OGH 9ObA237/94(9ObA238/94)

OGH9ObA237/94(9ObA238/94)29.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Richard Warnung und Helmuth Prenner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Kurt A*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei S***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Kisler und DDr.Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wegen 499.000 S brutto infolge Revision und Rekurs der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.September 1994, GZ 34 Ra 97/94-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7.März 1994, GZ 8 Cga 244/93x-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Beiden Rechtsmitteln wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 17.807,40 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 2.967,90 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiter schuldig, der beklagten Partei die mit 33.375 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 3.562,50 S Umsatzsteuer und 12.000 S Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1.8.1967 bei einem Bankunternehmen und seit 31.12.1974 bei der beklagten Partei beschäftigt, wobei die aus der bei der Bank zurückgelegten Zeit resultierenden Rechte in das Dienstverhältnis zur beklagten Partei übernommen wurden. Am 21.9.1988 verständigte die beklagte Partei den Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung des Klägers gemäß § 105 Abs 1 ArbVG. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung innerhalb der gesetzlichen Frist ausdrücklich zu. Am 15.11.1988 sprach die beklagte Partei die Kündigung des Klägers zum 31.3.1989 aus.

Am 3.10.1988 brachte der Kläger einen Antrag beim Landesinvalidenamt ein, seine Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten festzustellen. Mit Bescheid vom 15.2.1989 stellte das Landesinvalidenamt fest, daß der Kläger seit 1.10.1988 zu 50 % invalid sei und dem Kreis der begünstigten Personen nach dem BehEinstG angehöre. Daraufhin stellte die beklagte Partei am 29.3.1989 den Antrag an den Behindertenausschuß beim Landesinvalidenamt f.Wien, NÖ und Bgld, die Zustimmung zu der am 15.11.1988 ausgesprochenen Kündigung zu erteilen. Dieser Antrag wurde abgewiesen; das Amt der Wiener Landesregierung gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Diesen Bescheid bekämpfte die beklagte Partei mit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Über Antrag des Verwaltungsgerichtshofes hob der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des § 8 Abs 2 BehEinstG als verfassungswidrig auf, sprach aus, daß die Aufhebung mit 30.6.1992 in Kraft trete, daß die Bestimmung jedoch auf den Anlaßfall nicht mehr anzuwenden sei. Aufgrund dieser Entscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung auf.

Mit Schreiben vom 11.5.1992 erklärte die beklagte Partei, das Dienstverhältnis des Klägers zum 31.12.1992 aufzukündigen, und zwar für den Fall, daß die Kündigung zum 31.3.1989 nicht wirksam gewesen sein sollte. Der Kläger focht diese Kündigung an, nahm jedoch in der Folge die Klage zurück.

