OGH 9ObA20/95

OGH9ObA20/9512.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Bauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Mag.Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Brigitta F*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Barbara John-Rummelhardt und Dr.Günther R.John, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Hans S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 175.667,15 S brutto abzüglich 53.100 S netto sA (Revisionsstreitwert 174.617,18 S), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Oktober 1994, GZ 32 Ra 46/94-15, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1.Dezember 1993, GZ 8 Cga 50/93t-7, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem klagestattgebenden Teil als Teilurteil bestätigt.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster, zweiter und dritter Instanz wird der Endentscheidung vorbehalten.

Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in ihrem klageabweisenden Teil und im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 12.Februar 1990 bis 14.Jänner 1993 als Buchhalterin bei der beklagten Partei beschäftigt. Sie war nach dem Dienstvertrag vom 12.Februar 1990 in die Gehaltstafel a, Gehaltsgebiet Wien, Beschäftigungsgruppe 4c, im 22.Berufsjahr gemäß dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs (im folgenden: KV) eingestuft. Das monatliche Gehalt wurde mit 18.000 S festgesetzt. Ferner wurde ab dem Abschluß 1991 jährlich ein Monatsgehalt als Bilanzgeld vereinbart. Als der Betrieb der beklagten Partei vom 16. in den 23.Bezirk übersiedelte, wurde allen aus dem

16. Bezirk anreisenden Arbeitnehmern ein Fahrgeld von S 50 pro Arbeitstag zugesichert. Die Klägerin hat Anspruch auf 30 Werktage Urlaub und davon nichts verbraucht. In Punkt 10 des Dienstvertrages wurde vereinbart, daß offene Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bei sonstigem Verfall innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit beim Arbeitgeber schriftlich geltend zu machen seien.

Als der Geschäftsführer der beklagten Partei Hans S***** verstarb, übernahm seine Gattin Heike S***** die Geschäftsführung; die Klägerin übernahm damals zusätzlich die Lohnverrechnung. In der zweiten Hälfte des Jahres 1992 gewährte die Geschäftsführerin der Klägerin ein Darlehen. Die Geschäftsführerin der beklagten Partei war mit dem Lohnverrechnungswesen nicht vertraut, überprüfte aber doch die zu überweisenden Arbeitsentgelte nach besten Kräften. Die Klägerin nahm die Position Bilanzgeld in der Höhe von 20.300 S brutto in die Abrechnung für den November 1992 auf und ermittelte als Auszahlungsbetrag 48.307,41 S netto. Die Position Bilanzgeld ist in der Abrechnung für den Monat November an letzter Stelle ausdrücklich angeführt. Diese Belege wurden im Ordner "Lohnverrechnung" für die Geschäftsführerin zugänglich und auffindbar aufbewahrt.

Am 8.Jänner 1993 kündigte die beklagte Partei das Dienstverhältnis der Klägerin, die sich im Krankenstand befand, zum 15.März 1993 auf. Am 14.Jänner 1993 wurde die Klägerin mit der Begründung entlassen, daß sie sich das Bilanzgeld eigenmächtig bereits im November 1992 ausbezahlt habe. Ob die Klägerin mit der Geschäftsführerin der beklagten Partei die vorzeitige Auszahlung des Bilanzgeldes bereits mit dem November-Gehalt 1992 vereinbarte, kann nicht festgestellt werden.

