OGH 6Ob10/95

OGH6Ob10/956.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der C***** Handelsgesellschaft mbH in Liquidation,***** infolge Revisionsrekurses des Gesellschafters Kommerzialrat Ing.Hannes N*****, *****vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 13.Februar 1995, AZ 6 R 113/94 (ON 89), womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 22.September 1994, GZ 7 HRB 19647-84, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er lautet:

"Der Antrag des mit Beschluß vom 2.8.1994 für die C***** Handelsgesellschaft mbH in Liquidation bestellten Nachtragsliquidators Dr.Johannes J***** auf Enthebung wird abgewiesen."

Text

Begründung

Die C***** Handelsgesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien war zu HRB ***** im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragen. Da die beiden Gesellschafter Ing.Hannes N***** und die Verlassenschaft nach Hans P*****, deren Geschäftsanteile je S 500.000 betrugen, keine Einigung über einen zu bestellenden Geschäftsführer erzielen konnten, wurde die Gesellschaft seit 1984 durch einen vom Firmenbuchgericht gemäß § 15 a GesmbHG bestellten Notgeschäftsführer vertreten. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24.6.1987 wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet und diese dadurch aufgelöst. Der Konkurs wurde mangels kostendeckenden Vermögens am 10.11.1988 gemäß § 166 Abs 2 KO aufgehoben. Nach Durchführung eines Amtslöschungsverfahrens wurde die Gesellschaft am 6.9.1989 im Firmenbuch gelöscht.

Mit Schriftsatz vom 15.2.1994 legte der Gesellschafter Kommerzialrat Ing.N***** Grundbuchauszüge der Liegenschaften EZ***** und EZ ***** je des Grundbuches für die KatG S***** vor und beantragte die Wiedereintragung der Gesellschaft sowie die Bestellung eines Liquidators, weil die gelöschte Gesellschaft über Liegenschaftseigentum verfüge. Diesem Antrag trat der für die Verlassenschaft nach dem Gesellschafter Hans P***** bestellte Separationskurator namens der Verlassenschaft bei. Ein weiterer Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators wurde von einem Gläubiger gestellt, der Schadenersatzansprüche gegen die Gesellschaft wegen herabfallender Gebäudeteile im Klagewege geltend macht.

Nach Einholung einer Zustimmungserklärung bestellte das Erstgericht mit Beschluß vom 2.8.1994 Rechtsanwalt Dr.Johannes J***** zum Nachtragsliquidator zum Zwecke der Liquidation des noch bestehenden Liegenschaftsvermögens der gelöschten Gesellschaft.

Mit Schriftsatz vom 21.9.1994 beantragte der Nachtragsliquidator seine Enthebung mit der Begründung, die beiden Gesellschafter hätten die Zahlung eines Kostenvorschusses für seine Vertretungstätigkeit abgelehnt. Die gegenständliche Liegenschaft stelle, weil sie kontaminiert sei, keinen Wert dar. Er habe bereits umfangreiche Sachverhaltserhebungen durchgeführt. Der Gesellschafter Ing.N***** habe ihn aufgefordert, Zwangspfandrechte für unwirksam erklären zu lassen, ein anderer Gläubiger habe mit Klagsführung gedroht. Es sei ihm daher nicht zumutbar, ohne Kostenvorschuß oder Kostendeckungszusage die Funktion des Liquidators aufrecht zu erhalten.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und enthob den Nachtragsliquidator mit der wesentlichen Begründung, er habe seine Funktion zurückgelegt und sei daher, auch ohne Vorliegen wichtiger Gründe, zu entheben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Gesellschafters Ing.Hannes N***** sowie eines Gläubigers keine Folge.

