OGH 5Ob512/95

OGH5Ob512/9525.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei A*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Rainer-Maria Schilhan, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Erich R*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Johannes Hock sen. und Dr.Johannes Hock jun., Rechtsanwälte in Wien, wegen S 61.046,40 (Klage) und S 148.090,40 (Widerklage) infolge außerordentlicher Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6.Juli 1993, GZ 11 R 104/93-103, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 15.Jänner 1993, GZ 12 Cg 228/89-92, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in der Hauptsache, soweit sie die Entscheidung über die Wiederklage betreffen, sowie im Kostenpunkt zur Gänze aufgehoben.

Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die klagende und widerbeklagte Partei (im folgenden "klagende Partei" genannt) begehrt - nach dem Stand des Verfahrens am Schluß der mündlichen Streitverhandlung - vom Beklagten und Widerkläger (im folgenden "Beklagter" genannt) die Zahlung des der Höhe nach außer Streit gestellten Betrages von S 61.046,40 s.A. (ON 46, AS 164) mit der Begründung, sie habe als Generalunternehmer bei Errichtung der Wohnhausanlage in ***** S*****, Leistungen um den Rechnungsbetrag von S 1,207.196,40 erbracht, worauf der eingeklagte Betrag noch aushafte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage mit der im ersten Revisionsverfahren (5 Ob 591, 592/89) nur noch relevanten Begründung, die klagende Partei habe ihre Verpflichtung zur Schaffung des für Reihenhäuser vorgeschriebenen Schallschutzes nicht erfüllt. Die Forderung der klagenden Partei sei daher zufolge außergerichtlicher Aufrechnung mit einem Teil der dem Beklagten gebührenden Preisminderung erloschen.

Überdies erhob der Beklagte Widerklage, in der er von der klagenden Partei die Zahlung von S 148.090,40 sA. begehrte. Die klagende Partei habe bei Errichtung des Objektes die der ÖNorm B 8115 entsprechenden Schallschutzbestimmungen nicht eingehalten. Die Kosten der unbedingt erforderlichen Sanierungsarbeiten betrügen S 89.140,80, würden aber dennoch nicht die Herstellung der vereinbarten Luftschalldämmung bewirken, so daß auch eine Preisminderung von vorläufig 10 % des Werklohnes (S 124.916,-) dem Beklagten zu ersetzen sei. Nach Abzug des von ihm zurückbehaltenen Betrages von S 65.966,40 ergebe dies S 148.090,40.

Die klagende Partei wendete ein, die von ihr vorgnommene Schallisolierung entspreche der Baubewilligung und der Vereinbarung der Parteien. Sie bestritt das Begehren des Beklagten auch der Höhe nach.

Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang der Klage statt und wies die Widerklage ab. Es stellte folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Am 28.Juni 1983 schloß die klagende Partei mit dem Beklagten als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ***** (nunmehr EZ *****) der KG ***** einen Bauvertrag ab, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

"1) Aufgrund der Baubewilligung vom 26.Mai 1983 und des dazu

errichteten Einreichplanes sowie der einen integrierenden Bestandteil

dieses Vertrages bildenden Baubeschreibung erteilt der Auftraggeber

der A***** den unwiderruflichen Auftrag, das im Einreichplan mit Nr.2

bezeichnete Haus im Namen und auf Rechnung des Autraggebers zu

errichten ................ Bei Errichtung des Reihenwohnhauses, an

welchem später Wohnungseigentum begründet werden soll, hat die A*****

die gültigen technischen ÖNormen einzuhalten .............

5.) Die Urkunden, Einreichplan, Baubescheid samt Niederschrift über die Verhandlung, Baubeschreibung bilden einen integrierenden Bestandteil des Vertrages."