Die beklagte Partei bezahlte bis zur Aufhebung des Bescheides des Amtes der Wiener Landesregierung durch den Verwaltungsgerichtshof die laufenden Gehälter samt Sonderzahlungen bis zum 29.2.1992 weiter aus. Insgesamt flossen damit an den Kläger 602.037,18 S. Dieser Betrag übersteigt, ausgehend von der Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 15.11.1988, die Ansprüche des Klägers auf Abfertigung und Urlaubsentschädigung.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 499.000 S brutto. Er habe Anspruch auf Entgelt bis Dezember 1992, auf Abfertigung im Ausmaß von 12 Monatsentgelten und Urlaubsentschädigung für 36 Werktage. Die Kündigung sei mangels Zustimmung des Behindertenausschusses unwirksam. Das betriebliche Vorverfahren bezüglich der Kündigung vom 15.11.1988 sei nicht ordnungsgemäß gewesen, weil die Kündigung nicht unmittelbar nach der Erklärung des Betriebsrates ausgesprochen worden sei; das Vorverfahren wäre vor Ausspruch der Kündigung zu wiederholen gewesen, weil zwischen der Erklärung des Betriebsrates und dem Ausspruch der Kündigung ein Zeitraum von mehreren Wochen gelegen sei.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da der Verfassungsgerichtshof den § 8 Abs 2 BehEinstG zur Gänze aufgehoben habe, sei auch jener Teil weggefallen, der die Rechtsunwirksamkeit einer ohne Einholung der Zustimmung des Behindertenausschusses ausgesprochenen Kündigung normiert hatte. Es finde sich danach in der österreichischen Rechtsordnung keine Norm, wonach die Kündigung eines geschützten Behinderten ohne Zustimmung des Behindertenausschusses rechtsunwirksam wäre. Der Kläger könne sich daher nicht auf die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung berufen. Durch den Wegfall der Bestimmung des § 8 Abs 2 BehEinstG werde dem Kläger der Schutz des § 105 ArbVG zuteil. Aus dem unbestritten gebliebenen Parteienvorbringen ergebe sich, daß das Vorverfahren anläßlich der Kündigung vom 15.11.1988 bei der beklagten Partei eingehalten worden sei. Entgegen der Auffassung des Klägers sei daher die Kündigung zum 31.3.1989 rechtswirksam geworden. Den Lohnansprüchen des Klägers für den Zeitraum von März 1992 bis Dezember 1992 komme daher keine Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers dieses Urteil dahin ab, daß es mit Zwischenurteil aussprach, daß die Ansprüche des Klägers auf Entgelt für die Zeit von März 1992 bis Dezember 1992, auf Abfertigung und Urlaubsentschädigung dem Grunde nach zu Recht bestehen; im übrigen verwies es die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Ansprüche des Klägers an das Erstgericht zurück. Der zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen der gemäß § 105 Abs 1 ArbVG vorgesehenen Verständigung des Betriebsrates und dem Ausspruch der Kündigung sei nicht gewahrt, weil die beklagte Partei ohne gerechtfertigten Grund zwischen der Verständigung des Betriebsrates von der beabsichtigten Kündigung und dem Ausspruch der Kündigung einen Zeitraum von acht Wochen habe verstreichen lassen. Dieser Zusammenhang müsse aber deshalb gewahrt bleiben, weil der Betriebsrat Gelegenheit haben solle, unmittelbar vor der Kündigung die dafür relevanten Momente zu überprüfen. Hätten sich etwa die entscheidungswesentlichen Umstände zwischen der Verständigung des Betriebsrates und dem Ausspruch der Kündigung geändert, so sei der sachliche Zusammenhang nicht mehr gegeben. Eine solche Änderung sei im vorliegenden Fall anzunehmen, weil der Kläger am 3.10.1988 beim Landesinvalidenamt den Antrag gestellt habe, seine Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten festzustellen. Dieser Antrag habe die Behauptung impliziert, daß eine Behinderung im Ausmaß von mindestens 50 vH vorliege. Ob der Betriebsrat bei Kenntnis der Antragstellung des Klägers an das Landesinvalidenamt der Kündigung ebenfalls zugestimmt hätte, sei zweifelhaft. Der Betriebsrat habe zwar nicht eine Entscheidung des Landesinvalidenamtes im Sinne des Antrages des Klägers bedenken müssen, die nach der damaligen Rechtslage die Anwendung des § 105 ArbVG ausgeschlossen hätte, wohl aber, daß die mit der Antragstellung behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Frage, ob durch die Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt würden, von Bedeutung seien. Er hätte auch bedenken müssen, daß die Zustimmung zur Kündigung Schadenersatzpflicht nach sich ziehen könne. Da durch diese Umstände der zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen dem betrieblichen Vorverfahren und dem Ausspruch der Kündigung nicht gewahrt gewesen sei, hätte vor Ausspruch der Kündigung dieses Verfahren wiederholt werden müssen. Der Kläger habe im Hinblick auf seine Antragstellung beim Landesinvalidenamt und das lange Zuwarten der beklagten Partei nach Ende des betrieblichen Vorverfahrens der Meinung sein können, daß die Antragstellung die beklagte Partei davon abhalten werde, die Kündigung tatsächlich auszusprechen. Die ohne gesetzmäßige Durchführung des betrieblichen Vorverfahrens ausgesprochene Kündigung habe das Dienstverhältnis nicht auflösen können, so daß die Entgeltansprüche für den strittigen Zeitraum zu Recht bestünden. Zur Klärung der Höhe der erhobenen Ansprüche erweise sich das Verfahren ergänzungsbedürftig, so daß die erstgerichtliche Entscheidung in diesem Umfang aufzuheben sei. Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß wurde für zulässig erklärt.

