OGH 11Os54/95

OGH11Os54/959.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Haubenwallner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert P***** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 12.Jänner 1994, GZ 14 U 1062/93-4, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der gemeinsam mit der Strafverfügung des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 12.Jänner 1994, GZ 14 U 1062/93-4, gefaßte Beschluß, vom Widerruf

der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. Jänner 1993, GZ 2 d E Vr 12487/92-13, gewährten (teil-)bedingten Strafnachsicht abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern, verletzt das Gesetz in dem im XX.Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Der Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem in gekürzter Form (§ 488 Z 7 StPO iVm § 458 Abs 3 StPO) ausgefertigten Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29.Jänner 1993, GZ 2 d E Vr 12487/92-13, wurde Robert P***** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4) StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43 a Abs 3 StGB ein Strafteil von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2.September 1993 (rechtskräftig seit 6.September 1993), GZ 2 d E Vr 8667/93-7, wurde der Genannte wegen Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (Tatzeit 19.Mai 1993) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Mit dem gleichzeitig verkündeten Beschluß wurde die Robert P***** mit dem erstbezeichneten Urteil (vom 29.Jänner 1993) nach § 43 a Abs 3 StGB gewährte bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB rechtskräftig widerrufen (39 in 2 d E Vr 8667/93).

Mit Strafverfügung vom 12.Jänner 1994, GZ 14 U 1062/93-4, verhängte das Bezirksgericht Floridsdorf über Robert P***** wegen des am 3. September 1993 begangenen Vergehens des versuchten Diebstahles nach §§ 15, 127 StGB eine Geldstrafe. Gleichzeitig wurde gemäß § 494 a Abs 4 und 5 StPO (ua) vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht im Verfahren zum AZ 2 d E Vr 12487/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert (31).

Rechtliche Beurteilung

Die Verlängerung der Probezeit steht - wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Zur Zeit der Erlassung der Strafverfügung und der gemeinsam damit angeordneten Probezeitverlängerung war nämlich die im Verfahren zum AZ 2 d E Vr 12487/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien dem Robert P***** gewährte (teil-)bedingte Strafnachsicht bereits widerrufen, sodaß ein Absehen vom Widerruf unter Verlängerung der Probezeit durch das Bezirksgericht Floridsdorf nicht mehr in Betracht kam. Gemäß § 494 a Abs 3 StPO hat das Gericht vor einer Entscheidung nach Abs 1 dieser Gesetzesstelle (also auch bei einem Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer allfälligen Verlängerung der Probezeit) ua in die Akten über die frühere Verurteilung Einsicht zu nehmen. Diese Bestimmung dient unter anderem auch der Verhinderung divergierender Entscheidungen zur Widerrufsfrage (siehe zuletzt 12 Os 190,191/94). Das Bezirksgericht Floridsdorf hat diese Vorschrift bei seiner Beschlußfassung am 12. Jänner 1994 nicht beachtet.

Die mit dem Widerrufsbeschluß vom 2.September 1993 im Verfahren zum AZ 2 d E Vr 8667/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verbundene Sperrwirkung stand daher dem späteren, damit unvereinbaren (Verlängerungs-)Beschluß vom 12.Jänner 1994 im Verfahren zum AZ 14 U 1062/93 des Bezirksgerichts Floridsdorf entgegen. Dieser - vom Gericht ohne gesetzliche Grundlage nachträglich als "gegenstandslos" erklärte (51) - (Verlängerungs-)Beschluß konnte den zeitlich vorangegangenen Widerrufsbeschluß nicht beseitigen und war daher aufzuheben.

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