersehen, einen raschen Rückfall nach Verbüßung der letzten Freiheitsstrafe (bis 21.Jänner 1994 ‑ S 141) als erschwerend zu werten; im übrigen hat es zwar die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig aufgezählt, den gravierenden Erschwerungsumständen jedoch zu wenig Gewicht beigemessen. Aus diesem Grunde konnte keiner Korrektur des Strafausmaßes zugunsten des Angeklagten nähergetreten werden, es war vielmehr in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft die Strafe auf eine tatschuldangemessene Dauer zu erhöhen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

 

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