OGH 11Os24/95

OGH11Os24/9525.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.April 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Haubenwallner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann Engelbert H***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 17. November 1994, GZ 34 Vr 1191/94-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthaltenden) Urteil wurde Johann Engelbert H***** (zu A/1-8) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Deliktsfall und 15 StGB sowie der Vergehen (zu B/1-7) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und (zu C/1 und 2) des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Salzburg in der Zeit von 17. bis 27.April 1994 (zusammengefaßt dargestellt)

A/1-8) gewerbsmäßig in zwölf Fällen den im Spruch des Ersturteils genannten Personen fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich Handtaschen samt Inhalt bzw Geldbörsen, beinhaltend Bargeld von zusammengerechnet rund 17.000 S, Kfz-Stempelmarken, Kosmetikartikel, Zigaretten sowie diverse Schlüssel mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist;

B/1-7) Urkunden, die er anläßlich der oben genannten Diebstähle an sich gebracht hatte und über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten der im Ersturteil näher bezeichneten Personen gebraucht werden;

C/ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachangeführte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu nachangeführten Handlungen verleitet, durch welche die Genannten an ihrem Vermögen geschädigt wurden, und zwar

1. Verfügungsberechtigte des Hotels ***** unter der Vorgabe, ein zahlungsfähiger und -williger Gast zu sein, zum Ausschank von Bier im Wert von 32 S und

2. Verfügungsberechtigte der R*****, unter der Vorgabe, G***** zu heißen, sowie unter Vorweisung der R*****-Kundenkarte des Norbert G*****, wobei er auf dem Kassenauszahlungsbeleg dessen Unterschrift fälschte, zur Auszahlung eines Betrages von 10.000 S, somit unter Verwendung einer falschen Urkunde, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf die Gründe der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die in keinem Punkt berechtigt ist.

Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung am 22. September und 17.November 1994 gestellten Beweisanträge. Zunächst wurde vom Verteidiger nach Ergänzung des (schriftlichen) Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof.Dr.M***** (ON 42) in der Hauptverhandlung vom 22.September 1994 (S 29 ff/II) die Einholung eines "schriftpsychologischen" Gutachtens zum Beweis dafür beantragt (S 49/II), daß "anhand der Unterschriften auf Seiten 115 f, 117 f, ON 6 und 225 f, die durch den Angeklagten geleistet wurden, zu den Zeitpunkten, aus denen die Protokolle datiert sind, eine nachvollziehbare psychomotorische Problematik gegeben war und somit der Angeklagte zu den genannten Zeitpunkten nicht zurechnungsfähig war" (S 49/II). In der sodann am 17.November 1994 fortgesetzten Hauptverhandlung, in welcher der genannte Sachverständige sein Gutachten - unter Berücksichtigung aller weiteren Verfahrensergebnisse - ergänzt hat (S 115 ff, 127 ff), wurde von der Verteidigung der weitere Antrag gestellt, "zum Beweis dafür, daß sich der Angeklagte zu den Tatzeitpunkten auf Grund von Medikamentenmißbrauch in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden habe, einen anderen Sachverständigen mit der Gutachtenerstellung zu beauftragen" (S 127/II).

Das Schöffengericht hat diese Beweisanträge (mit den Beschlüssen vom 22. September 1994 S 49, 51/II und vom 17.November 1994 S 137/II sowie Nachtrag in den Urteilsgründen US 21 f) abgewiesen, wobei es seine Zwischenerkenntnisse zum einen damit begründete, daß selbst die Beantwortung der Frage, inwieweit beim Angeklagten zum Zeitpunkt der jeweiligen Unterschriftsleistung auf den anläßlich seinen Vernehmungen hergestellten Protokollen vor der Sicherheitsbehörde oder dem Gericht eine "nachvollziehbare psychomotorische Problematik" gegeben gewesen sein sollte, keine verläßlichen Rückschlüsse auf den psychischen Zustand des Angeklagten im jeweiligen Tatzeitpunkt zulassen würde; zum anderen brachte es hinsichtlich der Abweisung des Beweisantrages vom 17.November 1994 zum Ausdruck, daß das Gutachten des Sachverständigen Dr.M***** entgegen den Behauptungen der Verteidigung weder unbestimmt noch dunkel und auch nicht in sich widersprechend sei, zumal der Sachverständige zu den insoweit behaupteten Widersprüchen aufklärend Stellung genommen habe und im übrigen das Gericht den Zustand des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten und nicht zu einer späteren Zeit zu beurteilen habe, wofür Aussagen von Zeugen zur Verfügung stünden, deren Beurteilung auf Glaubwürdigkeit dem erkennenden Senat im Rahmen der Beweiswürdigung zukomme.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde durch die Ablehnung dieser Beweisanträge, wie das Schöffengericht zutreffend erkannte, eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten nicht bewirkt.

