OGH 9ObA40/95

OGH9ObA40/9510.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Ernst Viehberger und Erwin Macho als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Elisabeth L*****, Raumpflegerin, ***** vertreten durch Dr.Andreas Löw und Dr.Ingo Riß, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei N***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1.638 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.Dezember 1994, GZ 34 Ra 166/94-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29.Juni 1994, GZ 5 Cga 69/94s-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 1.638 brutto samt 4 % Zinsen seit 31.12.1993 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an Verfahrenskosten erster Instanz S 1.161,40 (darin S 186,90 Umsatzsteuer und S 40 Barauslagen) und an Verfahrenskosten zweiter Instanz S 1.495,68 (darin S 249,28 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.791,36 (darin S 298,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten seit Oktober 1992 bis zu ihrer berechtigten fristlosen Entlassung am 30.12.1993 als Raumpflegerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger anzuwenden. Dieser sieht in § 10 Abs 5 hinsichtlich der Weihnachtsremuneration vor, daß Arbeitnehmer, die während des Kalenderjahres ausscheiden, den aliquoten Teil der Weihnachtsremuneration entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit erhalten. Dieser Anspruch entfällt ua jedoch, wenn der Arbeitnehmer gemäß § 82 GewO entlassen wird. Nur beim Urlaubszuschuß findet sich die Bestimmung, daß Arbeitnehmern, die den Urlaubszuschuß für das laufende Kalenderjahr bereits erhalten haben, aber noch vor dessen Ablauf ausscheiden, den erhaltenen Urlaubszuschuß ua nur dann zurückzuzahlen haben, wenn sie nach § 82 GewO 1859 entlassen werden. Die Entlassung der Klägerin erfolgte nach Auszahlung der Weihnachtsremuneration für das Jahr 1993 im Betrag von S 2.854 brutto. Der Klägerin stehen Dienstnehmeransprüche von insgesamt S 4.375 brutto abzüglich Urlaubszuschußrückvergütung von S 2.737 brutto zu.

Die Klägerin begehrt daher an Restentgelt S 1.638 brutto.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil aufgrund der gerechtfertigten fristlosen Entlassung die Weihnachtsremuneration rückzuverrechnen sei, die aber den Klagebetrag bei weitem übersteige.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es vertrat die Rechtsmeinung, daß nach den klaren Bestimmungen des Kollektivvertrages eine Rückzahlungsverpflichtung auch bei gerechtfertigter Entlassung hinsichtlich der Weihnachtsremuneration nicht normiert worden sei, so daß eine Rückverrechnung ausgeschlossen wäre.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Kollektivvertragsparteien eine Rückzahlungsverpflichtung der Weihnachtsremuneration auch bei gerechtfertigter Entlassung nicht beabsichtigt hätten. Es sei davon auszugehen, daß der Dienstnehmer, der erst nach Auszahlung der Weihnachtsremuneration entlassen werde, diese bereits durch sein bis dahin gezeigtes Wohlverhalten verdient habe.

Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Gegen dieses Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Den Kollektivvertragsparteien ist es unbenommen, das Entstehen des Anspruches auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (Martinek-M.u.W.Schwarz, AngG7, 307 f; Arb 8806, infas 1995 A 22 = RdW 1995, 69 [Runggaldier, 64]). Dies haben sie im vorliegenden Fall getan. Der Anspruch auf die aliquote Weihnachtsremuneration bestimmt sich nach dem Verhältnis des Kalenderjahres zur Zeit der Dauer des Dienstverhältnisses während des Kalenderjahres. Er entfällt bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis nach § 10 Abs 5 KV unter anderem dann, wenn der Arbeitnehmer gemäß § 82 GewO entlassen wird. Eine solche Klausel konnte rechtswirksam vereinbart werden (ZAS 1980/5 = DRdA 1979/9 [Firlei], RdW 1995, 69 [Runggaldier 65]). Daß die Fälligkeit der Weihnachtsremuneration bereits in der Kalenderwoche, in die der 1.12.1993 fiel, eingetreten ist, was auch zu deren Auszahlung führte, bedeutete keinen unbedingten und endgültigen Anspruchserwerb, weil die Entfallsbestimmung des § 10 Abs 5 KV nicht übersehen werden darf. Die Fälligkeitsbestimmungen lassen sich nicht von den Entfallsbestimmungen des Kollektivvertrages trennen (infas 1994 A 16). Die Frage, ob der Anspruch auf Weihnachtsremuneration für das Jahr 1993 überhaupt bestand oder entfallen war, ist der nach der eingetretenen Fälligkeit dieser Sonderzahlung vorgeordnet (ZAS 1980/5 = DRdA 1979/9 [Firlei], infas 1994 A 16).

Für den vorliegenden Fall ist ohne Belang, daß der Kollektivvertrag entgegen den Bestimmungen, die den Urlaubszuschuß regeln, eine Rückzahlungspflicht hinsichtlich des wegen Entlassung nachträglich weggefallenen Anspruches auf die bereits ausbezahlte Weihnachtsremuneration nicht vorsieht. Dies bedeutet unabhängig von der Frage der Berechtigung eines solchen Einwandes nur, daß eine Einwendung des gutgläubigen Verbrauches im vorliegenden Fall anders als bei einer kollektivvertraglichen Rückerstattungspflicht nicht

ausgeschlossen wäre (ZAS 1980/5 = DRdA 1979/9 [Firlei]; ZAS 1982/2

[Runggaldier] = DRdA 1982/6 [Wachter]). Im vorliegenden Fall wirkt

sich die Frage eines gutgläubigen Verbrauches aber deshalb nicht aus, weil ein solcher nicht behauptet wurde und der Arbeitgeber seinen auf § 1435 ABGB gegründeten Rückerstattungsanspruch nicht klageweise, sondern im Wege der Rückverrechnung durch Aufrechnung unter den gegebenen Voraussetzungen des § 1438 ABGB einredeweise geltend macht.

In Stattgebung der Revision war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Schriftsatz vom 23.6.1994 diente nicht der notwendigen Rechtsverteidigung, weil er in der Verhandlung vom 29.6.1994 nicht vorgetragen wurde.

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