OGH 3Ob528/95

OGH3Ob528/9526.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache 1. der am 31.8.1988 geborenen Ramona N***** und 2. des am 13.1.1991 geborenen Rene N*****, ***** vertreten durch DDr.Manfred Nordmeyer und Dr. Widukind W.Nordmeyer, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterhalts, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der Kinder gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 1.Februar 1995, GZ 21 R 16,17/95-116, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 7.Dezember 1994, GZ 2 P 23/92-112, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

1. Der angefochtene Beschluß wird teilweise dahin abgeändert, daß er unter Einbeziehung des rechtskräftig gewordenen Teiles zu lauten hat:

"Manuela G***** ist schuldig, ab 1.4.1994 ihrer Tochter Ramona N***** einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.500 und ihrem Sohn Rene N***** einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.350 zu Handen des Vaters Gerhard N***** zu bezahlen, wobei die bereits fällig gewordenen Unterhaltsbeträge innerhalb von 14 Tagen und die in Zukunft fällig werdenden Unterhaltsbeträge am Ersten eines jeden Monats im vorhinein zu zahlen sind.

Das Mehrbegehren, ab 1.4.1994 der Tochter Ramona einen weiteren Unterhaltsbetrag von S 800 und dem Sohn Rene ein weiteren Unterhaltsbetrag von S 1.950 im Monat zu bezahlen, wird abgewiesen."

2. Soweit mit dem angefochtenen Beschluß und dem Beschluß des Erstgerichtes das Begehren des Kindes Ramona auf Bezahlung eines Unterhaltsbetrages von S 1.000 und für das Kind Rene von S 850 im Monat jeweils für die Zeit vom 1.2.1992 bis 31.3.1994 und jeweils zuzüglich zu den für diesen Zeitraum rechtskräftig zuerkannten monatlichen Unterhaltsbeträge von je S 500 abgewiesen wurde, werden die angeführten Beschlüsse aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der schon getrennt lebenden Eltern der am 31.8.1988 geborenen Ramona und des am 13.1.1991 geborenen Rene wurde am 3.2.1992 geschieden. Die beiden Kinder wurden nach der Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft der Eltern im Haushalt des Vaters betreut, dem auch die Obsorge für sie zukommt.

Die am 15.5.1957 geborene Mutter der Kinder ist seit August 1992 wieder verheiratet. Ihr Ehemann verdient unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen durchschnittlich etwa S 15.000 im Monat. Die Mutter der beiden Kinder hat keinen Beruf erlernt und arbeitete vor der Scheidung ihrer mit dem Vater der Kinder geschlossenen Ehe zeitweise als Verkäuferin oder als Hilfsarbeiterin. Seit April 1994 bezieht sie als Hausbesorgerin unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ein monatliches Nettoeinkommen von S 8.914. Sie betreut in ihrem Haushalt noch einen am 9.1.1980 geborenen Sohn, für den sie einen Unterhaltsvorschuß von S 3.732 im Monat erhält.

Der Vater der Kinder verdient durchschnittlich S 15.000 netto im Monat. Er hat für ein am 21.2.1985 geborenes Kind einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000 zu leisten.

Die Kinder stellten den Antrag, ihre Mutter schuldig zu erkennen, ihnen ab 1.2.1992 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je S 2.300 zu bezahlen.

Das Erstgericht erkannte die Mutter unter Abweisung des Mehrbegehrens schuldig, den Kindern ab 1.2.1992 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je S 500 zu bezahlen. Ausgehend davon, daß die Mutter ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 9.000 erzielen könne, hielt es die angeführten Unterhaltsbeträge für angemessen.

Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses der Kinder diesen Beschluß des Erstgerichtes, soweit den Kindern damit für die Zeit vom 1.2.1992 bis 31.5.1994 ein monatlicher Unterhaltsbetrag von je S 500 zuerkannt wurde, und änderte ihn im übrigen dahin ab, daß es die Mutter unter Abweisung des Mehrbegehrens schuldig erkannte, ab 1.6.1994 ihrer Tochter Ramona S 1.300 und ihrem Sohn Rene S 1.100 im Monat an Unterhalt zu bezahlen. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Unterhaltsanspruch der Tochter betrage nach der Prozentmethode 17 % und jener des Sohnes 15 % des Nettoeinkommens der Mutter, was rechnerisch einen Betrag von S