Der Sache nach zielten beide Anträge (im Ergebnis) auf Beiziehung eines zweiten Sachverständigen zu einem Beweisthema ab, zu dem bereits das (sowohl schriftlich erstattete als auch in der Hauptverhandlung am 22.September und 17.November 1994 jeweils mündlich aufrecht erhaltene und ergänzte) Gutachten des Sachverständigen Dr.M***** vorlag (vgl abermals ON 42 iVm S 29 ff, 115 ff, 127 ff/II). Ein zweiter (psychiatrischer) Sachverständiger ist aber nur dann beizuziehen, wenn der Befund des bereits beigezogenen Sachverständigen dunkel, unbestimmt oder mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen im Widerspruch stehend ist oder sich zeigt, daß dessen Gutachten Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen werden können, und wenn sich die Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung dieses Sachverständigen beseitigen lassen (§§ 125, 126 StPO) oder wenn die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen wegen der Schwierigkeit der Begutachtung erforderlich ist (vgl § 118 Abs 2 StPO), wobei als schwierig eine Begutachtung in der Regel nur dann angesehen werden kann, wenn der beigezogene Sachverständige die ihm vom Gericht vorgelegten Sachfragen entweder gar nicht oder doch nicht mit Bestimmtheit zu beantworten vermochte (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 118 ENr 66 ff). Keiner dieser Fälle ist aber vorliegend gegeben. Der Verteidiger hat zwar in der Hauptverhandlung am 17.November 1994 derartige Mängel des Gutachtens behauptet und insoweit ins Treffen geführt, daß die Angaben Dris.M***** über die im Gutachten aufgezeigten Möglichkeiten des Einflusses auf die Art der Unterschriftenleistung durch den Angeklagten widersprüchlich seien und der von dem als Zeugen vernommenen Anstaltsarzt Dr.M***** geschilderte "erschreckende Zustand" des Angeklagten (bei der Einlieferung) nur auf Grund eines Harnanalyseverfahrens mit beim Angeklagten nach der Verhaftung aufgetretenen Entzugssymptomen in Verbindung gebracht werden dürfe. Insoweit hat jedoch der Sachverständige, der den Angeklagten bereits seit Jahren kennt und nunmehr die vierte Begutachtung psychischen Zustandes vorgenommen hat (S 437/I, 119/II), keinen Zweifel daran gelassen, daß er in seinem Gutachten zur Erklärung des vom Zeugen Dr.M***** geschilderten Zustandes des Angeklagten, der dem genannten Arzt (nach der am 27. April 1994 erfolgten Festnahme) am 28.April 1994 vorgeführt worden war (S 17, 19/II), die (Vielzahl der) Möglichkeiten (wie Entzug, verspätete Medikamentenwirkung, körperliche Erkrankung, Stoffwechselstörungen udgl) aufgezeigt habe, welche die vom Anstaltsarzt festgestellte Symptomatik ausgelöst haben konnten. Der Sachverständige Dr.M***** ist jedoch auf Grund sämtlicher Ergebnisse des Beweisverfahrens zum Ergebnis gelangt, daß der Angeklagte zu den jeweiligen Tatzeitpunkten zurechnungsfähig gewesen ist, wobei diese Zurechnungsfähigkeit allerdings durch eine höhergradige Persönlichkeitsstörung des Angeklagten, seine Medikamentenabhängigkeit im Rahmen einer Suchterkrankung und den aktuellen Medikamenteneinfluß (allenfalls auch leichte Alkoholeinfluß) beeinträchtigt war. Der Gesamtheit dieser Befundaufnahme und Begutachtung durch den genannten Sachverständigen setzt der Angeklagte im Ergebnis lediglich die behaupteten Auffälligkeiten im Schriftbild der von ihm im Zuge seiner Vernehmungen geleisteten Unterschriften entgegen. Mängel der in den §§ 125, 126 StPO bezeichneten Art oder Umstände, die für eine besondere Schwierigkeit der Befundung oder Begutachtung sprechen - das heißt also, daß der beigezogene psychiatrische Sachverständige die Sachfragen entweder gar nicht oder nicht mit Bestimmtheit zu beantworten vermocht hätte (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 68) - werden damit in der Beschwerde in Wahrheit nicht aufgezeigt. Die Frage aber, ob ein Gutachten ausreichend und schlüssig ist, bleibt als Beweisfrage der Beurteilung durch die Tatsacheninstanz vorbehalten (Mayerhofer-Rieder aaO § 126 ENr 1). Erachtet demnach das Gericht den vernommenen Sachverständigen - wie vorliegend - für befähigt, ein einwandfreies Gutachten über den Fall abzugeben und treten keine Bedenken der in §§ 125 f StPO angeführten Art, insbesondere dahin, daß der vom Sachverständigen erstellte Befund keine tragfähige Grundlage für den Regeln der Wissenschaft (oder Sachkunde) entsprechende Schlußfolgerungen abgeben könnte, zutage, so liegt in der Abweisung des Antrages auf Beiziehung eines zweiten Sachverständigen ein Akt freier Beweiswürdigung vor, der im Nichtigkeitsverfahren nicht anfechtbar ist (13 Os 172/87; 15 Os 75/87; 14 Os 43/90).

