OGH 9ObA23/95

OGH9ObA23/9512.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Mag.Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christine D*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Referent *****, dieser vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Club A***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Karl Mathias Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.November 1994, GZ 13 Ra 67/94-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 29.April 1994, GZ 18 Cga 211/92-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.248,64 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 541,44 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses ungeachtet der von der beklagten Partei mit Schreiben vom 11.5.1992 vorgenommenen Kündigung. Sie sei zur Zeit der Kündigung schwanger gewesen, habe dies am 3.6.1992 erfahren und der beklagten Partei am 4.6.1992 bekannt gegeben.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Klägerin zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht schwanger gewesen sei. Schwangerschaft liege erst mit der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß die Klägerin am 3.6.1992 nach einer gynäkologischen Untersuchung erfahren habe, daß sie schwanger sei. Sie habe noch am selben Tag den Geschäftsführer der Beklagten hievon verständigt, der aber die bereits ausgesprochene Kündigung zum 30.6.1992 aufrecht hielt. Bei der Klägerin habe ein regelmäßiger Zyklus von 26 bis 28 Tagen vorgelegen. Der erste Tag der letzten Regel vor der Schwangerschaft sei der 23.4.1992 gewesen. Der Eisprung könne bei diesem Zyklus um den 14.Zyklustag angenommen werden. Die Ovulation habe sohin am 6.5.1992 stattgefunden. Es sei davon auszugehen, daß ein befruchtungsfähiges Ei nicht länger als bis zu 6 Stunden ab Eisprung befruchtet werden könne. Die Vereinigung von Ei und Samenzelle sei um den 6.5.1992 mit einer Bandbreite von zwei Tagen (ein Tag vor oder ein Tag nach dem 6.5.) erfolgt. Am 11.5.1992 habe sich die Klägerin im 19.Zyklustag befunden und sei daher bereits einige Tage schwanger gewesen. Der nach der Naegeleschen Regel errechnete Geburtstermin sei der 30.1.1993 gewesen. Am 28.1.1993 sei die Klägerin von einem 3.400 g schweren, 54 cm langen Knaben entbunden worden. Die Schwangerschaft der Klägerin habe 267 Tage gedauert.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß von einer Schwangerschaft nicht erst ab Einnistung des befruchteten Eies in die Gebärmutterschleimhaut gesprochen werden könne, sondern die Schwangerschaft mit der Eindringung der Samenzelle in die Eizelle beginne. Da die Klägerin zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung schwanger gewesen sei, sie diesen Umstand unverzüglich nach Kenntniserlangung dem Dienstgeber mitgeteilt habe, sei die Kündigung rechtsunwirksam.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es vertrat die Rechtsansicht, daß die Bekanntgabe der Schwangerschaft rechtzeitig erfolgt sei, weil sie unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes, nämlich der Unkenntnis von der Schwangerschaft, nachgeholt worden sei. Die Unkenntnis des Dienstgebers von der Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung sei daher nicht maßgeblich. Das Mutterschutzgesetz definiere zwar den Beginn der Schwangerschaft nicht, so daß zur Festlegung desselben die herrschende wissenschaftliche Ansicht heranzuziehen sei. Nach Pschyrembel (Klinisches Wörterbuch256) sei Schwangerschaft der Zustand der Frau von der Konzeption bis zum Eintritt der Geburt. Von diesem Begriffsverständnis, das auch in der deutschen Arbeitsrechtslehre und Rechtsprechung seinen Eingang gefunden habe, sei auszugehen.

Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Berufungsurteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei stellt den Antrag, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der besondere Kündigungsschutz des § 10 MuttSchG kommt nur zum Tragen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung eine Schwangerschaft tatsächlich schon eingetreten ist (Binder, Probleme des arbeitsvertraglichen Bestandschutzes im Falle der Mutterschaft ZAS 1978, 83 [88], Knöfler MuttSchG10 157; Grillberger, Mutterschutzrechtliche Mitteilungs- und Nachweispflichten FS Strasser 241 [247]; DRdA 1991/33 [Petrovic]), und der Dienstgeber von der Schwangerschaft informiert war. Die Schwangerschaft und die Information des Arbeitgebers sind Bedingungen für die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung (DRdA 1991/33 [Petrovic] = Arb

10.895 = RdW 1991, 151). Dabei kann die Information bei mangelnder Kenntnis der Dienstnehmerin von ihrer Schwangerschaft, was als Hinderungsgrund allgemein anerkannt ist, unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes erfolgen (Knöfler aaO 163 mwN; RdW 1984, 216; DRdA 1991/33 [Petrovic mwN]).

