OGH 7Ob617/94

OGH7Ob617/9410.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Königreich Spanien, vertreten durch Dr.Miguel Angel O*****, Botschafter des Königreiches Spanien, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Spitzy, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Alfred H*****, vertreten durch Dr.Ulrich Rapp, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen Erteilung einer Zustimmung (Streitwert S 200.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16.Juni 1994, GZ 16 R 133/93-54, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11.Februar 1993, GZ 15 Cg 13/92-50, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Beklagte hat in den Jahren 1956 bis 1978 aus Anlaß von Reisen nach Spanien Eier wildlebender Vögel aus Nestern entnommen, nach Österreich ausgeführt und hier präpariert. Diese Präparate wurden im Zuge eines gegen ihn geführten Strafverfahrens beschlagnahmt und gerichtlich hinterlegt.

Die klagende Partei begehrt, den Beklagten zu verpflichten, der Ausfolgung der hinterlegten Vogeleierpräparate an sie zuzustimmen. Der Beklagte habe die Vogeleier unter Verletzung spanischer Jagd- und Naturschutzgesetze gesammelt und widerrechtlich ausgeführt. Die Liegenschaften, auf denen die Eier gesammelt worden seien, stünden im Eigentum der klagenden Partei, sodaß nur sie zur Aneignung berechtigt gewesen wäre. Die klagende Partei sei Eigentümerin der Präparate, genieße aber jedenfalls die bessere Berechtigung zu dieser Ausfolgung.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die klagende Partei gehe von einer Art Obereigentum aus, welches jedoch dem spanischen Recht fremd sei. Die Vogeleier seien nicht auf Liegenschaften der klagenden Partei gesammelt worden. Der Beklagte habe die Eier auch nicht selbst gesammelt, sondern durch Tausch von anderen Sammlern erworben. Das Sammeln und Ausführen von Eiern wildlebender Vögel sei nicht verboten gewesen; ein allfälliges Verbot sei aber den Vertragspartnern des Beklagten zuzurechnen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im ersten Rechtsgang ab. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diesen Aufhebungsbeschluß mit Beschluß vom 15.11.1990, 7 Ob 637/90. Der Beklagte habe nach dem maßgebenden spanischen Recht nicht durch Aneignung Eigentum erwerben können, und zwar unabhängig davon, ob er Eier jagbarer Vögel oder solche geschützter Vogelarten gesammelt habe. Die Frage aber, ob die klagende Partei nach spanischem Sachrecht als (Ober-)Eigentümerin der gesammelten Eier anzusehen sei, könne erst nach weiterer Erhebung des Inhalts der einschlägigen spanischen Rechtsvorschriften beurteilt werden. Zu ermitteln sei, ob auch in Spanien Obereigentum des Staates an freistehenden, nicht aneignungsfähigen Sachen bestehe; dabei sei nicht nur der Wortlaut der zu erforschenden Rechtsquellen maßgebend, sondern die im Rechtsbereich der klagenden Partei durch die herrschende Rechtsprechung geprägte Anwendungspraxis. Wo diese keine eindeutige Antwort gebe, sei der herrschenden fremden Lehre zu folgen und erst in letzter Linie dem fremden Gesetzeswortlaut unter Heranziehung der dort geltenden Auslegungsregeln und allgemeinen Rechtsgrundsätze. Sollte die klagende Partei Obereigentum an nicht aneignungsfähigen, freistehenden Sachen geltend machen können, sei auch noch zu prüfen, ob die Entnahme der strittigen Vogeleier gegen ein in Jagd- und Naturschutzbestimmungen der klagenden Partei festgelegtes Verbot verstoßen habe. Seien also nicht die Eier jagdbarer Vögel, an denen der klagenden Partei mangels Jagdberechtigung keine Rechte zustünden, von der Hinterlegung betroffen, dann wäre die Klage bei Bestehen von Obereigentum der klagenden Partei berechtigt.

Im zweiten Rechtsgang hat das Erstgericht das Klagebegehren neuerlich abgewiesen. Seit dem Inkrafttreten des Codigo Civil im Jahr 1889 sei das dem Feudalsystem entstammende Obereigentum nicht mehr vertreten worden. Erst seit dem Inkrafttreten der neuen spanischen Verfassung am Jahresende 1978 und vor allem des (Ausführungs-)Gesetzes über das Patrimonio Nacional von 1982 fänden sich deutliche Ansätze, das staatliche Herrschaftsrecht über den Kreis der in Art 339 Codigo Civil näher umschriebenen Immobilien hinaus auch auf Mobilien auszudehnen. Art 3 des Gesetzes von 1982 decke die von den Vogelschutzübereinkommen 1902 und 1954 sowie von der Artenschutzkonvention BGBl 1982/188 und von den spanischen Gesetzen und Dekreten unter Schutz gestellten Vögel und deren Gelege vollinhaltlich ab. In Verbindung mit Art 132 der spanischen Verfassung lasse sich aus diesen Bestimmungen auch ein dem staatlichen Obereigentum als Herrschaftsrecht entsprechendes Recht annehmen. Auf den vorliegenden Sachverhalt sei diese frühestens ab dem Jahresende 1978 anzunehmende Rechtslage aber noch nicht anzuwenden. Davor habe kein derartiges Obereigentum der klagenden Partei bestanden. Das fremde Verwaltungsrecht aber sei in Österreich nicht anzuwenden. Aus den öffentlichen Recht eines Staates fließende Ansprüche könnten vor den Gerichten eines anderen Staates nicht durchgesetzt werden. Kollisionsnormen für diesen Bereich bestünden nicht. Auf das spanische Verwaltungsrecht müsse daher nicht eingegangen werden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht trat es den Ausführungen des Erstgerichtes bei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der klagenden Partei erhobene Revision ist unzulässig im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Die Erhebungen über das Bestehen von Obereigentum des spanischen