Gegen das Zwischenurteil und den Aufhebungsbeschluß richten sich Revision und Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidungen dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, in eventu das angefochtene Zwischenurteil aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung auch über den Grund des Anspruches an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen; hilfsweise wird beantragt, den Aufhebungsbeschluß zu beheben und in der Sache selbst über die Höhe der Ansprüche zu entscheiden, oder aber dem Berufungsgericht eine Entscheidung in diesem Sinne aufzutragen.

Der Kläger beantragt, den Rechtsmitteln der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kläger leitet die erhobene Forderung daraus ab, daß er bis Ende Dezember 1992 Entgeltansprüche aus dem Dienstverhältnis zur beklagten Partei habe. Dieses Dienstverhältnis sei ungeachtet der ausgesprochenen Kündigung aufrecht gewesen, weil eine Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung nicht erteilt worden sei; auch sei das betriebliche Vorverfahren nicht ordnungsgemäß abgewickelt worden; Entgeltansprüche resultierten auch daraus, daß die beklagte Partei dem Kläger anläßlich der Dienstfreistellung mitgeteilt habe, er habe sich auf Abruf zur Dienstleistung bereitzuhalten.

§ 8 Abs 2 BehEinstG BGBl 1970/22 bestimmte in der Fassung der Novelle BGBl 1988/721:

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuß (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundespersonalvertretungsgesetzes bzw der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesen Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt. Gesetzliche Bestimmungen, die die Beendigung des Dienstverhältnisses an zusätzliche Voraussetzungen knüpfen, bleiben unberührt. Auf die Kündigung eines begünstigten Behinderten finden die Bestimmungen des § 105 Abs 2 bis 6 Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl 22/1974 bzw die in Ausführung der Bestimmungen des § 210 Abs 3 bis 6 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl Nr 287 erlassenen landesrechtlichen Vorschriften keine Anwendung."

Ausgehend von dieser Rechtslage beantragte die beklagte Partei beim Landesinvalidenamt die Erteilung der nachträglichen Zustimmung zu der bereits vor Zuerkennung der Eigenschaft des Klägers als begünstigter Behinderter ausgesprochenen Kündigung. In diesem Verfahren hob der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Verwaltungsgerichtshofes § 8 Abs 2 BehEinstG in der dargestellten Fassung als verfassungswidrig auf, bestimmte, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30.6.1992 in Kraft trete, daß die aufgehobene Vorschrift jedoch auf den Sachverhalt nicht mehr anzuwenden sei, der dem vom Verfassungsgerichtshof zu G 343/91 gestellten Antrag zugrundeliege. Bei diesem Sachverhalt handelte es sich um die Kündigung des Klägers. Soweit der Kläger den Standpunkt vertritt, der Spruch des Verfassungsgerichtshofes könne sich nur auf verfahrensrechtliche Fragen beziehen, läßt er den eindeutigen Wortlaut des Spruches des Erkenntnisses außer Acht. Es trifft wohl zu, daß die Aufhebung der zitierten Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof aus verfahrensrechtlichen Gründen erfolgte und dementsprechend in den Gründen des Erkenntnisses primär verfahrensrechtliche Fragen (Vereinbarkeit des nach dem BehEinstG in der damals geltenden Fassung vorgesehenen Instanzenzuges mit Art 6 MRK) erörtert werden. Dies ändert aber nichts daran, daß durch das Erkenntnis die auch materiellrechtliche Regelungen enthaltende Bestimmung des § 8 Abs 2 BehEinstG aufgehoben und ausgesprochen wurde, daß sie auf den Fall des Klägers keine Anwendung mehr zu finden habe. Dies begründete der Verfassungsgerichtshof damit, daß auf diese Weise die erkannte Verfassungswidrigkeit auf den Rechtsbestand möglichst schonende Weise behoben werde. Der Verfassungsgerichtshof war sich dabei der Konsequenzen dieses Ergebnisses durchaus bewußt, führt er doch im letzten Teil seiner Entscheidungsgründe aus, daß dadurch der Kündigungsschutz des § 8 Abs 2 BehEinstG insgesamt beseitigt werde, daß aber damit auch der dort verfügte Ausschluß des Kündigungsschutzes nach dem Arbeitsverfassungsgesetz wegfalle, womit einerseits dem Arbeitgeber die Kündigungsmöglichkeit eingeräumt werde und andererseits dem Arbeitnehmer die Chance gegeben werde, Nutznießer des allgemeinen Kündigungsschutzes zu werden. Diese Ausführungen können nicht nur auf den (bei Unterlassung einer neuen Regelung des Gesetzgebers bis zu diesem Zeitpunkt) ab 30.6.1992 bestehenden Rechtszustand bezogen werden, sondern haben ebenso für den Fall des Klägers Gültigkeit.

