OGH 15Os50/95

OGH15Os50/9511.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pointner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wolfgang H***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 22. Februar 1995, GZ 16 Vr 756/94-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchfaktum A 4, soweit dieses das Berühren der Brüste der Christina K***** betrifft, sowie im Strafausspruch einschließlich der Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft und die Anordnung des Maßnahmenvollzuges gemäß § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

2. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

3. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die zu 1 getroffene Entscheidung verwiesen.

4. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde Wolfgang H***** des Verbrechens der teils vollendeten (A 1 bis A 4), teils versuchten (B) Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; gemäß § 21 Abs 2 StGB wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat Wolfgang H***** in L*****

A nachgenannte Unmündige auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar

1 im Sommer 1993 in den Umkleidekabinen des Freibades L***** zwei Mädchen namens Michaela und Christina sowie einen Knaben namens Christian dadurch, daß er diese an deren Geschlechtsteil streichelte,

2 im Sommer 1993 die am 14.Juli 1982 geborene Bianca M***** dadurch, daß er sie an den Brüsten betastete,

3 im Sommer 1993 die am 6.September 1983 geborene Denise H***** dadurch, daß er sie an den Brüsten betastete und

4 im Sommer 1994 die am 26.Oktober 1980 geborene Sabrina B***** und die am 9.August 1991 (richtig wohl: 1981) geborene Christina K***** dadurch, daß er den Unmündigen unter Wasser auf deren Brüste griff, sowie

B im Sommer 1994 die zu A 4 genannte Sabrina B***** dadurch, daß er versuchte, ihre Hand auf seinen erregten Penis zu legen, um eine unzüchtige Handlung an sich vornehmen zu lassen, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Den schuldigsprechenden Teil des Urteils sowie die Anordnung des Maßnahmenvollzuges bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.

Der Mängelrüge (Z 5), die sich gegen die Schuldsprüche A 1 bis A 4 des Urteilssatzes wendet, kommt nur hinsichtlich des Urteilsfaktums A 4 teilweise Berechtigung zu.

Bezüglich des Schuldspruchfaktums A 1 behauptet der Beschwerdeführer eine offenbar unzureichende Begründung, weil das Schöffengericht diesen Schuldspruch auf das Geständnis des Angeklagten stützte, die Urteilsfeststellung, daß er die nackte Scheide der Mädchen streichelte und mit dem Penis des Knaben spielte, aber in den Beweisergebnissen, hier im Geständnis des Beschwerdeführers, keine Deckung finde.

Dem ist zu entgegnen, daß Wolfgang H***** in seinem Geständnis vor dem Gendarmerieposten L***** am 10.September 1994 ausdrücklich eingestand, im Sommer des Jahres 1993 Michaela und Christine - nachdem er den Mädchen ihr Höschen ausgezogen hatte - die "Muschi" gestreichelt und bezüglich Christian zwei bis drei Minuten mit dessen Penis gespielt zu haben, bis der Bub einen "Steifen" bekam (S 67). Dem Beschwerdevorbringen zuwider findet demnach die Feststellung der bezeichneten, keineswegs bloß flüchtigen Tathandlungen im Geständnis des Angeklagten sehr wohl eine zureichende Stütze.

In bezug auf die Schuldspruchfakten A 2 und 3 vermeint der Beschwerdeführer, die Urteilsfeststellungen, er habe die Brüste der Zeuginnen H***** und M***** gestreichelt, was im Urteilstenor dem "Betasten" gleichgesetzt werde, seien zum einen undeutlich, zum anderen jedoch aktenwidrig.

Die Urteilsundeutlichkeit erblickt der Angeklagte ersichtlich darin, daß das Erstgericht die Begriffe des Streichelns und des Betastens zu Unrecht gleichgesetzt habe: Während Betasten eine intensivere, die Körperkonturen erforschende Handlung sei, könne unter Streicheln auch eine einmalige gezielte Berührung mit der Handfläche, wie auch ein mehrfaches "Auf- und Abbewegen" verstanden werden. Aktenwidrig, allenfalls widersprüchlich sei, wenn das Schöffengericht die Annahme von "nicht bloß flüchtigen Unzuchtshandlungen" mit den angeblich übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und der Zeuginnen H***** und M***** begründe, weil der Inhalt der Aussagen unvollständig "bzw" unrichtig wiedergegeben werde: Der Angeklagte habe von einem kurzen Streicheln des Bauches und der Brust gesprochen (S 365), die Zeugin H***** von einer Berührung am Bauch und einer ein paar Sekunden währenden Berührung am Oberkörper (S 370), die Zeugin M***** nur von einer Berührung am Bauch (S 371), während sie eine Berührung ihrer Brüste überhaupt in Abrede stellte. Es wäre daher lediglich festzustellen gewesen, daß Wolfgang H***** die Zeugin H***** am Bauch und ein paar Sekunden an der Brust und die Zeugin M***** lediglich kurz am Bauch berührte; darin seien jedoch tatbildhafte Unzuchtshandlungen nicht zu erblicken.