Die Klägerin begehrte den Zuspruch von 175.667,15 S brutto abzüglich 53.100 S netto samt 4 % Zinsen seit 4.März 1993 (Einschränkung des Zinsenbegehrens AS 31) und brachte vor, daß sie zu Unrecht entlassen worden sei. Darüber hinaus sei sie nicht entsprechend dem Kollektivvertrag entlohnt worden; das kollektivvertragliche Mindestentgelt in der Beschäftigungsgruppe 4 ab dem 18.Berufsjahr habe ab 1.Jänner 1990 18.495 S, ab 1.Jänner 1991 19.700 S, ab 1. Jänner 1992 20.745 S und ab 1.Jänner 1993 21.765 S betragen; tatsächlich habe die Klägerin im Jahre 1990 18.000 S, im Jahre 1991 19.300 S und im Jahre 1992 20.300 S monatlich erhalten; für 1990 ergebe sich eine Differenz von 6.187,50 S, für 1991 eine solche von 5.600 S und für 1992 eine solche von 6.675 S, jeweils brutto (insgesamt daher 18.462,50 S brutto). Für den Zeitraum ab 1.Jänner 1993 machte die Klägerin - teilweise ohne Trennung in entlassungsabhängige und entlassungsunabhängige Ansprüche - auf Basis des bisherigen Entgeltes von 20.300 S 142.000,30 S brutto (darin Kündigungsentschädigung vom 15.Jänner 1993 bis 15.März 1993 inklusive Sonderzahlungen - jedoch ohne anteiliges Bilanzgeld - 47.366,68 S, Abfertigung - offenbar auch inklusive anteiliges Bilanzgeld - 50.750,01 S und Urlaubsentschädigung für 30 Tage von 29.278,80 S) und aus dem Titel der Differenz auf das kollektivvertragliche Mindestgehalt für 1993 von 21.765 S monatlich - offenbar unter teilweise doppelter Verrechnung für den Zeitraum 1.Jänner bis 15.März 1993 - weitere 14.154,35 S und schließlich an Fahrtkostenbeitrag für November 1992 (21 Tage) einen Betrag von 1.050 S brutto geltend. Hievon seien Gehaltsvorschüsse von 56.100 S abzüglich einer geleisteten Rückzahlung von 3.000 S in Abzug zu bringen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Am 14. Jänner 1993 habe die zweite Buchhalterin der beklagten Partei festgestellt, daß sich die Klägerin entgegen der Vereinbarung im Angestelltendienstvertrag das Bilanzgeld im Betrage von 20.300 S brutto schon mit dem Gehalt für November 1992 ausgezahlt habe. Nach Feststellung dieser unkorrekten Vorgangsweise sei eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zumutbar gewesen. Die für den Zeitraum bis 4.März 1990 geltend gemachte Gehaltsdifferenz sei verjährt; darüber hinaus seien gemäß Punkt 10 des Dienstvertrages sämtliche bis 2.Dezember 1992 geforderten Nachzahlungen verfallen.

Die Klägerin brachte ergänzend vor, daß ihr kein Dienstzettel ausgehändigt worden sei. Eine Verkürzung der Verjährungsfrist durch Einzelarbeitsvertrag sei unzulässig.

Die beklagte Partei stellte der Höhe nach folgende auf Seite 3 der Klage (AS 5) genannten Ansprüche außer Streit:

Kündigungsentschädigung vom 15.Jänner 1993 bis 15.März 1993 inklusive Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuß, das geforderte aliquote Bilanzgeld, das Gehalt vom 1.Jänner bis 12.Jänner 1993 und Gehaltsrest vom 13.Jänner bis 14.Jänner 1993 sowie Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuß (für den Zeitraum 1.Jänner bis 14.Jänner 1993). Ferner stellte die beklagte Partei auch die Höhe der für den Zeitraum 12.Februar 1990 bis 31.Dezember 1992 begehrten Differenzbeträge (Punkte 1 bis 3, Seite 5 der Klage, AS 9) außer Streit.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von 154.787,16 S brutto abzüglich 52.100 S netto samt 8 % Zinsen seit 4.März 1993 statt und wies das Mehrbegehren von 19.829,99 S (richtig: 20.879,99 S) brutto ab. Da bereits in der Lohnabrechnung vom November 1992 der Titel Bilanzgeld deutlich ausgewiesen worden sei, sei die Entlassung unberechtigt und darüber hinaus verspätet. Die vorzeitige Überweisung des Bilanzgeldes sei nicht heimlich und nur für sachkundige Buchhalter erkennbar, sondern für den Arbeitgeber offensichtlich erfolgt. Wenn die Geschäftsführerin der beklagten Partei die Lohnabrechnung nicht nachgeprüft habe, könne dies der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Die vertragliche Verfallsklausel erschwere die Geltendmachung der Ansprüche nicht übermäßig und sei daher nicht sittenwidrig; die für den Zeitraum 12.Februar 1990 bis 31.Dezember 1992 geltend gemachten Entgeltdifferenzen seien daher verfallen.

Der Klägerin stünden die für den Zeitraum ab 1.Jänner 1993 geltend gemachten - und zum Teil von der beklagten Partei der Höhe nach außer Streit gestellten - Ansprüche von 142.000,30 S zu (darin die auf Basis eines Gehaltes von 20.300 S, 15x jährlich berechnete Abfertigung von 50.750,01 S und die auf dieser Grundlage berechnete Urlaubsentschädigung für 30 Tage von 29.278,80 S). Sehe man die Klage als schriftliche Geltendmachung an, stünden der Klägerin aus dem Titel der unterkollektivvertraglichen Bezahlung (20.300 S statt 21.765 S brutto monatlich) noch folgende, mit Beendigung des Dienstverhältnisses am 14.Jänner 1993 fällig gewordene Beträge zu:

1. Differenz an Gehalt vom 15.Jänner bis 15.März 1993 1.465 S x 2

2.930,-- S

2. Differenz Bilanzgeld für zweieinhalb Monate

305,-- S

3. Differenzabrechnung (3.362,48 S),

offenbar richtig 3.662,48 S

4. Differenz Kündigungsentschädigung

(3.632,48 S), offenbar richtig 3.662,48 S

5. Differenz Urlaubsentschädigung für

30 Werktage 2.112,90 S

6. Differenz bei aliquotem Anteil an Urlaubs-

entschädigung und Weihnachtsremuneration

(für den Zeitraum 1.Jänner bis 14.Jänner 1993)