Staates an freistehenden, nicht aneignungsfähigen Sachen haben

ergeben, daß darüber im entscheidungswesentlichen Zeitraum der

Sammlung der Vogeleier durch den Beklagten keine einschlägigen

gesetzlichen Bestimmungen bestanden haben. Der Auffassung des vom

Gericht zur Ermittlung des fremden Rechts bestellten

Sachverständigen, wonach der Ley de Mostrencos, welcher das

Eigentumsrecht des Staates an bestimmten Tieren begründet hatte,

durch den im Jahr 1889 eingeführten Codigo Civil derogiert wurde,

haben die von der klagenden Partei beauftragten (Privat-)Gutachter im

weiteren Verfahren nicht mehr widersprochen. Weiters wurde erhoben,

daß eine Rechtsprechung spanischer Gerichte zur Frage, ob das

spanische Recht in den hier fraglichen Zeitraum den Begriff des

Obereigentums des Staates an freistehenden, nicht aneignungsfähigen

Sachen kennt, nicht vorliegt. Eine durch die herrschende

Rechtsprechung geprägte Anwendungspraxis, auf die Bedacht genommen

werden könnte, besteht somit nicht. Aber auch eine herrschende, den

Begriff des Obereigentums bejahende Lehre konnte nicht ermittelt

werden. Die moderne Gesetzgebung Spaniens verwendet den Begriff des

Obereigentums nicht mehr. Sofern Vertreter der Rechtswissenschaft in

den jetzigen Verboten, bestimmte Tierarten zu jagen, eine

Aktualisierung der alten Jagdregalien erblicken, nunmehr allerdings

mit dem Zweck, diese Arten zu erhalten, kann noch nicht von einer

herrschenden, das Obereigentum des Staates an nicht jagdbaren Tieren

bejahenden Ansicht gesprochen werden. Demgemäß wurde das fremde Recht

von den Vorinstanzen nur unter Heranziehung geltender

Auslegungsregeln und allgemeiner Rechtsgrundsätze ermittelt. Das

Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung

des anzuwendenden fremden Rechts reicht aber für die Annahme einer

qualifizierten Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht hin

(RZ 1984/88; IPRE 2/12; ZfRV 1992/32). Der Rechtsprechung des

Revisionsgerichts kommt nämlich für die Anwendung fremden Rechts in

dessen ursprünglichen Geltungsbereich im Regelfall keinerlei

Bedeutung zu; für die Rechtsanwendung des fremden Rechts in seinen

ursprünglichen Geltungsbereich fehlt es der Rechtsprechung des

Revisionsgerichtes an der in § 502 Abs 1 ZPO zugrundegelegten

Leitfunktion. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn

gegen Rechtsanwendungsgrundsätze des § 3 IPRG verstoßen und bei der

Entscheidung des Rechtsstreites durch die inländischen Gerichte eine

im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in

Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt wurde (NRsp

1994/103; ZfRV 1994/33). Letzteres ist hier aber nicht geschehen.

Es geht auch nicht bloß um die in der Revision hauptsächlich relevierte Frage des österreichischen internationalen Privatrechts, ob im Rahmen der Qualifikation zweiten Grades auf spanische Vorschriften des öffentlichen Rechts zurückgegriffen werden kann, enthalten doch auch diese im fraglichen Zeitraum weder ausdrücklich den Begriff des Obereigentums des Staates an freistehenden, nicht aneignungsfähigen Sachen, noch gibt es dazu eine einheitliche Anwendungspraxis.

Daß die klagende Partei im Verfahren erster Instanz die Dartuung

unterlassen hat, daß die Gebiete, in denen die Vogeleier gesammelt

wurden, im Zeitraum der Sammeltätigkeit des Beklagten zum besonders

geschützten öffentlichen Gut gezählt haben, hat bereits das

Erstgericht erkannt. In der Unterlassung von Erhebungen über die

geographische Situation dieser Gebiete kann daher kein

Verfahrensmangel liegen. Da das Berufungsgericht diesen Mangel des

Verfahrens erster Instanz bereits verneint hat, kann er im

Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Ebenso bildet

es - im Hinblick auf die Ausführungen zur mangelnden Erheblichkeit

der Rechtsfortbildung fremden Rechts im Sinne des österreichischen

Revisionsrechts - keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, daß

weitere Erhebungen über den Inhalt fremden Rechts durch Einschaltung des Bundesministeriums für Jusitz oder diplomatischer oder konsularischer Vertretungsbehörden nicht gepflogen wurden.

Ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichtes, daß die ordentliche Revision zulässig sei, war die Revision daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der klagenden Partei nicht hingewiesen.

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