Hinzu kommt, daß - wie das Schöffengericht zutreffend erkannte - die von der Verteidigung im Beweisantrag herangezogenen Unterschriften Vernehmungen betreffen, die vom Angeklagten am 19.April 1994 mehr als vier Stunden nach der Tatbegehung laut Faktum I/A/3 (S 115 f/I), am 21. April 1994 während einer Vernehmung (von 8.45 Uhr bis 10.10 Uhr), zu welcher er ladungsgemäß erschienen war (S 117 f/I), ferner vor dem Untersuchungsrichter in der Zeit vom 28.April bis 10.Juni 1994 (ON 6) und am 29.April 1994 während einer Vernehmung (von 9.45 Uhr bis 10.25 Uhr) geleistet wurden, wobei er bei diesen Vernehmungen in der Lage war, zu den ihm angelasteten Tathandlungen detaillierte Angaben insbesondere über Tatzeit und Tatort zu machen.

Soweit die Beschwerde im Rahmen der Verfahrensrüge, aber auch in der Mängelrüge (Z 5) ins Treffen führt, das Schöffengericht habe in den Urteilsgründen bei Erörterung der in Rede stehenden Unterschriften des Angeklagten auch auf solche Bedacht genommen, die vom Angeklagten erst nach der Urteilsverkündung geleistet wurden, ist ihr zwar einzuräumen, daß das Gericht bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen hat, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Dieser dem Erstgericht insoweit unterlaufene Fehler bewirkt jedoch vorliegend keine Nichtigkeit, weil die davon betroffenen Unterschriftsleistungen - wie sich nicht zuletzt auch aus der Wortfolge "nebenbei sei bemerkt" (siehe US 21 ff) ergibt - nur als zusätzliches illustratives Begründungsargument herangezogen wurden und die fragliche (wie oben dargelegt zudem nicht entscheidungswesentliche) Annahme durch die übrigen Verfahrensergebnisse allein mängelfrei begründet wird (9 Os 186/80; 12 Os 152/84).

Entgegen dem weiteren Vorbringen in der Mängelrüge hat sich das Schöffengericht auch mit der Aussage des Zeugen Dr.M***** ausdrücklich auseinandergesetzt (US 21), dessen Bekundungen im übrigen auch im Gutachten des Sachverständigen Dr.M***** entsprechenden Niederschlag gefunden haben. Von einer unvollständigen bzw unzureichenden Begründung kann daher insoweit keine Rede sein.

Mit der weiteren Behauptung, die Urteilsfeststellungen zum subjektiven Tatbestand der Urkundenunterdrückung (C) seien unzureichend begründet, übergeht der Beschwerdeführer die aus dem äußeren Tatgeschehen (Diebstahl von Geldbörsen) nachvollziehbar abgeleiteten Schlußfolgerungen auf das Vorliegen der subjektiven Komponenten einschließlich des Gebrauchsverhinderungsvorsatzes (US 11 f, 13, 33 und 34/II). Soweit die Beschwerde aber die Bedeutung, die der Schöffensenat einzelnen Verfahrensergebnissen beimaß, einer Kritik unterzieht, bekämpft sie bloß unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz nach Art einer Schuldberufung.

Letzteres gilt auch für den Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe die Widersprüche zwischen der Aussage der Zeugin W***** in der Hauptverhandlung und ihrer Darstellung im Text einer Karte, die sie am 28.April 1994 an den Angeklagten gerichtet habe, unvollständig gewürdigt. Im Gegensatz zur Beschwerdebehauptung geht das angefochtene Urteil ausdrücklich auf den Text der bezughabenden Karte und die dazu von der Zeugin anläßlich ihrer Vernehmung gegebene Interpretation ein und legt mit ausführlicher Begründung dar, weswegen es welchen Angaben der Zeugin dennoch folgen zu können glaubte (US 25).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufung wird demnach das hiefür zuständige Oberlandesgericht Linz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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