OGH 3Ob529/95(3Ob530/95)

OGH3Ob529/95(3Ob530/95)26.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Kinder

1. F*****, und 2. M*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie 4., 5. Bezirk, Wien 4., Favoritenstraße 18, wegen Gewährung eines Unterhaltsvorschusses, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters A*****, vertreten durch Dr.Walter Panzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 29.Dezember 1994, GZ 43 R 1013, 1014/94-24, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien je vom 25.Oktober 1994, GZ 2 P 160/94-11 und 12, bestätigt wurden, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die Anträge der Kinder vom 20.10.1994, ihnen auf Grund der einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.8.1994, GZ 2 P 160/94-1, einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von je S 1.400 zu gewähren, werden abgewiesen."

Text

Begründung

Die beiden minderjährigen Kinder stellten in einem einheitlichen Schriftsatz zunächst den Antrag, ihren Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 1.900 und S 1.400 zu verpflichten, und im Anschluß daran den Antrag, ihm durch einstweilige Verfügung die Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von je S 1.400 aufzutragen.

Das Erstgericht traf hierauf in der Urschrift folgende Entscheidung:

"1. Bewilligungsstampiglie grün auf ON 1 (nur EV); 2. Gleichschrift

ON 1 mit RS blau an KV zur Stellungnahme binnen 14 Tagen. Beisatz:

'Im Falle Ihrer Nichtäußerung wird angenommen, daß Sie dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzen.'"

Dem Vater der Kinder wurde eine Gleichschrift des von den Kindern eingebrachten Schriftsatzes zugestellt, auf der am Ende die allgemeine Bewilligungsstampiglie gemäß § 147 Abs 1 lit a Geo abgedruckt war. Zugleich erhielt er ein Blatt, dem folgendes zu entnehmen war: "Beisatz: In der Pflegschaftssache ... wird Ihnen eine Gleichschrift der ON 1 übermittelt und gleichzeitig werden Sie zur Stellungnahme binnen 14 Tagen aufgefordert. Im Falle Ihrer Nichtäußerung wird angenommen, daß Sie dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzen."

Der Vater der Kinder erstattete innerhalb der ihm gesetzten Frist eine Äußerung, in der er beantragte, den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Die Kinder stellten den Antrag, ihnen einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von je S 1.400 zu gewähren, weil der Vater innerhalb eines Monats ab der Zustellung der einstweiligen Verfügung keinen Unterhalt geleistet habe.

Das Erstgericht bewilligte die Anträge der Kinder.

Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses des Vaters die Beschlüsse des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zugelassen werde. Die Kinder hätten durch Erklärung ihres Vertreters gemäß § 11 Abs 2 UVG nachgewiesen, daß der Vater nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung keinen Unterhalt geleistet habe.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Vater gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes dem Wortlaut des § 4 Z 5 UVG nicht entspricht; er ist auch berechtigt.

Gemäß § 4 Z 5 UVG, auf den die Anträge der Kinder und auch die Beschlüsse der Vorinstanzen gestützt werden, sind Unterhaltsvorschüsse zu gewähren, wenn der Unterhaltsschuldner den vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO nicht innerhalb eines Monats ab Zustellung der einstweiligen Verfügung an ihn voll erbringt. Der Vater macht hiezu in seinem Revisionsrekurs mit Recht geltend, es dürfe nicht davon ausgegangen werden, daß ihm die einstweilige Verfügung schon zugestellt worden sei, und er hat darauf im übrigen auch schon in seinem Rekurs hingewiesen. War zwar der Urschrift des Beschlusses des Erstgerichtes mit noch hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß damit antragsgemäß eine einstweilige Verfügung gemäß § 382a EO erlassen wurde und daß sich die Aufforderung zur Stellungnahme nur auf den im Schriftsatz der Kinder noch enthaltenen Antrag auf Bemessung des Unterhalts bezog, so traf dies auf die dem Vater zugestellte Ausfertigung des Beschlusses nicht zu. Es ging daraus nämlich nicht hervor, welcher der beiden Anträge bewilligt wurde, und es war auch unklar, welche Bedeutung der Aufforderung zur Stellungnahme zukam. Der Vater der Kinder konnte unter diesen Umständen nicht ausschließen, daß er noch zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung Stellung nehmen könne, und er war dieser Meinung, wie seine Stellungnahme zeigt, offensichtlich auch.

Weicht die den Parteien zugestellte Ausfertigung von der gefällten Entscheidung ab, so ist dies gemäß § 419 Abs 1 ZPO (hier in Verbindung mit § 430 ZPO und § 402 Abs 4 und § 78 EO) zu berichtigen. Mit der Zustellung der berichtigten Ausfertigung beginnt eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen, es sei denn, daß der Rechtsmittelwerber keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruchs haben konnte (RZ 1983/5; Miet 33.652; EF 27.794 ua). Ähnlich muß aber auch für § 4 Z 5 UVG gelten, daß die Zustellung einer von der Urschrift abweichenden Ausfertigung des gerichtlichen Beschlusses nur dann als Zustellung der einstweiligen Verfügung angesehen werden kann, wenn der Empfänger keinen Zweifel am Inhalt der ihm zugestellten Ausfertigung haben konnte. Da dies hier aber nicht der Fall war, wurde dem Vater die einstweilige Verfügung über die Gewährung des vorläufigen Unterhalts noch nicht zugestellt und es sind daher die im § 4 Z 5 UVG für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt.

Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben, ohne daß auf die übrigen darin enthaltenen Ausführungen eingegangen werden muß.

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