Die klagende Partei hatte seinerzeit mit Prospekten, Preislisten etc. für die strittige Wohnhausanlage geworben und dabei den Begriff "Reihenwohnhaus" verwendet, weil sie überzeugt war, daß dieser Begriff allgemein verständliche sei. Am Tag der Unterfertigung des Bauvertrages hatte der Beklagte Kenntnis von den im Vertrag genannten Urkunden, insbesondere vom Einreichplan und vom Baubescheid samt Verhandlungsschrift. Im Baubewilligungsbescheid wird darauf verwiesen, daß das beiliegende Protokoll über die Bauverhandlung einen wesentlichen Teil des Bescheides bildet. Im Verhandlungsprotokoll heißt es unter Punkt 5.) der Auflagen u.a.:

"Wohnungstrennwände müssen hinsichtlich des Schallschutzes der Tabelle 5 der ÖNorm B 8115 Teil 2 entsprechen".

Die Wohnungstrennwand zwischen der Wohnung des Beklagten und der Nachbarwohnung entspricht hinsichtlich ihrer Schalldämmung (nur) dem in der ÖNorm B 8115 Teil 2 geforderten Wert von 55 dB.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß auf Grund der eindeutigen Formulierung des Punktes 5.) in den Auflagen des Bescheides vom 26. Mai 1983 die mindesterforderliche Normalschallpegeldifferenz zwischen den beiden Reihenhauswohnungen 55 dB zu betragen habe. Da dieser vertraglich vereinbarte Pegel von der klagenden Partei eingehalten worden sei, müsse dem Klagebegehren Folge und der Widerklage keine Folge gegeben werden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück (5 Ob 591, 592/89). Er überband den Vorinstanzen dabei folgende Rechtsansicht:

Bei den von der klagenden Partei errichteten Bauten handle es sich um Reihenhäuser. Die klagende Partei habe sich im Bauvertrag zur Einhaltung der gültigen technischen ÖNormen verpflichtet. Die für den Schallschutz maßgebende ÖNorm B 8115, Ausgabe 1.Juli 1981, sehe im Teil 2 Tabelle 5 zwischen Reihenhäusern eine Normschallpegeldifferenz von mindestens 60 dB vor. Dieser Verpflichtung sei die klagende Partei nicht nachgekommen, sodaß der vom Beklagten letztlich geltend gemachte Preisminderungsanspruch grundsätzlich berechtigt sei, zu dessen Höhe aber Feststellungen fehlten.

Im zweiten Rechtsgang brachte der Beklagte vor, (ON 64), daß auch durch die Sanierungsarbeiten keine vertragskonforme Schalldämmung erreicht werden könne, sondern nur eine spürbare Verbesserung. Die begehrte Preisminderung sei daher auch noch nach Durchführung der Verbesserungsarbeiten zusätzlich angemessen. Das Klagebegehren werde daher auch auf Schadenersatz gestützt (ON 86).

Das Erstgericht hat daraufhin das Klagebegehren mit S 61.046,40 und das Begehren in der Widerklage mit S 61.000,- als zu Recht bestehend und den Beklagten "daher" schuldig erkannt, der klagenden Partei S 46,40 s.A. binnen 14 Tagen zu zahlen, jedoch das Mehrbegehren der Widerklage auf Bezahlung von S 87.090,40 abgewiesen.

Das Erstgericht traf unter anderem folgende ergänzende Feststellungen:

Zwischen den "Häusern 2 und 4" dieser Reihenhausanlage erfüllt der Schallschutz entsprechend einer Schallpegeldifferenz von 54 dB nicht die normgemäße Anforderung von 60 dB.

Die Bedeutung eines ausreichenden Schallschutzes in Wohngebäuden, welche mehr als nur einen Wohnungsverband umfassen, liegt in der Gewährleistung der Vermeidung von Schlafstörungen, Störungen der Privatheit der Wohnsphäre, der Vermeidung von Konzentrationsstörungen infolge der Informationshaltigkeit von Geräuschen aus benachbarten Raumverbänden.

Eine akustische Störwirkung ist zu erwarten, wenn sich Geräusche (infolge ihrer Lautstärke und/oder ihrer Frequenzzusammensetzung) über den Geräuschpegel hinaus erheben oder sich von diesem abheben und als Widerspruch zur (momentanen oder langfristigen) Intention des Betroffenen erlebt werden.

