OGH 11Os11/95

OGH11Os11/954.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.April 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Prof. Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Haubenwallner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günter V***** und einen anderen wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung des Angeklagten Günter V***** sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Günter V***** und Emmerich G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.Mai 1994, GZ 2 b Vr 3249/94-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Jerabek, des Angeklagten Emmerich G***** und der Verteidiger Dr.Weber und Mag.Kleinhappel, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Günter V***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günter V***** wird verworfen.

Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch der beiden Angeklagten Günter V***** und Emmerich G***** vom Vorwurf laut Punkt B der Anklageschrift (ON 26) und demzufolge auch im (den Angeklagten Günter V***** betreffenden) Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Günter V***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günter V***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 6.Jänner 1991 in Tribuswinkel gemeinsam mit dem abgesondert abgeurteilten Ernst H***** als Mittäter mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung der Katharina R***** einen Bargeldbetrag von 16.000 S durch Einbruch weggenommen hat. Hingegen wurden Günter V***** und Emmerich G***** vom weiteren Anklagevorwurf, darunter auch dem anfechtungsrelevanten Teil laut Punkt B der Anklageschrift (ON 26/I) mit dem Inhalt, sie hätten am 7.Oktober 1993 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in gewerbsmäßiger Absicht und mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Verfügungsberechtigten der Fa V***** durch Einbruch in das Firmengelände verschiedene Wertgegenstände und Bargeldbeträge wegzunehmen versucht, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Dieses Urteil wird mit Nichtigkeitsbeschwerden, und zwar im schuldigsprechenden Teil vom Angeklagten Günter V***** aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5 a, 9 lit a und 11 StPO und im Freispruch betreffend Punkt B der Anklageschrift (ON 26) von der Anklagebehörde aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO, bekämpft.

Dem vom Angeklagten V***** zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 3) erhobenen Vorwurf der mangelhaften Fassung des Urteilsspruches wurde durch die mit erstgerichtlichem Beschluß vom 21.Dezember 1994 (ON 69) erfolgte Angleichung des ausgefertigten an das verkündete Urteil der Boden entzogen, so daß sich diesbezüglich eine weitere Erörterung erübrigt.

Die Mängelrüge (Z 5) hinwieder erweist sich im Kern als unzulässiger und damit unbeachtlicher Versuch, die formell einwandfreie Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach Art einer Schuldberufung in Zweifel zu ziehen; die in der Beschwerde hervorgehobenen Details der den Beschwerdeführer entlastenden Angaben der Zeugen Hans H***** und Waltraud V***** wurden vom Schöffensenat einer eingehenden Prüfung unterzogen und mit schlüssiger Begründung für ungeeignet erachtet, die vom Zeugen (und Mittäter) Ernst H***** erhobenen Anschuldigungen zu entkräften.

In gleicher Weise erschöpft sich auch der in der Tatsachenrüge (Z 5 a) erhobene Vorwurf von "keinesfalls überzeugenden Urteilsfeststellungen" der Sache nach in einer - auch unter diesem Gesichtspunkt unzulässigen - Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung; bezüglich der nunmehr in der Rüge für notwendig erachteten (nach Lage des Falles ersichtlich nicht zielführenden) Ergänzung der Beweisaufnahme genügt der Hinweis, daß sich der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung zu einer derartigen Antragstellung selbst nicht veranlaßt gesehen hat.

Schließlich ist auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) des Angeklagten V***** angesichts ihrer prozeßordnungswidrigen Ausführung nicht weiter erörterungsbedürftig. Mit dem Vorwurf, das Erstgericht habe die durch die Aussage der Zeugin Waltraud V***** indizierte Feststellung verabsäumt, daß sich der Beschwerdeführer zum fraglichen Tatzeitraum "im Kreise seiner Familie aufgehalten habe", wird nämlich nicht, wie dies zur gesetzmäßigen Darstellung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich gewesen wäre, ein auf irriger Rechtsmeinung beruhender Feststellungsmangel in bezug auf einen für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Tatumstand aufgezeigt, sondern lediglich versucht, unter neuerlichem Aufrollen der Tatfrage der leugnenden Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

In Ansehung des - im übrigen unsubstantiierten - Vorwurfs der gesetzwidrigen Strafbemessung (Z 11) genügt der Hinweis auf die Aufhebung des Strafausspruches.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten V***** war sohin zu verwerfen.

Berechtigung hingegen kommt dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu:

Die von der Anklagebehörde aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich gegen den Freispruch der beiden Angeklagten Günter V*****und Emmerich G***** vom Anklagevorwurf, am 7.Oktober 1993 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter versucht zu haben, Verfügungsberechtigten der Firma V***** durch Einbruch in das Firmengelände verschiedene Wertgegenstände und Bargeldbeträge mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz wegzunehmen (Punkt B der Anklageschrift).

