OGH 6Ob529/95

OGH6Ob529/956.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin G***** Gemeinnützige Baugesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Engelhart, Dr.Reininger Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die Antragsgegnerin Stadtgemeinde K*****, wegen Neufestsetzung der Entschädigung nach § 24 Abs 3 nöROG 1976, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 16.November 1994, AZ 47 R 217/94 (ON 43), womit aus Anlaß des Rekurses der Antragstellerin der Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 8. November 1993, GZ 1 Nc 136/91-35, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und der Antrag auf Neufestsetzung der Entschädigung zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur Durchführung des gesetzlichen Verfahrens über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluß ON 35 und zur Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG K*****, bestehend aus den Grundstücken Nr 1359 und 1361 in K*****, welche sie im Jahre 1981 käuflich erworben hat. Die Liegenschaft war im örtlichen Raumordnungsprogramm als "Bauland/Wohngebiet" gewidmet. Mit Wirksamkeit vom 13.6.1989 wurde der Flächenwidmungsplan dahin geändert, daß der gesamte Gutsbestand der der Antragstellerin gehörigen Liegenschaft im "Grünland" liegt.

Mit Bescheid vom 28.1.1991 hat das Stadtamt der Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung einer Entschädigung (Ersatz von Aufwendungen) gemäß § 24 Abs 1 und 2 nöROG 1976 mit der Begründung abgewiesen, daß das Grundstück von einem Bauverbot betroffen gewesen sei.

Die Antragstellerin begehrte hierauf fristgerecht im Sinne des § 24 Abs 3 nöROG 1976 die Neufestsetzung der Entschädigung mit dem Betrag von 18,849.856,73 S beim Erstgericht.

Auch das Erstgericht wies den Entschädigungsantrag mit der Begründung ab, die Liegenschaft sei bereits vor der Änderung des Flächenwidmungsplanes von einem Bauverbot betroffen gewesen.

Das Rekursgericht hob aus Anlaß des Rekurses der Antragstellerin den Beschluß des Erstgerichtes und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies den Entschädigungsantrag zurück; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. § 24 Abs 3 nöROG 1976 eröffne den außerstreitigen Rechtsweg nur für die Neufestsetzung einer von der Gemeinde gemäß Abs 2 mit einem bestimmten Betrag festgesetzten Entschädigung, sei doch nur gegen einen Bescheid über die Höhe des Ersatzes die Berufung ausgeschlossen und trete mit dem Einlangen eines Antrages auf Neufestsetzung der Entschädigung bei Gericht nur die Festsetzung der Höhe der Entschädigung durch den Bürgermeister außer Kraft. Versage demnach - wie hier - die Gemeinde die begehrte Entschädigung schon dem Grunde nach mit der Begründung, das Grundstück sei von einem Bauverbot betroffen, dann bestehe keine sukzessive Gerichtszuständigkeit. Ein den Ersatz der Aufwendungen dem Grunde nach ablehnender Bescheid der Gemeinde sei nur im Rahmen des Verwaltungsverfahrens anfechtbar. Insoweit habe der Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.1.1991 eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung enthalten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Mit Ausnahme Kärntens enthalten alle Raumordnungsvorschriften der Länder Entschädigungsvorschriften für gewisse durch Änderung der durch Raumordnungspläne bedingte Vermögensnachteile, wobei die zu leistenden Entschädigungen (im Fall der Nichteinigung) durchgehend zunächst von der Verwaltungsbehörde (Bürgermeister, Magistrat, Bezirksverwaltungsbehörde und Landesregierung) durch Bescheid festzusetzen sind; teilweise ist dagegen eine Berufung vorgesehen, teilweise nicht. Es besteht aber - mit Ausnahme des TirROG 1994 (§ 71) - in allen Fällen eine sukzessive Gerichtszuständigkeit (Korinek/Pauger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts 164 und 168).

Das nöROG 1976 gehört entgegen der Meinung des Rekursgerichtes zu jenen landesgesetzlichen Raumordnungsvorschriften, welche sogar ausdrücklich anordnen, daß gegen den Entschädigungsbescheid der Gemeinde keine Berufung zulässig ist (§ 24 Abs 2 letzter Satz). Daß damit der verwaltungsbehördliche Bescheid über den bei der Gemeinde gestellten Antrag auf Ersatz der Aufwendungen schlechthin gemeint ist und nicht nur ein solcher über die Höhe des Ersatzes, also auch eine bescheidmäßige Versagung der begehrten Entschädigung "dem Grunde nach", ergibt sich überdies unmißverständlich aus der die sukzessive Gerichtszuständigkeit anordnenden Vorschrift des § 24 Abs 3 nöROG 1976, deren letzter Satz sogar ausdrücklich gerade auf diesen Fall Bezug nimmt: Danach hat nämlich das rechtzeitig angerufene örtlich zuständige Bezirksgericht, "wenn die Behörde dem Grundeigentümer die begehrte Entschädigung mit der Begründung versagt hat, das Grundstück sei von einem Bauverbot betroffen", über diese Frage ein Gutachten eines Ingenieurkonsulenten für Raumordnung einzuholen. Da somit der niederösterreichische Landesgesetzgeber einerseits ausdrücklich gegen den Bescheid der Gemeinde über einen vom Grundeigentümer beantragten Ersatz für Aufwendungen die Erhebung eines Rechtsmittels im Verwaltungsverfahren für unzulässig erklärt und andererseits den Übergang der Entscheidungsbefugnis auf das Gericht im Wege der sogenannten sukzessiven Zuständigkeit durch Erlassung einer zwingenden Beweismittelanordnung auch dann vorausgesetzt hat, wenn die Behörde dem Grundeigentümer die begehrte Entschädigung mit der Begründung versagte, das Grundstück sei von einem Bauverbot betroffen, liegt die vom Rekursgericht angenommene Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges nicht vor. Abgesehen davon, daß einer gegenteiligen Auslegung hier schon der klare Gesetzeswortlaut entgegensteht, ist eine solche jüngst sowohl vom Obersten Gerichtshof als auch davor schon vom Verwaltungsgerichtshof sogar in jenen Fällen abgelehnt worden, in denen die landesgesetzlichen Regelungen - wie etwa § 20 Abs 3 und 4 SbgROG 1977 (nunmehr § 25 Abs 3 und 4 SbgROG 1992) - die Frage der Zulässigkeit einer Berufung gegen den Bescheid der Verwaltungsbehörde offen gelassen haben (6 Ob 507, 1520/91; VwSlgNF 13.517/A).

Über den vorliegenden Antrag auf Neufestsetzung der Entschädigung ist demnach im außerstreitigen Rechtsweg zu entscheiden.

Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine Sachentscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf der analogen Anwendung des § 52 Abs 1 ZPO.

Stichworte