114,-- S

Summe 12.786,86 S.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß anstelle eines Betrages von 52.100 S netto ein solcher von 53.100 S netto in Abzug zu bringen ist. Die vertragliche Verfallsklausel sei wirksam. Die Ausstellung eines Dienstzettels habe sich erübrigt, da ein schriftlicher Dienstvertrag abgeschlossen worden sei. Für das Vorliegen eines Entlassungsgrundes sei der Dienstgeber beweispflichtig; die negative Feststellung des Erstgerichtes über die von der Klägerin behauptete Vereinbarung, das Bilanzgeld bereits im November 1992 auszuzahlen, gehe daher zu seinen Lasten. Darüber hinaus sei es zu keiner heimlichen Vermögenszuwendung gekommen, sondern habe die Geschäftsführerin der beklagten Partei jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Aufzeichnungen zu kontrollieren. Jedenfalls sei die Entlassung verfristet, weil die Auszahlung des Bilanzgeldes bereits im November erfolgt, die Entlassung aber erst am 14.Jänner des folgenden Jahres ausgesprochen sei.

Der von der beklagten Partei als Verfahrensmangel gerügte Verstoß des Erstgerichtes gegen § 405 ZPO durch Zuspruch höherer als der begehrten Zinsen (AS 95) wurde vom Berufungsgericht hingegen nicht beachtet, obwohl auch die Klägerin in ihrer Berufungsbeantwortung (AS 117) die Richtigkeit dieses Vorwurfes einräumte.

Gegen dieses Urteil richten die Revisionen beider Parteien.

Die beklagte Partei macht als Revisionsgründe Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; die Klägerin macht als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird von beiden Parteien ein Aufhebungsantrag gestellt.

Beide Parteien beantragen, jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision der Klägerin:

Zu Recht wendet sich die Revisionswerberin gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, die zwischen den Streitteilen vereinbarte Verfallsklausel sei auch wirksam, soweit von der Klägerin eine Unterschreitung des sich aufgrund ihrer Einstufung ergebenden kollektivvertraglichen Mindestentgeltes geltend gemacht wird. Gemäß Art III Z 3 KV ist dem Arbeitnehmer bei Beginn des Dienstverhältnisses seine Einstufung mittels Dienstzettels gemäß § 6 AngG mitzuteilen. Diese Einstufung hat die Einreihung in die zutreffende Gehaltstafel und die Beschäftigungsgruppe sowie das Berufsjahr und Gehaltsgebiet der Gehaltsordnung zu enthalten. Gemäß Abschnitt A (allgemeiner Teil) Punkt 4 der Gehaltsordnung zu diesem KV verjähren Gehaltsansprüche aufgrund von Unstimmigkeiten hinsichtlich der Einstufung mangels Geltendmachung mit Ablauf von zwei Jahren. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 1486 ABGB aufrecht.

Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung Arb 10.976 ausgesprochen hat, ist die Klausel, daß die volle dreijährige Verjährungsfrist nur bei (außergerichtlicher) Geltendmachung der aus Unstimmigkeiten über die Einstufung resultierenden Gehaltsansprüche offensteht, nur im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ausfolgung des die Einstufung enthaltenden Dienstzettels zu sehen, da es erst dieser dem Arbeitnehmer ermöglicht, diese Einstufung und den sich daraus ergebenden kollektivvertraglichen Entgeltanspruch zu überprüfen. Hat daher der Arbeitgeber seine Pflicht zur Bekanntgabe der Einstufung verletzt, kann er sich nicht auf die Unterlassung der fristgerechten außergerichtlichen Geltendmachung durch den Arbeitnehmer berufen.

Zieht man den Zweck der in Abschnitt A Punkt 4 der Gehaltsordnung verfügten zeitlichen Beschränkung der Geltendmachung in Betracht, dann besteht kein sachlicher Grund, Differenzen über die Einstufung anders zu behandeln als Differenzen über die sich aufgrund dieser Einstufung ergebenden kollektivvertraglichen Ansprüche. Die in dieser kollektivvertraglichen Bestimmung genannten "Unstimmigkeiten hinsichtlich der Einstufung" sind daher nicht nur auf die Einreihung in die Gehaltstafel, Beschäftigungsgruppe, das Berufsjahr und das Gehaltsgebiet, sondern auch auf Unstimmigkeiten über das sich aufgrund dieser Einreihung ergebende kollektivvertragliche Entgelt zu beziehen, wobei die zeitliche Beschränkung der außergerichtlichen Geltendmachung auch in diesem Fall nur dann zum Tragen kommen kann, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Ausfolgung des Dienstzettels nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer damit die Prüfung ermöglicht hat, ob die Entlohnung tatsächlich dem Kollektivvertrag entspricht. Da demnach auch für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Nachzahlung des sich aufgrund der unstrittigen Einstufung ergebenden kollektivvertraglichen Entgelts eine kollektivvertragliche Verjährungsregelung besteht, stand den Parteien des Arbeitsvertrages gemäß § 3 Abs 1 ArbVG keine Befugnis zur weiteren Verkürzung der Frist zur Geltendmachung dieser Ansprüche mehr zu (WBl 1994, 340 = RdW 1994, 408 = DRdA 1994, 524 = infas 1994 A 160).