Die Bestimmung des § 8 Abs 2 BehEinstG ist nach dem Spruch des Verfassungsgerichtshofes auf den Fall des Klägers nicht anzuwenden. Die Unwirksamkeit dieser Norm ist nicht etwa auf den Zeitpunkt des Spruches des Verfassungsgerichtshofes zu beziehen, sondern der gesamte Fall des Klägers ist so zu behandeln, wie wenn die aufgehobene Norm von Beginn an nicht bestanden hätte. Damit war aber die Kündigung des Klägers ohne Zustimmung des Behindertenausschusses zulässig. Aus der Tatsache, daß dem Kläger die Eigenschaft als begünstigter Behinderter zuerkannt wurde, kann für die Frage des Kündigungsschutzes nichts abgeleitet werden; Beschränkungen des Kündigungsrechtes der beklagten Partei durch Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes bestanden nicht.

Damit fiel, wie bereits vom Verfassungsgerichtshof ausgeführt, der Ausschluß des Kündigungsschutzes nach dem Arbeitsverfassungsgesetz weg. Die Kündigung des Klägers war nur nach Einhaltung des betrieblichen Vorverfahrens gemäß § 105 ArbVG zulässig.

Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung ist unter anderem, daß zwischen der gemäß dem § 105 ArbVG erforderlichen Verständigung des Betriebsrates einerseits und der Kündigungserklärung andererseits ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn es sich um einen einzigen Kündigungsfall handelt und wenn die Kündigung zum ehest zulässigen Termin oder innerhalb einer Frist von wenigen Wochen ausgesprochen wird (vgl Floretta in Floretta/Strasser ArbVG-Handkommentar 670 f). Ausgehend hievon hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung DRdA 1986, 140 den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang in einem Fall bejaht, in dem die Kündigung nach der am 28.2. erfolgten Verständigung des Betriebsrates am 25.3. ausgesprochen wurde. Der Fall war noch dadurch gekennzeichnet, daß die Kündigungsabsicht bereits längere Zeit bestand und auch mit dem Betriebsrat diesbezüglich Gespräche geführt wurden. Pfeil (DRdA 1986, 142 ff) billigte dieses Ergebnis grundsätzlich, vertrat jedoch die Ansicht, daß die pauschale Aussage, der erforderliche zeitliche Zusammenhang wäre dann anzunehmen, wenn die Kündigung zum ehest zulässigen Termin oder innerhalb einer Frist von wenigen Wochen ausgesprochen werde, zu weit gehe. § 105 Abs 1 ArbVG sehe wohl nur eine Mindestfrist vor, weil normiert werde, daß die Kündigung bei sonstiger Unwirksamkeit erst nach Ablauf der Stellungnahmefrist von fünf Arbeitstagen ausgesprochen werden dürfe, es sei denn, der Betriebsrat habe seine Stellungnahme bereits vorher abgegeben, doch könne hieraus nicht geschlossen werden, daß nach der Verständigung des Betriebsrates die Kündigung unbeschränkt wäre. An Hand von Beispielen stellt er dar, daß etwa eine erst 6 Monate nach der Verständigung ausgesprochene Kündigung jedenfalls nicht im notwendigen Zusammenhang stehe, zumal sich die Entscheidung für die des Betriebsrates maßgeblichen Umstände in der Zwischenzeit wesentlich geändert haben können. Daraus, daß die Fristen für die Stellungnahme des Betriebsrates