1.500 und S 1.350 ergebe. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (SZ 63/88) finde aber die Belastbarkeit des Unterhaltsschuldners zumindest dann, wenn der Regelbedarf nicht erreicht werde, in jenem Betrag eine Grenze, der ihm auch im Fall der exekutiven Durchsetzung des Unterhaltstitels nach § 6 LPfG verbleiben müsse. Dieser Bestimmung entspreche nunmehr § 291 b EO idF der EO-Nov 1991. Da die Unterhaltsschuldnerin für ihren zweiten Sohn keinen Geldunterhalt leisten müsse, sei hier somit der aus der Tabelle 2 c der ExminV 1994/40 sich ergebende Betrag von S 6.521,25 maßgebend. Die Mutter könne im Hinblick auf ihr Einkommen von S 8.914 im Monat daher nur mit etwa S 2.400 belastet werden. Dieser Betrag sei auf die beiden Kinder verhältnismäßig aufzuteilen, was seit der Aufnahme der Berufstätigkeit der Mutter als Hausbesorgerin die zuerkannten Unterhaltsbeträge ergebe. Für die davor liegende Zeit habe es bei den den Kindern vom Erstgericht zugesprochenen Unterhaltsbeträgen von je S 500 im Monat zu verbleiben. Wenn man von der dargelegten Belastbarkeitsgrenze ausgehe, entspreche dies einem Einkommen von S

7.500 im Monat. Auf ein höheres Einkommen könne die Mutter aber keinesfalls angespannt werden, weshalb ergänzende Erhebungen über konkrete Bemühungen der Mutter, während der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit einen Arbeitsplatz zu finden, unterbleiben könnten.

Diesen Beschluß des Rekursgerichtes bekämpfen die Kinder mit außerordentlichem Revisionsrekurs, soweit der Unterhalt nicht ab 1.2.1992 für Ramona mit S 1.500 und für Rene mit S 1.350 im Monat festgesetzt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Kinder ist zulässig, weil das Rekursgericht von der im nachfolgenden angeführten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; er ist auch berechtigt.

Die Entscheidung SZ 63/88, auf die sich das Rekursgericht beruft, sah als Grenze für die Belastbarkeit des Unterhaltsschuldners den nach § 6 LPfG maßgebenden unpfändbaren Freibetrag an. Diese Bestimmung wurde aber mit der am 1.3.1992 in Kraft getretenen EO-Nov 1991 BGBl 628 aufgehoben und kann daher für die nach diesem Zeitpunkt entstandenen Unterhaltsansprüche nicht mehr herangezogen werden. An ihre Stelle ist nunmehr § 291b EO idF der EO-Nov 1991 getreten, in dessen Abs 2 für die Exekution zur Hereinbringung gesetzlicher Unterhaltsansprüche das Existenzminimum mit 75 % des gemäß § 291a EO für andere Exekutionen geltenden unpfändbaren Freibetrages festgesetzt wurde. Diese Regelung kann aber entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht einfach auf Unterhaltsansprüche angewendet werden, die nach dem Inkrafttreten der EO-Nov 1991 entstanden sind. § 291a EO entspricht § 5 LPfG. Während nach dieser Bestimmung in der zuletzt maßgebenden Fassung der Verordnung BGBl 1988/128 der unpfändbare Freibetrag S

3.700 im Monat betrug, wurde schon der allgemeine Grundbetrag des unpfändbaren Freibetrags durch die EO-Nov 1991 auf S 6.500 angehoben und es wurden außerdem noch erhöhte allgemeine Grundbeträge geschaffen (§ 291a Abs 1 bis 3 EO). Es ist offenkundig, daß diese Erhöhung nicht bloß auf eine Steigerung der Lebenshaltungskosten zurückgeht, und es ergibt sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der EO-Nov 1991 (181 BlgNR 18. GP 29), daß durch die Erhöhung auch die Schmälerung des Pfändungsschutzes für künftig nicht mehr unpfändbare Einkommensteile, insbesondere für das Urlaubsentgelt, ausgeglichen werden sollte. Schon dies verbietet es, bei der Frage der Belastbarkeit des Unterhaltsschuldners von den unpfändbaren Freibeträgen des § 291a EO auszugehen. Noch schwerer wiegt aber, daß nunmehr im § 292b Z 1 EO idF der EO-Nov 1991 die angemessene Herabsetzung des unpfändbaren Freibetrages für den Fall vorgesehen ist, daß laufende gesetzliche Unterhaltsforderungen durch die Exekution nicht zur Gänze hereingebracht werden können. Sind aber für die Exekution zur Hereinbringung des Unterhaltsanspruchs die nach § 291b Abs 2 EO geltenden unpfändbaren Freibeträge nicht unbedingt maßgebend, so muß dasselbe auch für die Festsetzung des Unterhaltsanspruchs gelten.

Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits in der Entscheidung vom 21.9.1993, 10 Ob 505/93, ausgesprochen, daß die Grenze des § 291b EO im Hinblick auf § 292b EO bei der Unterhaltsbemessung nicht als Untergrenze der Belastung des Unterhaltsschuldners herangezogen werden dürfe. Die Unterhaltsbemessung könne vielmehr darüber hinausgehen, doch sei zu berücksichtigen, daß der Unterhaltspflichtige nicht so weit belastet werden dürfe, daß er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre. Eine ähnliche Auffassung hat er in der Folge in den Entscheidungen vom 30.11.1993, 8 Ob 605/93, und vom 4.10.1994, 4 Ob 556/94, vertreten. Der erkennende Senat schließt sich der in diesen Entscheidungen vertretenen Rechtsansicht an; sie kann dahin zusammengefaßt werden, daß sich die Belastbarkeit des Unterhaltsschuldners im allgemeinen nach jenem Betrag richtet, mit dem der unpfändbare Freibetrag nach § 292b Z 1 EO festzusetzen wäre (so ausdrücklich schon 2 Ob 569/94 = ÖJZ-LSK 1995/50). Dem Unterhaltsschuldner muß demnach soviel verbleiben, wie er für seinen eigenen notwendigen Unterhalt benötigt, also ein Betrag, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig ist (RZ 1994/57).

Geht man von diesen Überlegungen aus, so steht den Kindern ab dem Zeitpunkt, ab dem die Mutter als Hausbesorgerin beschäftigt ist, der sich aufgrund der Prozentmethode ergebende Unterhaltsanspruch, den sie in ihrem Revisionsrekurs ausdrücklich als richtig ansehen, ungekürzt zu. Der Mutter verbleiben nämlich nach Abzug der von ihr zu leistenden Unterhaltsbeträge noch S 6.064 im Monat, ein Betrag, der als zur Befriedigung des notwendigen Unterhalts ausreichend angesehen werden kann. Er liegt im übrigen nur um etwa S 600,- unter jenem Betrag, der gemäß § 291b Abs 2 EO pfändungsfrei wäre (vgl die entgegen der Meinung des Rekursgerichtes maßgebende Tabelle 2a m der Anlage 2 zur ExminV 1994 BGBl 40, wobei abweichend vom Rekursgericht auch die Sorgepflicht für den von der Unterhaltsschuldnerin im eigenen Haushalt betreuten Sohn zu berücksichtigen ist [Heller/Berger/Stix III 2016; Mohr aaO 60]).

Die Unterhaltsschuldnerin hat die Beschäftigung als Hausbesorgerin nach den - vom Rekursgericht nicht geänderten - Feststellungen des Erstgerichtes im April 1994 und nicht - wie das Rekursgericht offenbar irrtümlich angenommen hat - im Juni dieses Jahres aufgenommen. Den Kindern steht daher schon ab 1.4.1994 ein Unterhaltsanspruch in der im Revisionsrekurs geltend gemachten Höhe zu, weshalb die angefochtene Entscheidung in diesem Sinn zu ändern war. Für die davor liegende Zeit ist die Sache jedoch noch nicht zur Entscheidung reif, weil Feststellungen zur Frage fehlen, ob und in welcher Höhe die Unterhaltsschuldnerin im Sinn des Anspannungsgrundsatzes (vgl SZ 63/74 ua) aufgrund einer ihr zumutbaren Erwerbstätigkeit Einkünfte hätte erzielen können. Diese Feststellungen, die das Rekursgericht aufgrund einer nicht zu billigenden Rechtsansicht für entbehrlich angesehen hat, wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben. Dabei wird insbesondere zu klären sein, warum sie die in der Zeit vom 28.4.1993 bis 19.11.1993 ausgeübte Beschäftigung wieder aufgegeben hat. Für Februar 1992 wird dabei allerdings noch von der Belastbarkeitsgrenze nach den Grundsätzen der Entscheidung SZ 63/88 auszugehen sein.

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