Die Wahrnehmungsschwelle hängt sowohl von der Schallpegeldiffernz (zwischen Stör- und Grundgeräuschpegel) und der Frequenzzusammensetzung der Stör- und Grundgeräuschpegel einerseits als auch von der Aufmerksamkeit (Aufmerksamkeitshaltung) der betroffenen Menschen anderseits ab.

Bei hoher Aufmerksamkeitshaltung liegt die Unterscheidungsschwelle bei nur 1 bis 2 dB. Geringere Aufmerksamkeit läßt die Unterscheidungsschwelle auf ] 2 dB bis 5 dB ansteigen.

Anderseits wird Aufmerksamkeit (oder Zuwendung) erfahrungsgemäß bei überraschenden (auch sehr leisen!) Einzelgeräuschen und bei besonderer Informationshaltigkeit der Geräusche geradezu erzwungen.

Die Informationshaltigkeit ist besonders hoch, wenn das Geräusch bestimmten, bekannten Quellen (in Nachbarwohnungen) zuordenbar ist.

Die Erwartung einer größeren Häufigkeit von Einzelgeräuschen (aus der Umgebung) in Mehrfamilienhäusern einerseits und die größere Unsicherheit der Zuordenbarkeit von Einzelgeräuschen zu bestimmten Quellen in 2, 4 oder mehr Nachbarwohnungen anderseits beraubt Einzelgeräusche des Überraschungseffektes und vermindert (oder eliminiert) deren Informationshaltigkeit.

Insgesamt ist daher die Wahrscheinlichkeit der akustischen Störung bzw. der Grad dieser Störung im Reihenhaus - gleiche Schallpegeldifferenz und gleiches Wohnverhalten vorausgesetzt - höher.

Die Verminderung des Schallschutzes vom normgemäßen Wert (Reihenhaus: Dnw kleiner oder gleich 60 dB) um mindestens 5 dB bedeutet eine signifikante Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der akustischen Störung der oben beschriebenen Art und entspricht damit auch einer Verminderung des "Nutzwertes" dieses Objektes. Dieser Nutzwert kann auch als Teilaspekt des Gesamtnutzwertes (oder humanökologischen Nutzwertes) des Objektes verstanden werden.

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine Nutzwertänderung zufolge einer signifikanten Steigerung der Wahrscheinlichkeit akustischer Störung.

Die Verminderung des Nutzwertes im gegenständlichen Reihenhaus infolge der Verminderung des Schallschutzes zwischen den Raumverbänden (Wohnung 2 und Wohnung 4) wird in folgender Weise bewertet:

Änderung des Dnw-Wertes von mindestens 60 dB auf mindestens 55 dB:

Nutzwertabstrich 5 %; von mindestens 60 dB auf weniger als 52 dB:

Nutzwertabstrich 10 %.

Wenn auch eine Verbesserung der Schalldämmung im Reihenhaus des Beklagten machbar ist, so ist selbst nach so einer vorgenommenen Verbesserung keinesfalls garantiert, daß die normgemäße Schalldifferenz erreicht wird. Als Preisminderungsanspruch kommt vorliegendenfalls 5 % der gesamten Leistungsvereinbarung in Frage.

Rechtlich gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, ausgehend von dem (unbestrittenen) Rechnungsbetrag von S 1.207.196,40 stünde dem Beklagten (im Mittel) 5 % als Preisminderung zu, gerundet sohin S 61.000,-. Durch Sanierungsarbeiten könne zwar eine "spürbare" Verbesserung des Schallschutzes bewirkt werden, doch sei der Mangel insgesamt als unbehebbar anzusehen. Dem Zuspruch von Sanierungskosten stünde entgegen, daß nur eine "geringfügige" Verbesserung erzielt und dem Beklagten nicht zusätzlich noch ein Preisminderungsanspruch von 5 % der Leistungssumme zuerkannt werden könnte.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es die in der Klage und in der Widerklage gestellten Urteilsbegehren mit je eigenen vollständigen Urteilssprüchen erledigte (Klage: Stattgebung S 46,40 s.A., Abweisung: S 61.000,-

s. A.; Widerklage: gänzliche Abweisung).