wie auch für die Anfechtung einer ausgesprochenen Kündigung sehr kurz bemessen seien, sei die Absicht des Gesetzgebers abzuleiten, daß sowohl der Betriebsrat wie auch der Betriebsinhaber und das (nach der damaligen Rechtslage für die Anfechtung noch zuständige) Einigungsamt möglichst die gleichen Verhältnisse vorfinden sollten wie der Betriebsinhaber bei Ausspruch der Kündigung. Zwischen der Verständigung des Betriebsrates und dem Ausspruch der Kündigung sei daher ein enger Zusammenhang zu fordern; auch Floretta (aaO 670 f) vertrete dazu die Ansicht, daß ein Zeitraum von drei Wochen als lang anzusehen sei. Die Rechtsprechung fordere offenbar deshalb regelmäßig, so auch in der besprochenen Entscheidung neben einem zeitlichen Zusammenhang auch einen solchen in sachlicher Hinsicht. Dieser wäre immer dann gegeben, wenn es sich um einen einheitlichen Rechtsvorgang handle (Floretta [aaO 669] zitiere, dazu den Fall, daß eine nach Verständigung des Betriebsrates ausgesprochene, aus arbeitsvertraglichen Gründen unwirksame Kündigung in der Folge wiederholt werde), weil § 105 ArbVG nicht formell auf die einzelne Kündigungserklärung abgestellt sei. Der Ansicht, daß das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren unter solchen besonderen Konstellationen auch etwas länger vor dem Kündigungsausspruch abgewickelt werden könne, tritt Pfeil in dieser Entscheidungsbesprechung bei. Die Frage, ob jeweils eine neuerliche Verständigung des Betriebsrates erforderlich sei, sei in erster Linie danach zu beurteilen, ob das der gesamten Arbeitnehmerschaft zustehende Mitwirkungsrecht ausreichend gewahrt sei.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Verständigung des Betriebsrates am 21.9.1988. Die Kündigung wurde am 15.11.1988 zum 31.3.1989 ausgesprochen; es handelte sich dabei, auch ausgehend vom Zeitpunkt der Verständigung des Betriebsrates um den nächstmöglichen Kündigungstermin. Auch eine sofortige Kündigung hätte nichts daran geändert, daß die Kündigung erst zum 31.3.1989 wirksam hätte ausgesprochen werden können. Wird aber eine Kündigung ohnehin zum ehest zulässigen Termin ausgesprochen, ist der von der Judikatur geforderte enge zeitliche Zusammenhang mit der Verständigung des Betriebsrates unabhängig von der verstrichenen Zeit noch gewahrt. So wurde zu 9 Ob A 153/94 der zeitliche Zusammenhang bei Ausspruch der Kündigung zum ehest möglichen Termin noch bejaht, obwohl zwischen der Verständigung des Betriebsrates und dem Ausspruch der Kündigung ein Zeitraum von 9 Wochen verstrichen war. Der erforderliche Zusammenhang wurde von der Rechtsprechung jedoch in einem Fall abgelehnt, in dem zwischen der Verständigung des Betriebsrates und dem Ausspruch der Kündigung ein Zeitraum von 6 Wochen verstrichen war und der Dienstgeber in dieser Zeit sich bietende Kündigungstermine ungenützt ließ (WBl 1993, 329); maßgeblich war aber nicht die Dauer der seit der Verständigung des Betriesrates abgelaufenen Zeit, sondern, daß der Dienstgeber die Kündigung nicht zum ehest möglichen Termin ausgesprochen hatte.

