OGH 11Os52/95

OGH11Os52/959.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Haubenwallner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Richard P***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143, zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 11. Jänner 1995, GZ 15 Vr 648/94-90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richard P***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen (zu I) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und (zu II) des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

I. am 10.Juni 1994 in Lauterach dem Filialleiter der R*****bank L*****, Zweigstelle U*****, dadurch, daß er einen Gasrevolver auf ihn richtete und ihn zur Herausgabe von Bargeld aufforderte, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), fremde bewegliche Sachen, nämlich 294.990 S Bargeld, mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz abgenötigt, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte;

II. am 8.Juni 1994 in Dornbirn im gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Nihat G***** als Mittäter dem Gottfried S***** eine fremde bewegliche Sache in nicht mehr näher feststellbarem, 25.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich ein Fahrrad der Marke Puch, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Die Geschworenen hatten die (anklagekonform) auf das Verbrechen des schweren Raubes gerichtete Hauptfrage I sowie die auf das Vergehen des Diebstahls zielende Hauptfrage II (stimmeneinhellig) bejaht. Die - für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I - auf das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs 3 letzter Satz StGB lautende Eventualfrage blieb folgerichtig unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 1 und 5 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, indes zu Unrecht.

Eine nicht gehörige Besetzung des Gerichtshofes (Z 1) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß an der Verhandlung und Urteilsfällung am 11. Jänner 1995 als Vorsitzender des Schwurgerichtshofs jener Berufsrichter teilgenommen habe, der bereits davor im Verfahren zum AZ 16 Vr 885/94 des Landesgerichtes Feldkirch den Walter V***** im Zusammenhang mit der hier aktuellen Raubtat des Verbrechens der Hehlerei schuldig erkannt hatte; es liege daher hier (per analogiam) ein Ausschließungsgrund im Sinn des § 68 Abs 2 StPO vor. Insoweit genügt es jedoch dem Beschwerdeführer zu erwidern, daß die Ausschließungsgründe taxativ aufgezählt sind und nach ständiger Rechtsprechung eine Ausdehnung auf andere als die in den §§ 67 ff StPO ausdrücklich angeführten Gründe im Wege der Analogie nicht in Betracht kommt (EvBl 1992/33, 1988/153 und die dort angeführte Literatur und Judikatur).

Als Verfahrensmangel (Z 5) moniert der Beschwerdeführer zunächst, daß seinem in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungsantrag betreffend den Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes nicht stattgegeben worden sei (27/III).

Der Verteidiger hatte indes insoweit in der Hauptverhandlung ausdrücklich nur den schon früher eingebrachten (auf die Mitwirkung des Vorsitzenden in gleicher Funktion im Verfahren gegen Walter V*****, AZ 16 Vr 885/94 des Landesgerichtes Feldkirch gestützten) Ablehnungsantrag wiederholt, der bereits mit Beschluß des Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch vom 5.Jänner 1995 (ON 82) abgewiesen worden war. Wurde aber einem vor der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungsantrag nicht Folge gegeben und wird dieser Antrag - trotz unveränderter Sachlage - in der Hauptverhandlung nur erneuert, kann dessen (abermalige) Abweisung im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit (§ 74 Abs 3 StPO) der Entscheidung über die Ablehnung nicht aus § 345 Abs 1 Z 5 (§ 281 Abs 1 Z 4) StPO bekämpft werden (SSt 52/29). Wie bereits dargelegt, ist ein Richter, der an der (abgesonderten) Verurteilung eines Tatbeteiligten oder Hehlers mitgewirkt hat, deshalb weder von der Verhandlung und Urteilsfällung gegen einen weiteren Beteiligten/Täter der Vortat ausgeschlossen (SSt 36/67; ÖJZ-LSK 1976/320) noch auch allein aus diesem Grund von vornherein als befangen (im Sinn des § 72 StPO) anzusehen, weshalb die aus diesem Grund erfolgte Ablehnung des Vorsitzenden auch sachlich unbegründet war.

Aus der Z 5 des § 345 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer ferner die Abweisung (201/III) seiner in der Hauptverhandlung vom 11.Jänner 1995 gestellten Anträge (199/III) auf

1. Einvernahme des Herbert W***** als Zeugen "zum Beweis dafür, daß entgegen seiner Aussage der Angeklagte ihm kein Geld weder aus Darlehen noch aus vorenthaltenen Provisionen oder sonst einem Rechtsgrund schuldet und er den Angeklagten auch nie aufgefordert hat, ihm die offene Forderung zurückzuzahlen",

2. Einvernahme der Zeugin Eveline C***** zum Beweis dafür, "daß Nihat G***** entgegen seinen heutigen Angaben in der Hauptverhandlung nicht wie von ihm behauptet um 9.30 Uhr, sondern bereits um 8 Uhr, somit vor dem Zeitpunkt des Banküberfalls, das Haus verlassen hat",

3. "Untersuchung der bei Gericht erliegenden und vom Täter getragenen Handschuhe, in denen sich zwingend Schweißspuren bzw Hautspuren befinden müssen und Anstellung einer chemischen und genetischen Vergleichsuntersuchung mit dem Angeklagten zum Beweis dafür, daß sich in den Handschuhen keine Spuren des Angeklagten befinden, obwohl dies zwingend der Fall sein mußte, wenn er den Banküberfall begangen hätte", und

4. Ausforschung, Ladung und Einvernahme des in der Anzeige vom 13. Juni 1994 angeführten Informanten zum Beweis "der Unschuld des Angeklagten".