Den erstgerichtlichen Feststellungen zufolge wurden die beiden Angeklagten im Zuge einer gezielten kriminalpolizeilichen Observierung dabei beobachtet, wie sie am 7.Oktober 1993 gegen 23,00 Uhr durch einen Zaun in das Industriegelände Liesing (der Firma V*****) eindrangen und dieses gegen 1,40 Uhr wieder verließen, wobei der Angeklagte Günter V***** einen weißen Plastiksack bei sich trug; im von den beiden Angeklagten benützten Personenkraftwagen wurde kurze Zeit später "einige 100 m" entfernt zahlreiches Einbruchswerkzeug, unter anderem auch ein in einem Plastiksack verwahrter Bolzenschneider sichergestellt. Ob sich dieses typische Einbruchswerkzeug in der bei Verlassen des Geländes getragenen Plastiktasche befunden hatte, konnte nach Überzeugung der Tatrichter nicht mit Sicherheit geklärt werden. Da bei keiner der am fraglichen Gelände befindlichen Räumlichkeiten Spuren eines Einbruchs festzustellen waren, erachtete das Erstgericht die Verantwortung der beiden Angeklagten, sich lediglich neben dem Zaun des Firmengeländes im Gebüsch versteckt zu haben, um über die von ihnen schon längere Zeit vermutete polizeiliche Observierung Gewißheit zu erhalten, für unwiderlegbar (US 8 f, 13 f).

Zur Entkräftung dieser einen diebischen Vorsatz leugnenden Verantwortung beantragte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vom 3.Mai 1994 die zeugenschaftliche Vernehmung des - der Hauptverhandlung entschuldigt ferngebliebenen (ON 46/II) Leiters der fraglichen Amtshandlung - Insp.Gottfried R***** (und allenfalls weiterer Beamter) zum Beweis dafür, daß "die beiden Angeklagten bei Verlassen des Firmengeländes eine Plastiktasche mit Einbruchswerkzeug bei sich hatten und daß sie ferner bei ihrer ersten Befragung die Anwesenheit am Firmengelände in Abrede gestellt bzw keine Äußerung über die schon vorher aufgedeckte Observation gemacht hatten" (S 130/II). Dieser Antrag verfiel wegen angeblicher Unerheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatumstände der Ablehnung (S 131/II); in den Entscheidungsgründen ergänzte das Erstgericht seine Begründung für die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme mit dem Hinweis auf die bereits vorliegenden "wesentlichen verfahrensrelevanten Erhebungsergebnisse" (US 15).

Diese Argumentation stellt - wie die Anklagebehörde aus dem (in der Hauptverhandlung vorbehaltenen, S 131/II) Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO zu Recht ins Treffen führt, eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar. Die bei der gegebenen Fallgestaltung keinesfalls von vornherein auszuschließende Annahme einer dem geltend gemachten Beweisthema entsprechenden Zeugenaussage würde nämlich die zugunsten der beiden Angeklagten ausgefallene tatrichterliche Beweiswürdigung deshalb in Frage stellen, weil ein anderes Motiv für die Mitnahme typischen Einbruchswerkzeuges nicht einmal andeutungsweise indiziert wäre und damit Schlußfolgerungen in Richtung eines diebischen Tatplanes bewirken könnte. Dadurch, daß das Erstgericht die bereits gewonnenen Erkenntnisse zur Entlastung des Anklagevorwurfs für ausreichend hielt, muß es sich den Vorwurf einer die Strafverfolgungsrechte der Anklagebehörde verletzenden vorgreifenden Beweiswürdigung gefallen lassen.

Schon diese Urteilsnichtigkeit macht, ohne daß es eines näheren Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedarf, die Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich.

Im übrigen ist auch der Beschwerdevorwurf der Unvollständigkeit der Begründung des in Rede stehenden Freispruchs (Z 5) berechtigt, weil die in der Beschwerde aufgezeigten mehrfachen Divergenzen in der Verantwortung der beiden Angeklagten nicht der gebotenen beweiswürdigenden Prüfung unterzogen wurden. Beizupflichten ist schließlich auch der in der Beschwerde vertretenen Rechtsauffassung, daß durch ein vom Vorsatz unmittelbar folgender Diebstahlsausführung getragenes Eindringen in ein Firmengelände (zeitliche und örtliche Ausführungsnähe; § 15 Abs 2 StGB) das Stadium einer bloß straflosen Vorbereitungshandlung jedenfalls bereits überschritten wird.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher das angefochtene Urteil im die beiden Angeklagten vom Anklagefaktum B freisprechenden Teil und demzufolge auch der (den Angeklagten V***** betreffende) Strafausspruch aufzuheben und in diesem Umfang eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz anzuordnen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte V***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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