Die Bedenken, die Pfeil dagegen erhebt, daß von der Judikatur der zeitliche Zusammenhang unter den angeführten Voraussetzungen bejaht wird, überzeugen nicht. Wie dargestellt macht es nämlich dann, wenn die Kündigung zum nächstmöglichen Termin ausgesprochen wird, keinen Unterschied, ob die Kündigungserklärung unmittelbar nach der Verständigung des Betriebsrates ausgesprochen wird oder in einem Abstand von wenigen Wochen. Zweifellos ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen diesen Vorgängen zu fordern, um den vom Gesetz verfolgten Zielen gerecht zu werden; ein Zuwarten durch mehrere Monate oder über mehrere Kündigungstermine hinaus entspricht den Zwecken des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens zweifellos nicht. Pfeil legt dies auch an Hand von plakativen Beispielen (aaO 143) dar; dies entspricht aber auch dem Standpunkt der Judikatur. Aus der Dauer der gesetzlichen Frist für die Stellungnahme des Betriebsrates kann für die Frage, in welchem Zeitabstand ab der Verständigung des Betriebsrates die Kündigung spätestens ausgesprochen werden muß, nichts abgeleitet werden. Bei der Mitwirkung des Betriebsrates im Kündigungsverfahren handelt es sich um eine Einschränkung des ansonst freien Kündigungsrechtes des Betriebsinhabers; dem Charakter dieser Einschränkung entspricht es, daß die Frist für die Äußerung des Betriebsrates sehr kurz bemessen wurde. Auch die Dauer der Frist für die Anfechtung der Kündigung bildet keinen geeigneten Anhaltspunkt für die Beurteilung des zeitlichen Zusammenhanges zwischen Verständigung des Betriebsrates und Ausspruch der Kündigung. Der primäre Zweck der geringen Bemessung dieser Frist liegt zweifellos darin, daß die Unklarheit über die allfällige Anfechtung der Kündigung und damit den allfälligen Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses möglichst rasch beseitigt werden soll. Selbst wenn man unterstellte, daß der Gesetzgeber auch beabsichtigte, damit zu erreichen, daß das Einigungsamt bzw nunmehr das Gericht möglichst die gleichen Verhältnisse vorfinde, wie der Betriebsrat bei seinem Tätigwerden im betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahren, was allerdings weder aus Gesetz noch aus den Materialien unmittelbar abzuleiten ist, ist dem auch im Fall des Ausspruches der Kündigung einige Wochen nach der Verständigung des Betriebsrates Rechnung getragen; es darf dabei nicht außer Betracht gelassen werden, daß ab Einbringung der Klage bis zur Entscheidung des Gerichtes regelmäßig zumindest einige Monate verstreichen, so daß ein Zuwarten von einigen Wochen vor Ausspruch der Kündigung nicht wesentlich ins Gewicht fällt.