Abgesehen davon, daß sich die Beschwerdeausführungen zu den Beweisanträgen 1, 2 und 4 lediglich im generellen Hinweis auf deren Eignung, ein weiteres verwertbares Ergebnis zu erzielen, erschöpfen, wurden durch das bekämpfte Zwischenerkenntnis aus folgenden Gründen Verteidigungsrechte nicht verkürzt:

Entgegen den Beschwerdeausführungen kann dem Beweisantrag laut Punkt 3 ein Begehren auf Beiziehung eines Sachverständigen nicht entnommen werden. Abgesehen davon, daß die Argumentation in der Verfahrensrüge solcherart über das - der Relevanzprüfung zugrunde zu legende - Beweisthema (in der Hauptverhandlung) hinausgeht, hätte für den Angeklagten und seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung ohnehin die Möglichkeit bestanden, eine ihnen insoweit wünschenswert erschienene Klärung in Ausübung des Fragerechtes (gemäß § 249 Abs 1 StPO) gegenüber dem als Sachverständigen anwesenden Vorstand des Instituts für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck Univ.Prof.Dr.S herbeizuführen, der in dieser Hauptverhandlung ein Gutachten über spurenkundliche Untersuchungen an aus den Täterschuhen gesicherten Haaren erstattet hat (185 ff/II) iVm ON 48). Im übrigen hätte es nicht zuletzt auch angesichts der im Akt erliegenden Lichtbilder - darstellend den von der Raumüberwachungskamera fotographierten Täter (bei Ausführung der Raubtat), der "Autofahrerhandschuhe" trägt (291, 293/II) - und der vom Sachverständigen Dr.Sch aufgrund anthropologischer Vergleichsuntersuchungen in seinem Gutachten dargestellten Identität des Angeklagten mit dem von der Raumüberwachungskamera festgehaltenen Täter (167 ff/III iVm ON 64), der Angabe konkreter Gründe bedurft, aus denen erwartet werden kann, daß die Durchführung des beantragten Beweises tatsächlich das behauptete Ergebnis haben werde.

Den Beweisanträgen 1 und 2 hinwieder mangelt - wie das Erstgericht im Ergebnis gleichfalls zu Recht erkannt hat - ein relevantes Beweisthema. Der angestrebte Nachweis, daß der Angeklagte dem Zeugen W***** - entgegen dessen Angaben vor der Sicherheitsbehörde (343/I) - kein Geld schulde und von ihm auch nicht aufgefordert wurde, die offene Forderung zurückzuzahlen, liegt zwar auf der Linie der Verantwortung des Angeklagten, keine finanziellen Probleme gehabt zu haben (101/I, 167/I f, 57/III), betrifft jedoch lediglich die Frage nach dem Motiv zur Tatbegehung, sodaß unter zusätzlicher Berücksichtigung der sich aus der Aktenlage ergebenden anderweitigen Schulden (341/I, 67/III f) des Angeklagten, das Beweisbegehren von vornherein nicht geeignet war, die den Geschworenen bei Fällung des Zwischenerkenntnisses durch die Gesamtheit der bereits vorgelegenen Beweisresultate vermittelte Sach- und Rechtslage wesentlich zu verändern und hiedurch den Wahrspruch zu beeinflussen (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 345 Z 5 Nr 8). Dies gilt auch für den unter 2. gestellten Beweisantrag. Denn abgesehen davon, daß die Zeugin Eveline C***** in ihrer Aussage vor der Sicherheitsbehörde am 16. Juni 1994 angegeben hat, daß sie zwar der Meinung gewesen sei, daß Nihat G***** gegen 8 Uhr aufgestanden und zu seiner Mutter gefahren sei, sie selber aber, nachdem sie ihn geweckt habe, sofort wieder eingeschlafen sei (429/I), - somit nach ihren Angaben keine eigenen Wahrnehmungen zum Zeitpunkt des Weggehens des Nihat G***** gemacht hat - ist aus dem Beweisantrag nicht erkennbar, inwiefern die begehrte Beweisaufnahme für die Schuldfrage von Bedeutung sein soll. Der Angeklagte, der sich nach seiner eigenen Verantwortung am Tag des Raubüberfalles (10.Juni 1994) vormittag allein in St.Gallen aufgehalten hat (35/III f), hat gar nicht behauptet, daß der Zeuge Nihat G***** ihn betreffende Wahrnehmungen am Vormittag des Tattages gemacht habe, sodaß nicht ersichtlich ist, welche Rolle der Beantwortung der Frage, ob Nihat G***** am Tag des Banküberfalles das Haus der Zeugin C***** um 8 Uhr oder um 9.30 Uhr verlassen hat, bei Klärung der Schuldfrage zukommen soll. Der unter Punkt 4 gestellte Beweisantrag schließlich läßt die gebotene Spezifizierung vermissen. Denn nach der Aktenlage hat der in der Anzeige vom 13.Juni 1994 angeführte Informant den Hinweis auf den Angeklagten P***** als Alleintäter gegeben (7, 9/I), sodaß mangels Darlegung im Beweisantrag, weshalb dieser Zeuge dennoch "die Unschuld" des Angeklagten beweisen können sollte, das Begehren auf Aufnahme eines bloßen Erkundungsbeweises hinausläuft (Mayerhofer-Rieder aaO § 345 Z 5 E 13; § 281 Z 4 E 88 ff).

Auch unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten im Verfahren vor dem Geschworenengericht wurden somit durch die Abweisung der in Rede stehenden Anträge Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verkürzt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird der hiefür gemäß §§ 285 i, 344 StPO zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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