OGH 11Os51/95

OGH11Os51/959.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Haubenwallner als Schriftführerin, in der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Alexander F***** gegen den Beschuldigten Michael K***** wegen §§ 111 Abs 1 und 2, 113 StGB und die Antragsgegnerin K***** Druck- und VerlagsgmbH wegen §§ 6, 33 und 34 MedienG, AZ 17 E Vr 656/92 des Landesgerichtes Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen einen Vorgang des Einzelrichters, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten und seines Verteidigers sowie des Privatanklägers und Antragstellers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren zum AZ 17 E Vr 656/92 des Landesgerichtes Klagenfurt wurde das Gesetz verletzt

1. durch den Beschluß des Einzelrichters vom 24.August 1994 auf Vernehmung der erschienenen Zeugen außerhalb der Hauptverhandlung und durch die darauffolgende Durchführung dieser Vernehmungen in den Bestimmungen der §§ 224 Abs 1, 488 Z 2 StPO;

2. durch den Beschluß auf Anordnung der Hauptverhandlung vom 27. Oktober 1994 und durch deren Durchführung in der Bestimmung des § 68 Abs 2 StPO.

Text

Gründe:

In der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Alexander F***** gegen den Beschuldigten Michael K***** wegen §§ 111 Abs 1 und 2, 113 StGB und die Antragsgegnerin K***** Druck- und VerlagsgmbH wegen §§ 6, 33 und 34 MedienG, AZ 17 E Vr 656/92 des Landesgerichtes Klagenfurt, beraumte der Einzelrichter eine (vertagte) Hauptverhandlung für den 24.August 1994 an. Zu diesem Termin erschienen zwar der Privatankläger mit seinem Rechtsfreund sowie der Verteidiger und Vertreter der Antragsgegnerin, nicht aber der zum persönlichen Erscheinen aufgeforderte Beschuldigte, dem die Ladung zur Hauptverhandlung (wegen Urlaubs) nicht zugestellt werden konnte. Nachdem der Verteidiger erklärt hatte, für diesen Termin vom Beschuldigten nicht mit dessen Vertretung als Machthaber beauftragt zu sein, faßte der Einzelrichter den Beschluß auf Vertagung der Hauptverhandlung auf unbestimmte Zeit und auf Einvernahme der erschienenen Zeugen außerhalb der Hauptverhandlung (413 ff).

Unmittelbar darauf wurden vom Einzelrichter die Zeugen Dr.Arno R***** und Rosemarie G***** im Beisein des Privatanklägers, dessen Rechtsfreundes, des Verteidigers und Vertreters der Antragsgegnerin einvernommen (421 ff). Mit Beschluß vom 11.Oktober 1994 ordnete er dann eine neue Hauptverhandlung für den 27.Oktober 1994 an (3 e verso), bei der (ua) die Aussagen der zuvor genannten Zeugen gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO verlesen wurden (491).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß auf Vernehmung der erschienenen Zeugen außerhalb der Hauptverhandlung, die Vernehmung dieser Zeugen durch den Einzelrichter sowie der Beschluß auf Anberaumung der nächsten Hauptverhandlung und deren Durchführung stehen mit dem Gesetz (§§ 68 Abs 2, 224 Abs 1, 488 Z 2 StPO) nicht im Einklang:

Nach der Vorschrift des § 224 Abs 1 StPO kann der Vorsitzende im Zwischenverfahren die Vervollständigung der Voruntersuchung zum Zwecke der näheren Erforschung eines für die Verteidigung oder die Anklage wesentlichen Umstandes auf Antrag einer Verfahrenspartei anordnen. Dies ist auch nach Vertagung der Hauptverhandlung zur besseren Vorbereitung des nächsten Verhandlungstermins möglich (SSt 34/66 = EvBl 1964/177). Gemäß § 488 Z 2 StPO ist ein Vorgehen nach § 224 StPO im Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz nur dann zulässig, wenn die Beweise nicht in der Hauptverhandlung aufgenommen werden können.

Besteht die Vervollständigung der Voruntersuchung gemäß § 224 Abs 1 StPO in einer Beweisaufnahme wie in der richterlichen Vernehmung eines Zeugen, so darf sie nur der Untersuchungsrichter (oder ein ersuchter Richter eines Bezirksgerichtes) vornehmen, zumal die Aufnahme von Beweisen im Vorverfahren eine dem Untersuchungsrichter vorbehaltene Tätigkeit darstellt (vgl SSt 34/66 = EvBl 1964/177; Foregger/Kodek StPO6 § 224 Erl I, Mayerhofer/Rieder StPO3 § 224 Anm 4, Bertel Grundriß4 Rz 644, Roeder2 194 f, Lohsing/Serini4 381). Dies zeigt auch der Wortlaut des § 488 Z 2 StPO, der die Bestimmungen der §§ 224 und 276 StPO als Vornahme von Erhebungen oder Untersuchungshandlungen durch den Untersuchungsrichter bezeichnet. Der Vorsitzende/Einzelrichter kann eine solche Beweisaufnahme bloß anordnen; ihm selbst ist die Vornahme nur solcher Erhebungen und Untersuchungshandlungen gestattet, die der besseren Vorbereitung der Hauptverhandlung dienen, ohne die Beweisaufnahme selbst vorwegzunehmen. Hat der Vorsitzende/Einzelrichter dennoch eine dem Untersuchungsrichter zustehende Amtshandlung vorgenommen, so ist er gemäß § 68 Abs 2 StPO von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen (Foregger/Kodek aaO, Mayerhofer/Rieder aaO, Bertel aaO). Gemäß § 71 Abs 1 StPO hat er sich von dem Zeitpunkt, in dem ihm der Ausschließungsgrund bekannt geworden ist, aller gerichtlichen Handlungen bei sonstiger Nichtigkeit dieser Akte zu enthalten.

Im gegebenen Fall waren nach der Aktenlage die Voraussetzungen für eine Vervollständigung der Voruntersuchung nach §§ 224, 488 Z 2 StPO von vornherein nicht gegeben, weil die Möglichkeit der Vernehmung der Zeugen Dr.Arno R***** und Rosemarie G***** in der zur persönlichen Vernehmung des Beschuldigten vertagten Hauptverhandlung gegeben war. Der Einzelrichter war aber für die Vernehmung von Zeugen außerhalb der Hauptverhandlung nach dem Ausgeführten auch funktionell nicht zuständig. Da er dennoch eine dem Untersuchungsrichter zustehende Amtshandlung vornahm, war er gemäß § 68 Abs 2 StPO fortan von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Er hätte sich daher der Anordnung und der Durchführung der Hauptverhandlung vom 27.Oktober 1994 enthalten müssen.

Die in der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufgezeigten Gesetzesverletzungen waren daher wie aus dem Spruch ersichtlich festzustellen.

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