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, die es als ausreichend erachtete, weil aus rechtlichen Gründen Feststellungen über die Kosten der Verbesserung der Schalldämmung entbehrlich seien, und führte rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Soweit der Beklagte davon ausgehe, die von der klagenden Partei geltend gemachte Forderung sei im Hinblick darauf nach wie vor nicht fällig, daß die klagende Partei ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Herstellung der Schallpegeldifferenz von 60 dB nicht nachgekommen sei, könne ihm nicht beigepflichtet werden. Bestehe der Käufer eines Reihenhauses auf Behebung behebbarer Mängel und nehme er deshalb das Leistungsverweigerungsrecht für den restlichen aushafteten Kaufpreis in Anspruch, so könne er grundsätzlich das gesamte noch aushaftende Entgelt bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrages, somit bis zur Verbesserung der mangelhaften Leistung, zurückbehalten, weil das Zurückbehaltungsrecht den Zweck habe, die Erlangung einer einwandfreien Leistung zu sichern und den Vertragspartner zur umgehenden Verbesserung zu veranlassen. Fordere er hingegen wie im vorliegenden Fall Entgeltminderung, so könne er naturgemäß die mangelnde Fälligkeit des nach Abzug des Minderungsbetrages verbleibenden restlichen Kaufpreises nicht geltend machen (MietSlg 32.118).

Im übrigen habe der Beklagte dem Klagsanspruch aus dem Titel der nicht ordnungsgemäßen Herstellung der Schalldämmung einen Wertminderungsanspruch im Sinne des § 1167 ABGB entgegengesetzt. Der Betrag der Minderung ergebe sich, wie das Erstgericht zutreffend erkannt habe, aus dem Verhältnis des Wertes, den das fehlerlose Werk gehabt hätte, zu dem Wert des mangelhaften Werkes. Diesen Unterschied habe das Erstgericht aufgrund des Sachverständigengutachtens mit 5 % ermittelt, wobei das Erstgericht - ebenso wie im übrigen der Beklagten in seiner Widerklage - vom ursprünglich vereinbarten Werklohn ausgegangen sei. Ein Eingehen auf die erstmals in der Berufung enthaltenen Ausführungen, der Käufer könne Preisminderung auch (nur) um den Betrag der Verbesserungskosten fordern, erübrige sich im Hinblick darauf, daß der Beklagte eine solche Behauptung im erstinstanzlichen Verfahren ebenso nicht aufgestellt habe, wie jene, er habe die klagende Partei zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes aufgefordert.

Soweit der Beklagte, obwohl er durch die Geltendmachung der Preisminderung auf die mängelfreie Erfüllung durch die klagende Partei verzichtet habe, die Kosten der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes fordere, könne er ein solches Verlangen nicht im Rahmen des Gewährleistungsanspruches auf Minderung des Entgeltes stellen. Eine solche Möglichkeit hätte nur im Falle der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches bestanden (SZ 26/261).

Beim Werkvertrag bestünden jedenfalls Gewährleistungsrechte und Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung in voller Konkurrenz nebeneinander. Der Besteller könne noch nach Ablauf der Gewährleistungspflicht, jedoch innerhalb der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB vom Unternehmer das Erfüllungsinteresse fordern, sofern die Mängel auf dessen rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zurückzuführen seien (JBl 1990, 648). Als Schadenersatz seien dann die Verbesserungskosten zuzubilligen (JBl 1992, 245 mwN). Ein solches Begehren, das sich nach den allgemeinen Voraussetzungen der Schadenersatzpflicht richte, sei aber in erster Instanz nicht schlüssig erhoben worden. Der Beklagte habe es vielmehr unterlassen, Behauptungen darüber, die Mängel seien auf das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der klagenden Partei zurückzuführen, aufzustellen. Die Ermittlung der Verbesserungskosten sei somit zu Recht unterblieben; auch die Aufhebung durch den Obersten Gerichtshof im ersten Rechtsgang sei ausschließlich zur Feststellung der Höhe des Preisminderungsanspruches, den der Oberste Gerichtshof für grundsätzlich berechtigt erklärte, erfolgt.

