OGH 6Ob1043/94

OGH6Ob1043/944.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1.) Verein***** 2.) Institut *****,***** beide vertreten durch Dr.Alfred Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, wider die beklagten und Gegner der gefährdeten Parteien 1.) Friederike V*****, Referentin für Weltanschauungsfragen,***** 2.) Er*****, beide vertreten durch Dr.Erich Ehm, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufes und Veröffentlichung sowie Einstweiliger Verfügung (Streitwert im Provisorialverfahren S 1,000.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 12.September 1994, AZ 5 R 180/93 (ON 55), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Parteien wird gemäß §§ 402 und 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs bekämpft in weiten Teilen den als bescheinigt angenommenen Sachverhalt. Dieser wurde aber nicht ausschließlich auf Grund der vorgelegten Urkunden, sondern auch in Verbindung mit den Aussagen mehrerer vernommener Auskunftspersonen ermittelt (6 Ob 650/93 verst Senat). Soweit die inkriminierten Tatsachenbehauptungen nicht neutral und nicht rufschädigend sind und daher nicht unter § 1330 ABGB fallen, wurde deren Bescheinigung als wahr in allen inkriminierten Punkten angenommen.

Gerade in einer ideologischen Auseinandersetzung über Weltanschauungen (vgl Impressum der Broschüre) die weitgehend von persönlichen Werturteilen bestimmt ist und die von den klagenden Parteien gegenüber anders Denkenden in der Öffentlichkeit mit allem Nachdruck geführt wird, muß das Recht auf freie Meinungsäußerung auch in scharfer und pointierter Form einen hohen Stellenwert haben. Auch wenn eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB keine strafgesetzliche Tatbestandsmäßigkeit erfordert, so ist bei der Verbreitung einer wahren Tatsache die Rechtswidrigkeit nur dann zu bejahen, wenn die Interessen des anderen unnötig verletzt werden (Kränken, Verspotten) und kein überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit oder der des Mitteilungsempfängers vorliegt. Selbst wenn man einzelne inkriminierte Stellen der Broschüre in anderem Zusammenhang als Ehrenbeleidigung qualifizieren könnte, so muß der katholischen und evangelischen Kirche ein berechtigtes Interesse an umfassender Information ihrer mit der Lehre betrauten Personen - und an diese richtet sich die Broschüre im wesentlichen - über neue weltanschauliche und "sektiererische" Strömungen zugestanden werden. Alle Tatsachenbehauptungen aus welchen die Werturteile "sektiererische Strömungen, Psychosekte, der Ablauf folgt dem Muster stalinistischer Kaderprozesse, totalitäre Gruppe" abgeleitet wurden, wurden als bescheinigt angenommen. Soweit in diesen Schlußfolgerungen und Wertungen, die den Boden einer sachlichen Kritik nicht verlassen, überhaupt eine Ehrenbeleidigung der sich als wissenschaftliche Vereine gerierenden Kläger erblickt werden könnte, kommt den Beklagten jedenfalls ein Rechtfertigungsgrund zu. Sowohl die Mitteilenden als auch die Empfänger der Mitteilungen hatten auf Grund ihrer Stellung im öffentlichen Leben und ihrer Zielsetzungen ein berechtigtes Interesse das bei einer Abwägung mit den Interessen der Kläger an der Nichtverbreitung jedenfalls überwiegt.

Stichworte