Das Verbot der Kündigung entgegen den Bestimmungen des § 10 MuttSchG gilt während der ganzen Dauer der Schwangerschaft und ist vom Motiv der Kündigung durch den Dienstgeber, wegen der Schwangerschaft das Dienstverhältnis zu beenden, unabhängig (RV 197 BlgNR 8.GP, 13; Knöfler aaO 155; Grillberger aaO 241).

Der der Disposition entzogene Zweck des Mutterschutzes ist die Wahrung der gesundheitlichen Interessen der Mutter und des Kindes und im Falle des Kündigungs- und Entlassungsschutzes der wirtschaftlichen Existenz der Mutter (Grillberger aaO 245, 248).

Damit stellt der Gesetzgeber auf den schützenswerten Zustand der Frau ab der grundsätzlich zu einer Geburt führenden Empfängnis bis zum Eintritt der Geburt ab, weil die Schutzbedürftigkeit für die Dauer dieses veränderten körperlichen Zustandes der Frau unabhängig davon besteht, ob auch schon eine Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutterschleimhaut (= Nidation) stattgefunden hat und ob der Nachweis der Schwangerschaft leicht zu erbringen ist. Die Einnistung des befruchteten Eies in der Uterusschleimhaut ist nur ein Kettenglied in dem nach herrschender wissenschaftlicher Erkenntnis (vgl AS 115, 116) ab Empfängnis begründeten Stadium der Schwangerschaft und kann nicht für den Bereich des Kündigungsschutzes willkürlich als Zeitpunkt des Beginnes des Kündigungsschutzes herausgegriffen werden. Ob zwischen dem Frühstadium der Schwangerschaft von der Empfängnis bis zum Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutterschleimheit um den 13. Tag (= Nidation) und dem Anfangsstadium der Schwangerschaft, die mit dem Abschluß der Nidation beginnt und dem Haupt- und Spätstadium der Schwangerschaft im strafrechtlichen Bereich unterschieden wird (Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts3 240) ist lediglich für die Strafbarkeit des Abbruches der Schwangerschaft im Sinne des § 96 ff StGB von Bedeutung (Leukauf/Steininger, Komm zum StGB3, 595; Kienapfel aaO 239 ff; Trifftner StGB Komm I erste Lieferung Rz 5 f zu § 96 StGB). Diese Unterscheidung ändert aber nichts daran, daß sie nur Stadien der Schwangerschaft als solche betrifft und daß das Schutzobjekt der Strafbestimmungen der §§ 96 ff StGB (Leibesfrucht und die Gesundheit der Schwangeren) mit dem Schutzobjekt des § 10 MuttSchG (wirtschaftliche Existenz der Mutter) nicht ident ist (vgl auch Schaub, Arbeitsrechtshandbuch7, 1258 mwH).

Ob durch chemische, mechanische oder hormonelle Mittel der natürliche Verlauf einer Schwangerschaft ab Konzeption beeinflußt wird und es unter Umständen nicht zur Einnistung des Eies in die Gebärmutterschleimhaut oder zur Geburt kommt, bedeutet nur, daß der Kündigungsschutz des § 10 MuttSchG verloren geht (Schaub aaO, 1258; Binder aaO, 88), bzw der erforderliche Nachweis der Schwangerschaft durch eine ärztliche Bestätigung uU. nicht erbracht werden kann.

Die mit der um den 6.Mai 1952 stattgefundene Vereinigung der Ei- und Samenzelle begründete Schwangerschaft der Klägerin bewirkte sohin nach rechtzeitiger Bekanntgabe der Schwangerschaft die Unwirksamkeit der am 11.5.1992 ausgesprochenen Kündigung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte