OGH 9ObA63/95

OGH9ObA63/9510.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Ernst Viehberger und Erwin Macho als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zoran N*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Mathias T*****, Unternehmer, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 60.470,- brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12.Jänner 1995, GZ 7 Ra 86/94-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11.April 1994, GZ 31 Cga 8/94a-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Es trifft zwar zu, daß das Berufungsgericht auf die Beweisrüge der beklagten Partei nicht "näher" eingegangen ist, doch reichen die vom Berufungsgericht im Ergebnis gebilligten Feststellungen für die rechtliche Beurteilung aus (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob der Kläger zu Recht entlassen worden ist, zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers, ein Arbeitnehmer sei schon auf Grund seiner Treuepflicht zur Leistung betriebsbedingt notwendiger Überstunden verhalten und der Kläger habe dadurch, daß er anstatt Überstunden zu leisten, am Wochenende Gastarbeiter mit einem Bus nach Bosnien beförderte, ein abträgliches Nebengeschäft betrieben, entgegenzuhalten:

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen und für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen hatte der Kläger die normale Wochenarbeitszeit, die jeweils am Freitag um 12 Uhr endete, erbracht und in dem Monat, in dem die Entlassung erfolgte, noch ein Guthaben von 15 Überstunden. Der Beklagte verlangte am Freitag um 11 Uhr vom Kläger, daß er auch am Freitag nachmittag und gegebenenfalls am Samstag vormittag arbeite. Der Kläger lehnte dies ab. Die Behauptung des Beklagten, er habe mit dem Kläger in der Vorwoche vereinbart, daß dieser am darauffolgenden Freitag nachmittag und Samstag vormittag einarbeite, ist nicht bewiesen. Auf die Weigerung des Klägers, an diesen Tagen Überstunden zu leisten, erfolgte die Entlassung. Der Kläger ist Miteigentümer eines Busses, mit dem er noch am Freitag Landsleute gegen Entgelt nach Bosnien transportierte.

Nach Lehre und Rechtsprechung besteht eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Überstunden mangels entsprechender zulässiger Vereinbarung auf Grund der Treuepflicht nur ausnahmsweise, wie etwa im Fall des Betriebsnotstands im Sinne des § 20 AZG, nicht aber schon bei jeder betrieblichen Notwendigkeit, weil der Arbeitgeber etwa sonst die von ihm übernommenen Aufträge nicht rechtzeitig erfüllen könnte. Da sich aus § 6 Abs 2 AZG keine Pflicht zur Überstundenarbeit ergibt, sind die entgegenstehenden Interessen des Arbeitnehmers erst dann zu prüfen, wenn bereits feststeht, daß der Arbeitnehmer überhaupt auf Grund eines Kollektivvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder arbeitsvertraglichen Vereinbarung zur Überstundenarbeit verpflichtet ist (vgl Grillberger, AZG 62 f;

Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR3 I 139 und 144;

Arb 10.427, 10.563; infas 1992 A 50 uva). Eine Vereinbarung, Mehrarbeit zu leisten, ist im vorliegenden Fall nicht erwiesen; eine Interessenabwägung hat daher von vorneherein nicht stattzufinden, so daß der Einwand der beklagten Partei, die Busfahrt nach Bosnien hätte den Kläger gehindert, Überstunden zu leisten, unbeachtlich ist. Der Ansicht, daß die Notwendigkeit, dringende Arbeiten fertigzustellen, bereits als Notstand im Sinne des §§ 20 AZG aufzufassen sei, kann nicht beigepflichtet werden. Die beklagte Partei kann sich daher wegen der Weigerung des Klägers, weitere Überstunden zu leisten, nicht auf den Entlassungsgrund des § 82 lit f GewO 1859 berufen. Soweit die Abträglichkeit des Nebengeschäfts auch in der Revision lediglich darauf gestützt wird, daß die Nebentätigkeit des Klägers bei der Erbringung von Überstunden hinderlich gewesen sei, liegt auch kein Entlassungstatbestand nach § 82 lit e GewO 1859 vor (vgl dazu im übrigen Kuderna, Entlassungsrecht2 136 f mwH).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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