Der Berufung des Beklagten sei daher ein Erfolg zu versagen und das angefochtene Urteil mit der aus dem Spruch ersichtliche Maßgabe zu bestätigen gewesen. Dies aus dem Grunde, weil die der Forderung der klagenden Partei bereits durch außergerichtliche Aufrechnung entgegengesetzte und in der Widerklage nicht mehr geltend gemachte Entgeltminderung von S 61.000,- zur Abweisung der Klage habe führen müssen und auch die Widerklage prozessual eine selbständige Klage sei, die dem Beklagten und Widerkläger einen von der Vorklage völlig unabhängigen Rechtsschutz gewähre; die Entscheidung über eine mit Widerklage geltend gemachten Forderung sei nicht mit der Höhe der Forderung der Vorklage begrenzt, sondern erwachse im vollen Umfang des Urteilsantrages, der zur Gänze zu erledigen sei, in Rechtskraft (Fasching III 576).

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten insoweit, als dessen Widerklage abgewiesen wurde, mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Widerklage stattgegeben werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen; in eventu möge ihr nicht Folge gegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil das

Urteil des Berufungsgerichtes die schadenersatzrechtliche Komponente

des Begehrens nicht behandelt, obgleich der Beklagte sein Begehren

ausdrücklich (auch) auf Schadenersatz stützte. Schon das Vorbringen

in der Widerklage selbst läßt eine Beurteilung auch unter

schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten zu. Auch fehlt - unter dem

Gesichtspunkt des in der Entscheidung des verstärkten Senates (JBl

1990, 648) ausgedrückten Grundsatzes der Konkurrenz von

Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen - eine Rechtsprechung

zu der hier entscheidungswesentlichen Frage, ob der Werkunternehmer

als Verbesserungsaufwand die Kosten einer gegenüber dem Werkvertrag

unvollständigen Reparatur (aus dem Titel des Schadenersatzes) tragen

und zusätzlich die Preisminderungsansprüche des Bestellers erfüllen

muß, wenn eine vollständige Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

b) Zur Sachentscheidung:

Seit der Entscheidung des verstärkten Senates (SZ 63/37 = JBl 1990,

648) ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß der Werkbesteller auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, jedoch innerhalb der Verjährungszeit des § 1489 ABGB, vom Unternehmer das Erfüllungsinteresse verlangen kann, sofern die Mängel auf dessen rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zurückzuführen sind. § 1298

ABGB ist auch diesbezüglich anzuwenden, wonach demjenigen, der vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner (hier) vertragsmäßigen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden gehindert worden sei, der Beweis hiefür obliegt. Der Widerkläger, der seinen aus nicht genügender Schalldämmung zum Nachbarhaus abgeleiteten Anspruch - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - auch auf Schadenersatz stützte (ON 86), vorgetragen laut Protokoll (ON 87), war daher nicht verpflichtet, konkretes Vorbringen zum Verschulden des Werkunternehmers zu erstatten. Erst die erfolgreiche - hier gar nicht erhobene - Einrede des Werkunternehmers würde diesen von seiner Haftung befreien (vgl Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 8 zu § 1298 mwN).

Auch auf die Verjährungsfrage ist in diesem Verfahrensstadium nicht mehr Bedacht zu nehmen, weil die Verjährung nur über Einrede zu berücksichtigen ist, eine solche Einrede aber im Verfahren erster Instanz nicht erhoben wurde.

Wegen der erst nachträglichen ausdrücklichen Geltendmachung des Schadenersatzanspruches ist es auch nicht von Bedeutung, daß der Oberste Gerichtshof im ersten Rechtsgang den Sachverhalt nur unter dem Gesichtspunkt der Preisminderung behandelte.