Kommt demnach infolge Unwirksamkeit der einzelvertraglichen Verfallsregelung auf die geltend gemachten Ansprüche die kollektivvertragliche Verjährungsregelung zur Anwendung, dann ist noch zu prüfen, ob der Klägerin statt des in Punkt III 3 KV vorgesehenen Dienstzettels eine Gleichschrift des ihre Einstufung enthaltenden Dienstvertrages ausgefolgt wurde, womit dem Zweck dieser Bestimmung wohl auch ausreichend Rechnung getragen worden wäre. Sollte der Klägerin auch keine Gleichschrift des Dienstvertrages ausgefolgt worden sein, käme die volle dreijährige Verjährungsfrist zum Tragen und wäre lediglich die geltend gemachte Entgeltdifferenz für den Februar 1990 verjährt.

Soweit die Klägerin aber Entgeltdifferenzen für Zeiträume geltend macht, für die nach dem Dienstvertrag das im Kollektivvertrag nicht vorgesehene Bilanzgeld gebührte, wäre auch dieses Entgelt gemäß § 3 Abs 2 ArbVG in den Vergleich einzubeziehen.

Da auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer bisher von keiner Seite vorgebrachten Rechtsansicht überraschen darf (SZ 50/35; SZ 63/67 ua), ist eine Erörterung und allfällige Ergänzung des Beweisverfahrens in erster Instanz erforderlich; in diesem Zusammenhang wird die Klägerin auch zu einer Präzisierung der bisher unerledigten, von ihr noch aufrecht erhaltenen Ansprüche anzuleiten sein (sie hat die Abweisung des gesamten Mehrbegehrens von 19.829,99 S brutto bekämpft, obwohl sich ihre Revision ebenso wie ihre Berufung inhaltlich nur gegen die Abweisung des Anspruches auf Nachzahlung von Entgeltdifferenzen für den Zeitraum vom 12.Februar 1990 bis 31. Dezember 1992 (Seite 5 Punkt 1 bis 3 und Seite 6 Punkt 6 der Klage) richtet.

Der Revision der Klägerin war daher im Sinne des Aufhebungsantrages Folge zu geben.

2. Zur Revision der beklagten Partei:

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Mit ihrer Rechtsrüge, in der sie sich ausschließlich gegen die Beurteilung der Entlassung als unberechtigt wendet, ist die Revisionswerberin auf die zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 48 ASGG).

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Entlassung der Klägerin unberechtigt war, da sie das Bilanzgeld nicht etwa heimlich entnahm, sondern gegenüber der Geschäftsführerin der beklagten Partei in der Lohnabrechnung hinreichend deutlich offenlegte. Auch wenn diese Vorgangsweise nicht ganz korrekt gewesen sein sollte - die Bilanz für 1991 war offenbar im November 1992 nicht ganz fertiggestellt - war sie angesichts der Offenlegung gegenüber der Geschäftsführerin bei Anlegung eines objektiven Maßstabes nicht als so schwerwiegend anzusehen, daß der Dienstgeberin die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wegen der dadurch ausgelösten Erschütterung des Vertrauens nicht mehr zugemutet werden konnte (siehe Arb 10.614; SZ 62/214; RdW 1992, 249; 9 Ob A 216,217/93).

Da die beklagte Partei in der Rechtsrüge der Revision - ebenso wie in der der Berufung - ausschließlich zur Frage der Berechtigung der Entlassung und damit zum Grunde des Anspruches Stellung nimmt, war der Revision der beklagten Partei ein Erfolg zu versagen, ohne auf die Prüfung der Höhe der zuerkannten Ansprüche einzugehen (vgl EvBl 1985/154; Kodek in Rechberger Komm ZPO 1088 f).

Ebensowenig konnte die Nichterledigung der auf § 405 ZPO gestützten Verfahrensrüge bezüglich des Zinsenbegehrens durch das Berufungsgericht vom Obersten Gerichtshof wahrgenommen werden, da der dadurch begründete Mangel des Berufungsverfahrens in der Revision nicht geltend gemacht wurde.

Der Revision der beklagten Partei war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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