Nach den Urteilsfeststellungen sprach der Beschwerdeführer die Zeuginnen H***** und M***** bei einem Wehr an der T***** in L***** an, sagte zu ihnen, er wolle mit ihnen "Doktor spielen" und forderte die Mädchen auf, ihre Badeanzüge auszuziehen. Die beiden damals zehn und elf Jahre alten Mädchen zogen ihre Badeanzüge zunächst kurz aus, dann wieder an und in weiterer Folge neuerlich allerdings nur bis zum Bauch (zu ergänzen: herunter - vgl S 217 und 223). Er streichelte nun die beiden Mädchen an der Brust, um sich geschlechtlich zu erregen, ein Betasten ihrer Scheide lehnten die beiden Mädchen ab (US 6).

Daß das Erstgericht diese Aktivitäten des Angeklagten im Urteilsspruch als Betasten an den Brüsten bezeichnete, vermag eine Undeutlichkeit der Entscheidungsgründe im Sinn des relevierten Nichtigkeitsgrundes nicht zu begründen, denn ein solcher Begründungsmangel läge lediglich dann vor, wenn den Feststellungen nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidenden, das sind für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes relevanten Tatsachen als erwiesen angenommen werden. Die Konstatierung, der Beschwerdeführer habe zwei Mädchen im Alter von zehn und elf Jahren an den Brüsten gestreichelt, um sich geschlechtlich zu erregen, läßt jedoch keinen Zweifel an ihrer Deutlichkeit zu. Nicht entscheidend im obigen Sinn ist jedoch, ob die verfahrensgegenständliche Berührung der Brüste als "Streicheln" oder als "Betasten" bezeichnet wird; genug daran, daß diese Körperkontakte zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien der Mädchen betrafen und weder flüchtig, noch oberflächlich erfolgten (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 207 E 2 a, 7 a, 7 c).

Da nach dem eben Gesagten Mißbrauch zur Unzucht im Sinn des § 207 Abs 1 StGB nur dann vorliegt, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers und des Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige oder oberflächliche Berührung gebracht werden, schließt die Annahme einer ein paar Sekunden andauernden Berührung des Oberkörpers (gemeint: der Brust) tatbestandsmäßiges Handeln des Täters iS des § 207 Abs 1 StGB nicht aus.

Zwar trifft zu, daß die Zeugin M***** - ersichtlich aus Scham - in der Hauptverhandlung in Abrede gestellt hat, daß der Angeklagte sie im Bereiche der Brust angegriffen habe (S 371); das Schöffengericht durfte aber dessen ungeachtet die bekämpfte Feststellung ohne Vorliegen eines Begründungsmangels treffen, weil der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung eingestanden hat, Denise H***** und Bianca M***** ein paar Sekunden lang am Oberkörper, und zwar auch an der Brust einmal oder zweimal gestreichelt zu haben (S 362, 363, 365). Demnach liegt auch die behauptete Aktenwidrigkeit "bzw" Widersprüchlichkeit nicht vor.

Berechtigung kommt der Nichtigkeitsbeschwerde allerdings zu, soweit sie sich gegen den Schuldspruch im Faktum A 4 in bezug auf jene Tathandlung, die Christina K***** betrifft, wendet.

Zutreffend wird nämlich in der Mängelrüge bezüglich dieser Tathandlung der Sache nach eine unzureichende Begründung für das dem Angeklagten zur Last gelegte Greifen an die Brüste der Christina K***** behauptet. Diesen Schuldspruch gründete das Schöffengericht auf die Aussagen der Zeuginnen B***** und K***** in Widerlegung der diesbezüglich leugnenden Verantwortung des Angeklagten (US 8 unten).

Weder vor der Gendarmerie, noch in der Hauptverhandlung hat die Zeugin K***** Angaben gemacht, die Hinweise dafür bieten, daß der Beschwerdeführer die Genannte auch im Bereiche ihrer Brüste unsittlich berührte. Vielmehr hat diese Zeugin lediglich vorgebracht, vom Angeklagten im Bereiche des Bauches, also einer sexuell neutralen Körperstelle (Leukauf/Steininger Komm3 § 207 RN 7) angegriffen worden zu sein (S 369). Auch die Aussage der Zeugin B***** in der Hauptverhandlung (S 371) und vor der Gendarmerie (S 33 f; 175) ist nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer in bezug auf Christina K***** diese im Bereiche der Brüste angegriffen hat.

Demnach erweist sich der Schuldspruch im Faktum A 4 hinsichtlich der die Christina K***** betreffenden Tathandlung mit einem Nichtigkeit bewirkenden Begründungsmangel behaftet, sodaß das Ersturteil in diesem Umfang bereits in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben und die Verfahrenserneuerung zur Klärung der Frage, ob der Angeklagte Christina K***** auch im Bereiche ihrer Brüste unsittlich berührt hat, anzuordnen war (§ 285 e StPO).