Solange noch Aktivvermögen vorhanden sei bestehe die Gesellschaft noch fort, die Löschung im Firmenbuch wirke nur deklarativ. § 93 Abs 5 GmbHG sehe für den Fall des Hervorkommens eines der Verteilung unterliegenden Vermögens nach Durchführung der Löschung daher die Bestellung eines (Nachtrags-)Liquidators vor. § 89 Abs 3 GmbHG ermögliche die Abberufung von gerichtlich ernannten Liquidatoren aus wichtigen Gründen auch gegen deren Willen, wenn Umstände vorliegen, die dafür sprechen, daß eine ordnungsgemäße Abwicklung ohne Nachteil für die Beteiligten nicht zu erwarten sei. Dem Gesetz sei aber nicht zu entnehmen, daß Liquidatoren ihre Funktion nicht auch zurücklegen oder über Antrag enthoben werden könnten, also gegen ihren Willen gezwungen werden könnten, weiter tätig zu sein. Es seien daher gemäß § 92 GmbHG die für Geschäftsführer getroffenen Bestimmungen anzuwenden, welche eine jederzeitige Amtsniederlegung von Geschäftsführer ermöglichten. Die Rechtsprechung räume dem vom Gericht bestellten Notgeschäftsführer einen Enthebungsanspruch bei Vorliegen triftiger Gründe ein. Ein vom Gericht bestellter Nachtragsliquidator solle nicht gezwungen werden, gegen seinen Willen für die Gesellschaft tätig zu sein, weshalb das Gericht vor der Bestellung eines "gesellschaftsfremden" Liquidators dessen Zustimmung einzuholen habe. Entfalle diese zunächst gegebene Zustimmung nachträglich und seien triftige Gründe gegeben, sei der Liquidator zu entheben ohne daß es hiefür eines in dessen Person gelegenen "wichtigen Grundes" im Sinne des § 89 Abs 3 GmbHG bedürfe. In der Weigerung der Gesellschafter, für die Deckung der Kosten des Nachtragsliquidators aufzukommen und einen Kostenvorschuß zu erlegen, sei ein triftiger Grund zu erblicken, zumal der Nachtragsliquidator bei Nichtzustandekommen einer Vereinbarung mit den Gesellschaftern riskiere, für seine Tätigkeit nichts zu erhalten und die Kosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu der Frage, ob der Enthebungsantrag des Nachtragsliquidators eines triftigen Grundes bedürfe, soweit überblickbar, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Wie der erkennende Senat bereits in seinen Entscheidungen 6 Ob 3/94 und 6 Ob 23/94 unter Darlegung der in der Literatur vertretenen Meinungen zur Abberufung eines Notgeschäftsführers oder Notliquidators dargelegt hat, bedarf es, solange der Vertretungsnotstand der Gesellschaft, zu dessen Behebung die Bestellung eines Notgeschäftsführers oder Notliquidators erfolgte, nicht behoben ist, zur Beendigung von dessen Funktion eines entsprechenden Enthebungsbeschlusses. Dem grundsätzlich nicht bloß im Interesse des Antragstellers sondern auch im Interesse der sonstigen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Partner der Gesellschaft zur Behebung des sich aus einer konkreten Notlage ergebenden Vertretungsmangels gerichtlich bestellten Notgeschäftsführers oder Liquidators ist nur aus triftigen Gründen ein Enthebungsanspruch zuzubilligen. Er hat nämlich die Funktion in einer bestimmten Notlage übernommen und ist deshalb nur aus besonderen, bei seiner Bestellung nicht vorhersehbaren Gründen vorzeitig zu entheben. Solche nicht vorhersehbare besondere Enthebungsgründe sind aber - bisher - noch nicht aktenkundig. Rechtsanwalt Dr.Johannes J***** hat sich vor seiner Bestellung bereit erklärt, die Funktion eines Liquidators nach § 93 Abs 5 GmbHG zu übernehmen. Gerade da der erste Antrag auf Durchführung einer Nachtragsliquidation von einem der beiden Gesellschafter gestellt wurde, dem der zweite Gesellschafter nach Anfrage durch das Gericht beigetreten ist, wäre eine Regelung der Kostenfrage vor Übernahme des Amtes - der Aufgabenbereich, die Verwertung von zwei mit umfangreichen Pfandrechten belasteten Liegenschaften - war ebenso bekannt wie die Tatsache, daß die Gesellschaft anläßlich des Konkurses gelöscht wurde, welcher mangels kostendeckenden Vermögens aufgehoben worden war - nahe gelegen. Die umfangreichen Belastungen der Liegenschaften waren aus den vorgelegten Grundbuchauszügen erkennbar. Auch eine gesellschaftsfremde Person, die sich zur Übernahme der Funktion eines Liquidators bereit gefunden hat, kann sich nach Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses daher nicht mehr auf die Unzumutbarkeit der Wahrnehmung gerade jener Funktionen berufen, deren Ausübung zur Behebung des Notstandes aller Voraussicht nach erforderlich wird. Dies schließt aber nicht aus, daß die Weiterführung der Tätigkeit, etwa aus in der Person des Liquidators gelegenen Gründen, mangels entsprechender notwendiger Mitwirkung der Gesellschafter oder weil sich die Undurchführbarkeit der Verwertung der Liegenschaften herausstellen könnte, unzumutbar werden und damit einen - nachträglich hervorgekommenen - triftigen Enthebungsgrund bilden könnte. Dabei kann den anwaltlich vertretenen ehemaligen Gesellschaftern unterstellt werden, sich einer angemessenen Entlohnung eines anwaltlichen Liquidators nicht verschließen zu wollen und daß auch der dann bestellte Liquidator nur unter dieser Voraussetzung seine Zustimmung zur Übernahme der Funktion habe erklären wollen.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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