Es ist also das schon bei der Begründung der Zulässigkeit der Revision aufgezeigte Problem streitentscheidend, ob überhaupt bzw in welchem Umfang Preisminderung (im Rahmen der Gewährleistung) und Schadenersatz wegen desselben Mangels (nicht ausreichender Schallisolation) nebeneinander geltend gemacht werden können. Ferner wird zu beurteilen sein, wie sich die Berücksichtigung des auf Basis des derzeit gegebenen Mangels geltend gemachten Preisminderungsanspruches durch Aufrechnung gegen die eingeklagte Werklohnforderung auf die mit Widerklage geltend gemachten Kosten der bloß teilweise möglichen Mängelbehebung auswirkt, wenn das Begehren auf Ersatz der Kosten bloß teilweiser Mängelbehebung berechtigt sein sollte, dies aber zur Folge hätte, daß wegen des verbleibenden unbehebbaren Mangels entweder gar keine oder nur noch eine geringere Preisminderung als die bereits zuerkannte berechtigt wäre.

Der erkennende Senat hat hiezu folgendes erwogen:

Grundsätzlich ist die gleichzeitige Geltendmachung von Preisminderung und Schadenersatz ausgeschlossen, weil durch die Reduktion des Entgeltes auch die mangelhafte Erfüllung "saniert" wird: Der Schuldner des Werklohnes muß eben wegen der Mangelhaftigkeit nur ein geringeres Entgelt leisten. Erhielte er außerdem die mangelfreie Leistung oder - bei Untunlichkeit der Naturalrestitution - ihren Wert in Geld, so wäre er zweifellos bereichert. Der Berechtigte kann aber selbstverständlich den Schadenersatz wählen, wenn ihm dieser vorteilhafter erscheint (Welser, Schadenersatz statt Gewährleistung 39).

Hingegen können Preisminderung und Erfüllungsinteresse dann nebeneinander begehrt werden, wenn und soweit der Werkbesteller dadurch nicht bereichert wird (JBl 1990, 792, im Ergebnis gebilligt von Welser, aaO). Dabei braucht in der hier zu beurteilenden Rechtssache nicht näher untersucht werden, ob der fiktive Verbesserungsaufwand gefordert werden kann, ohne daß dem Werkunternehmer vorher Gelegenheit zur Verbesserung gegeben wurde (so ecolex 1993, 377 mit kritischer Anmerkung von Welser), weil der Werkunternehmer eine (hier überdies bloß teilweise mögliche) Verbesserung nach seinem Prozeßstandpunkt, er habe ohnedies korrekt erfüllt, ablehnt. Es besteht daher kein Hindernis, daß vom Werkbesteller als Schadenersatz der Verbesserungsaufwand begehrt werden kann (so auch das Berufungsgericht unter Hinweis auf JBl 1992, 245 mwN).

Schon vor der Entscheidung des verstärkten Senates wurde die Kumulierung von Verbesserungsbegehren und Preisminderung auch für den Fall ein und desselben Mangels anerkannt, wenn dieser Mangel nur

teilweise behebbar ist (Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 15 zu § 932 unter Hinweis auf JBl 1984, 203 - Autolackierung). In der hier

gegebenen Rechtssache wird der Verbesserungsanspruch, gerichtet auf Ersatz der Kosten der (mit zumutbaren Mitteln) bloß teilweise möglichen Verbesserung (Erhöhung der Schalldämmung), durch den Schadenersatzanspruch ersetzt, wogegen für den dann noch verbleibenden Mangel (Differenz zur ordnungsgemäßen Schalldämmung) dem Werkbesteller ein Preisminderungsanspruch zusteht. Durch die Erfüllung des Schadenersatz- und des Preisminderungsanspruches des Werkbestellers im aufgezeigten Umfang tritt im Regelfall keine Bereicherung des Werkbestellers ein.