Soweit der Beschwerdeführer mit Bezugnahme auf das gleiche Schuldspruchfaktum als Aktenwidrigkeit die Urteilsfeststellung rügt, daß er der Zeugin B***** auf die Brüste griff, wogegen die Genannte in der Hauptverhandlung ausgesagt habe, er hätte sie (lediglich) unter der Brust angegriffen, kommt diesem Einwand keine Berechtigung zu. Denn bereits vor der Gendarmerie hat diese Zeugin dezidiert ausgesagt, der Angeklagte habe einige Male an ihre Brüste gegriffen (S 35). Auch in der Hauptverhandlung hat sie deponiert, der Beschwerdeführer sei an ihr vorbeigeschwommen und habe so getan, als wenn er ankäme; dies sei im Bauch- und Brustbereich gewesen (S 368).

Ersichtlich nur im Zusammenhang mit der von ihr verneinten Frage, ob der Angeklagte die Zeugin unter dem Badeanzug berührt habe, hat sie sodann wörtlich gesagt: "Er hat mich nur unter der Brust angegriffen" (S 368). Bei Bedachtnahme auf die oben wiedergegebenen Angaben der Zeugin vor der Gendarmerie und in der Hauptverhandlung ist die zuletzt wörtlich wiedergegebene Aussage der Zeugin als bloße Ungenauigkeit im Ausdruck zu verstehen, sodaß der Feststellung, der Angeklagte habe der Zeugin Sabrina B***** auf die Brust gegriffen, ein Begründungsmangel nicht anhaftet.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 10) ist zur Gänze nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt, weil sie - was stets die Voraussetzung für die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes ist - nicht den festgestellten Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.

Zum Schuldspruchfaktum A 1 vermißt der Angeklagte Feststellungen, ob die für Unzuchtshandlungen geforderte Erheblichkeit vorliegt; ausgehend von seiner Verantwortung, die in diesem Punkt die einzige Grundlage für ausreichend präzise Feststellungen bieten könne, sei im Zweifel wohl (nur) von einem flüchtigen Streicheln bekleideter Geschlechtsteile auszugehen.

Dabei negiert aber der Beschwerdeführer, daß er nach den Urteilskonstatierungen die Mädchen an der nackten Scheide streichelte und mit dem Penis des Knaben spielte, wodurch er derart sexuell erregt wurde, daß er ins WC ging und dort masturbierte. Diese Urteilsfeststellungen stehen der Annahme eines bloß flüchtigen Streichelns bekleideter Geschlechtsteile entschieden entgegen.

Sofern der Angeklagte rücksichtlich der Schuldspruchfakten A 2 und A 3 das Unterbleiben der Feststellung moniert, die Brustberührungen seien jeweils über dem Badeanzug der Mädchen mit nur geringer Intensität erfolgt, stehen dem gleichfalls gegenteilige Urteilskonstatierungen (US 6 sowie US 8 Abs 3) entgegen.

Auch in bezug auf Punkt 4 des Schuldspruchs verläßt der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, es wäre zu konstatieren gewesen, daß er bei Sabrina B***** "lediglich kurz hergefahren sei (und zwar unter die Brust) und dann gleich wieder weg" die gegenteiligen Urteilsfeststellungen, wonach er der Genannten auf die Brust griff (US 2 und US 7) und diese Belästigung intensiv war (US 8).

Bezugnehmend auf Punkt B des Schuldspruchs rügt der Angeklagte die Nichtannahme des Rücktritts vom Versuch gemäß § 16 Abs 1 StGB, weil er sein Ansinnen freiwillig aufgegeben habe. Auch dabei negiert er aber die Ausführungen des Ersturteils, wonach die von ihm gewollte unzüchtige Handlung lediglich deshalb unterblieb, weil sich das Mädchen heftig wehrte (US 7), was dem Vorliegen des reklamierten Strafaufhebungsgrundes entgegensteht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu den Schuldspruchfakten A 1 bis 3, A 4 (soweit Sabrina B***** betroffen ist) und B zum Teil als unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen; hinsichtlich jenes Teils des Schuldspruchfaktums A 4, der die Christina K***** betrifft, war gemäß § 285 e StPO bei der nichtöffentlichen Beratung mit einer Kassation vorzugehen, die auch die Aufhebung der auf der Gesamtheit der Schuldsprüche beruhenden Sanktionenaussprüche nach sich zieht. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Ausführungen in der Strafzumessungsrüge (Z 11), zu der nur am Rande bemerkt sei, daß im Hinblick auf die aufrecht gebliebenen Schuldsprüche die Grundvoraussetzung des § 21 Abs 2 StGB, nämlich die Verurteilung wegen einer Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, zweifellos gegeben ist.

Die Entscheidung über die Berufung gründet sich auf die Kassierung des Strafausspruches und der Anordnung des Maßnahmenvollzuges, die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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