OGH 15Os18/95

OGH15Os18/9530.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schaumberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Otmar R* wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und § 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 14. Dezember 1994, GZ 19 Vr 1195/93‑29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs und des Verteidigers Dr. Augustin, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0150OS00018.950000.0330.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der österreichische Staatsbürger Otmar (im erstgerichtlichen Urteil unzutreffend: Othmar) R* des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG in der Entwicklungsstufe des Versuchs gemäß § 15 StGB (A) sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 fünfter Fall SGG (B) schuldig erkannt.

Darnach hat er

A/ am 26. November 1986 dadurch, daß er in Marokko 4,2 kg Cannabisharz in der Absicht erwarb, es nach Österreich einzuführen, es hinter der Seitenverkleidung sowie im Heizungs‑ und Lüftungssystem seines PKWs versteckte und es bei der Grenzstation Beni Enza nach Spanien einschmuggelte, von wo er mit dem Cannabisharz nach Österreich weiterreisen wollte, versucht, vorsätzlich, den bestehenden Vorschriften zuwider 4,2 kg Cannabisharz, somit ein Suchtgift in einer großen Menge, in das österreichische Bundesgebiet einzuführen, sowie

B/ im November 1986 in Marokko - wo dies gleichfalls strafbar ist (vgl § 65 Abs 1 Z 1 StGB) -Cannabisharz in unbekannter Menge besessen und verraucht.

 

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 5, 5 a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet das Fehlen jeglicher Begründung für die Feststellung, der Beschwerdeführer habe von einem unbekannten Marokkaner Suchtgift erworben und in seinem PKW in der Absicht, es nach Österreich einzuführen, versteckt; überdies habe das Erstgericht unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, daß dem Angeklagten der Vorsatz, 4,2 kg Cannabisharz nach Österreich einzuführen, nachzuweisen sei.

Dem ist zu entgegnen, daß das Schöffengericht die relevierte Urteilsfeststellung sehr wohl, und zwar mit dem Geständnis des Beschwerdeführers vor der Guardia Civil und dem Untersuchungsrichter in Spanien begründet hat; seine leugnende Verantwortung in der Hauptverhandlung hingegen hat es als unglaubwürdig verworfen (US 8 ff). Die Tatrichter haben auch konstatiert, daß der Angeklagte den Vorsatz hatte, das Suchtgift nach Österreich zu schmuggeln (US 4), und diese Feststellung gleichfalls mit seinen erwähnten Geständnissen begründet. Ein formaler Begründungsmangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO liegt somit nicht vor.

Mit der Behauptung, der Beschwerdeführer habe nie zuvor die Tathandlung des § 12 Abs 1 SGG gesetzt, ihm mangle es daher an der vorausgesetzten Erfahrung mit Suchtgift bezüglich der Eignung, daß die tatgegenständliche Suchtgiftmenge im Fall der Weitergabe im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen lassen könne; das Erstgericht habe seine Feststellungen lediglich auf Vermutungen gestützt, die Urteilsannahmen wiesen große Unterschiede zu den "urteilsstützenden Akten" auf, weil einerseits die Begründung der subjektiven Tatseite hinsichtlich der Verantwortung des Angeklagten vollkommen außer acht gelassen worden sei und andererseits die Urteilsannahme die Verantwortung des Angeklagten in den Akten auf keinen Fall zweifelsfrei widerlegen könne, wird gleichfalls kein Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes zur Darstellung gebracht, sondern nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpft.

Eine Prüfung der in der Beweisrüge (Z 5 a) erhobenen Einwände zeigt, daß damit keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen dargetan werden. Der Sache nach unternimmt der Angeklagte mit seinem Vorbringen insgesamt erneut nur den im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommenen Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen.

Auch der Rechtsrüge (Z 9 lit b) kommt keine Berechtigung zu. Der Beschwerdeführer vermeint zu Unrecht, das gegen ihn in Spanien anhängige und dort wegen seiner Flucht nach Österreich noch nicht abgeschlossene Strafverfahren hindere seine Verfolgung und Aburteilung wegen des identen Sachverhaltes in Österreich. Gemäß § 64 Abs 1 Z 4 StGB wird nämlich nach den österreichischen Strafgesetzen unabhängig von dem Strafgesetz des Tatortes auch das im Ausland begangene Verbrechen nach § 12 SGG bestraft, wenn durch die Tat österreichische Interessen verletzt worden sind. Österreichische Interessen werden u.a. dann verletzt, wenn der Täter Suchtgift zur Einfuhr nach Österreich übernimmt (SSt 52/6; Leukauf/Steininger Komm3 § 64 RN 17 ua). Demnach ist ‑ dem Beschwerdevorbringen zuwider ‑ in bezug auf das den Angeklagten zur Last liegende Verbrechen die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, ungeachtet des gegen ihn deswegen auch in Spanien geführten Strafverfahrens.

Vom Verteidiger wurde im Gerichtstag ‑ gleichsam als Anregung eines amtswegigen Vorgehens nach § 290 Abs 1 StPO - auch die österreichische Gerichtsbarkeit in Ansehung des in Marokko begangenen Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (B des erstgerichtlichen Urteilssatzes) bezweifelt. Jedoch auch hier zu Unrecht, weil in Marokko (zumindest) seit 1922 ein Rauschgiftgesetz besteht (Jeschek/Löffler Quellen und Schrifttum des Strafrechts II 251) und Marokko der Einzigen Suchtgiftkonvention beigetreten ist (Mitteilung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen BGBl 1978/531 ‑ dort S 3408 f), durch die von den Vertragsstaaten ua die Poenalisierung des Besitzes von Cannabisharz stipuliert wird (Art 1 Abs 1 lit d sowie Art 4 lit c ESK). Die Voraussetzungen des § 65 Abs 1 Z 1 StGB sind somit gegeben.

Letztlich kommt auch der Rüge nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter und dritter Fall StPO keine Berechtigung zu. Indem der Beschwerdeführer moniert, die Tatrichter hätten ihm auch die Milderungsgründe der Z 7, 9 und 18 des § 34 StGB zugute halten müssen, macht er keine offenbar unrichtige Beurteilung von für die Strafbemessung entscheidenden Tatsachen geltend; denn mit der Behauptung, ein Strafzumessungsgrund sei unberücksichtigt geblieben, wird lediglich das Vorliegen eines Berufungsgrundes reklamiert (RZ 1989/19; Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 11 E 7 uam).

Dies gilt auch für den zusätzlich beanspruchten Milderungsgrund des § 34 Z 2 StGB. Abgesehen davon wurde völlig zu Recht dieser Umstand nicht angenommen, weil der Angeklagte ‑ nach seinem Eingeständnis ‑ in den letzten fünf Jahren vor der Tat Haschisch geraucht hat (S 245/I; S 25 in ON 27). Der bisherige ordentliche Lebenswandel ist dem Täter nämlich nur dann als Milderungsgrund zuzubilligen, wenn die Tat überdies zu seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht. Davon kann aber angesichts des vom Beschwerdeführer selbst zugegebenen wiederholten ‑ wenn auch zu keiner Verurteilung führenden ‑ Suchtgiftkonsums keine Rede sein.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs 1 SGG unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten, wobei es gemäß § 43 a Abs 3 StGB einen Teil von fünfzehn Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Überschreitung der Grenzmenge von 222 Gramm um ein Vielfaches, als mildernd hingegen die geständige Verantwortung bezüglich des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG und daß es in bezug auf das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte sowohl die Reduzierung der Freiheitsstrafe als auch deren gänzliche bedingte Nachsicht an.

Nicht berechtigt ist das Herabsetzungsbegehren, wiewohl die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe einer Korrektur bedürfen, weil dem Angeklagten der Umstand, daß er sich seit der Tatbegehung im Jahr 1986, somit durch längere Zeit, wohlverhalten hat, zusätzlich als mildernd zugute kommt. Andererseits liegt der Milderungsgrund des § 34 Z 13 StGB nur teilweise vor, weil der Angeklagte rechtsrichtig wegen vollendeter Suchtgiftausfuhr aus Marokko und versuchter Suchtgifteinfuhr nach Spanien schuldig zu sprechen gewesen wäre (Foregger/Litzka SGG2 Erl V zu § 12); demnach blieb das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG in Wahrheit nur teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs.

Daß dem Berufungswerber der Milderungsgrund des § 34 Z 2 StGB nicht zukommt, wurde bereits bei Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt; der Angeklagte hat die Taten aber auch nicht nur aus Unbesonnenheit oder mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen, weil sie weder auf eine augenblickliche Eingebung des Berufungswerbers, auf einen Willensimpuls, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre, zurückzuführen war, noch auch die Gelegenheit zur Begehung der Straftat im besonderen Maße nahe lag, daß ihr auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch unterlegen wäre (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 34 RN 13 und 15).

Die zufällige Bekanntschaft des Angeklagten mit dem abgesondert verfolgten Günter G* und seine leugnende Verantwortung wurde dem Angeklagten nicht als Erschwerungsgrund zugerechnet; somit geht auch dieser Einwand ins Leere.

Unter Abwägung der solcherart korrigierten Strafzumessungsgründe ist bei Bedachtnahme auf die weit über der Qualifikationsgrenze liegende Menge des diesem Verfahren zugrundeliegenden Suchtgifts die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe durchaus tätergerecht und schuldangemessen, sodaß eine Ermäßigung der Strafdauer nicht angebracht ist.

Berechtigt ist jedoch das Berufungsbegehren insoweit, als die Anwendung des § 43 Abs 1 StGB angestrebt wird. Den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen ist nicht zu entnehmen, aus welchen Erwägungen nicht die ganze Strafe bedingt nachgesehen wurde. Zwar erweist sich das Berufungsvorbringen, daß "die Vorgänge vom Erstgericht nicht genau erforscht wurden und daher ein allfälliges Fehlen des Vorsatzes nicht ausgeschlossen werden kann", weder substantiiert noch begründet, doch lassen das lange Wohlverhalten des Angeklagten seit der Tat und seine somit ersichtlich gelungene Resozialisierung die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe allein genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Da nach Lage des Falles auch generalpräventive Aspekte der angestrebten Rechtswohltat nicht entgegenstehen, war die ganze Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

 

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