Hat der Werkbesteller Anspruch auf Verbesserung und ist er wegen Ablehnung der Verbesserung berechtigt, die für die Verbesserung erforderlichen fiktiven Kosten zu begehren, so findet ein derartiges aus der Schlechterfüllung eines Werkvertrages abgeleitetes Schadenersatzbegehren seine Grenze auch nicht im Ausmaß der objektiven Wertminderung des mangelhaften Werkes gegenüber dem mangelfreien, weil der Besteller Anspruch darauf hat, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Unternehmer die ihm obliegende Erfüllung ordnungsgemäß erbracht hätte (ecolex 1993, 377).

Die hiezu kritisch geäußerte Meinung Welser's (ecolex 1993, 378), der Kläger könne in einem solchen Fall höchstens die Differenz zwischen dem objektiven Wert der mangelhaften und dem objektiven Wert der mangelfreien Leistung verlangen, ist nicht überzeugend, weil der Schaden gerade darin liegt, daß der Werkbesteller hier einen Aufwand machen muß und zumindest müßte, um nachträglich eine dem Unternehmer obliegende Verbesserungspflicht zu erfüllen. Wie sich die Verbesserungspflicht nicht an der Wertdifferenz von mangelhaftem und mangelfreiem Werk orientiert, sondern nur an der - wenn auch bloß wirtschaftlichen - Unmöglichkeit der Verbesserung, die nicht schon bei Überschreiten der genannten Differenz gegeben ist, kann sich auch der aus der Nichterfüllung der Verbesserungspflicht abgeleitete Schadenersatzanspruch nicht an dieser Wertdifferenz orientieren (vgl Zur wirtschaftlichen Unmöglichkeit Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 932 mwN).

Es könnte allerdings sein, daß die hier dem Beklagten bereits im Wege der außergerichtlichen Aufrechnung zugekommene Preisminderung (berücksichtigt bei der rechtskräftig gewordenen Erledigung der Klage betreffend die Werklohnforderung) höher ist, als diejenige Preisminderung, die nach Zuerkennung des fiktiven Verbesserungsaufwandes ausgehend von der dadurch bewirkten (oder doch anzunehmenden) Verbesserung der Schalldämmung für den verbleibenden Mangel angemessen wäre. Zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung des Beklagten dadurch, daß die Summe der ihm einerseits im Wege der Aufrechnung unter dem Titel der Preisminderung und andererseits nunmehr durch Stattgebung seiner Wiederklage (betreffend Schadenersatz und weitere Preisminderung) zugekommenen bzw zukommenden Beträge höher ist als der letztlich bloß als Schadenersatz und verbleibende Preisminderung für den bestehenbleibenden Mangel gebührende Gesamtbetrag ist es erforderlich, daß der Widerklage gegebenenfalls nur insoweit stattgegeben wird, als durch die bereits erfolgte Aufrechnung und den stattgebenden Teil über die Widerklage der Gesamtbetrag aus Verbesserungsaufwand und restlicher Preisminderung nicht überschritten wird. Diese Vorgangsweise ist trotz Rechtskraft des über die Klage in der Hauptsache ergangenen Urteiles berechtigt, weil es sich letztlich um einen unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten geltend gemachten, aus dem Mangel des hergestellten Werkes abgeleiteten Anspruch des Beklagten handelt, der zum Teil eben schon zur Abwehr der gegen ihn geltend gemachten Werklohnforderung erfolgreich verwendet wurde.

Aus den aufgezeigten Gründen sind Feststellungen über die Höhe des Verbesserungsaufwandes und die Höhe der möglicherweise zusätzlich berechtigten Preisminderung für den unbehebbaren Teil des Mangels erforderlich. Dies hat die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen über die Widerklage in der Hauptsache und der ganzen Kostenentscheidung zur Folge, weil letztere nur einheitlich über Klage und Widerklage getroffen wurde, sodaß nach derzeitigem Verfahrensstand dem Obersten Gerichtshof die Aufrechterhaltung einer bloß die Klage betreffenden Kostenentscheidung mangels Vorliegens einer gesonderten derartigen Kostenentscheidung nicht möglich ist. Das Erstgericht wird daher das Urteil über die Klage durch eine gesonderte Kostenentscheidung zu ergänzen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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