Im übrigen erscheint die Argumentation Pfeils nicht konsequent. Floretta (aaO 669) erwähnt unter Zitierung einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes den Fall, daß eine Kündigung wegen eines Verstoßes gegen arbeitsvertragsrechtliche Bestimmungen wirkungslos bleibe und deshalb wiederholt werden müsse; seien mehrere Kündigungserklärungen abgegeben worden, seien sie als einheitlicher Kündigungsfall anzusehen, sofern zwischen ihnen nur ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang bestehe. Dem tritt Pfeil (aaO 144) unter Zitierung Florettas erkennbar bei und räumt in diesem Zusammenhang ein, daß unter gewissen (offenbar auch den von Floretta dargestellten) Konstellationen das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren auch etwas länger vor Kündigungsausspruch abgewickelt werden könne. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob eine Kündigung erst deshalb in einem größeren zeitlichen Abstand von der Verständigung des Betriebsrates erfolgt, weil der Dienstgeber vorerst eine den Regeln des Arbeitsvertragsrechtes nicht entsprechende Kündigung ausgesprochen hat oder ob er mit einer ordnungsgemäßen Kündigung von vornherein einige Zeit zuwartete. Alle Argumente, die Pfeil gegen die Aussage des Obersten Gerichtshofes ins Treffen führt, der zeitliche Zusammenhang wäre auch dann anzunehmen, wenn die Kündigung zum ehest zulässigen Termin oder innerhalb weniger Wochen ausgesprochen werde, treffen auch für den erstgenannten Fall zu, in dem der Autor offenbar das Verstreichen eines längeren Zeitraumes zwischen der Verständigung des Betriebsrates und dem Ausspruch der letztlich arbeitsvertraglich regelrechten Kündigung mit dem Obersten Gerichtshof und Floretta für zulässig erachtet. Der erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen der Verständigung des Betriebsrates und dem rund 7 Wochen danach erfolgten Ausspruch der Kündigung ist daher gegeben.

Das Berufungsgericht führte zur Begründung seiner Ansicht, dieser Zusammenhang bestehe nicht, aus, daß sich innerhalb der Zeit zwischen der Verständigung des Betriebsrates und dem Ausspruch der Kündigung die Verhältnisse geändert hätten, weil der Kläger Anfang Oktober den Antrag auf Feststellung seiner Eigenschaft als begünstigter Behinderter gestellt habe. Die in diesem Zusammenhang erhobene Mängelrüge der Revision ist allerdings nicht berechtigt. Alle Umstände, die das Berufungsgericht dabei in Betracht zog, waren bereits Gegenstand des Verfahrens erster Instanz, waren vom Erstgericht festgestellt und konnten daher bei der rechtlichen Beurteilung miteinbezogen werden.

Die Berücksichtigung der Frage, ob sich zwischen Verständigung des Betriebsrates und Ausspruch der Kündigung die Verhältnisse geändert haben, bei Prüfung des notwendigen zeitlichen und sachlichen Zusammenhanges lehnt auch Pfeil (aaO - dort für die Verhältnisse im Betrieb) ab. Dieser Umstand habe möglicherweise Einfluß auf die Chancen einer Anfechtung, sei jedoch für eine positive Beurteilung der Frage, ob das Vorverfahren korrekt durchgeführt worden sei, ohne Bedeutung. Dem ist beizutreten. Hier kommt überdies noch dazu, daß kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß tatsächlich eine Änderung der Verhältnisse ab dem Zeitpunkt der Verständigung des Betriebsrates nicht eingetreten ist. Die Antragstellung beim Landesinvalidenamt stellt eine solche nicht dar. Damit machte der Kläger nur geltend, daß aufgrund bestehender Einschränkungen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Eigenschaft als begünstigter Behinderter gegeben seien. Über diese Behinderungen konnte sich der Betriebsrat aber bereits im Zug des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens Kenntnis verschaffen, kann doch der Betriebsrat die Frage, ob durch die Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden, regelmäßig nur nach Kontaktaufnahme mit diesem beantworten; er wird daher im Rahmen der materiellen Prüfung der mitgeteilten Kündigungsabsicht vor Beschlußfassung den betroffenen Arbeitnehmer zu vernehmen haben (idS auch Floretta aaO 664). Anläßlich dieser Vernehmung konnte er Kenntnis über alle Umstände erhalten, die der Kläger in seinem Antrag an das Landesinvalidenamt geltend machte, und dies bei seiner Entscheidung berücksichtigen; dafür, daß die entscheidenden Behinderungen erst nach dem 21.9.1988 aufgetreten wären, besteht jedoch kein Anhaltspunkt.

In seiner Berufung machte der Kläger erstmals geltend, daß er den Anspruch auch daraus ableite, daß die beklagte Partei ihn mit Schreiben vom 29.3.1989 vorerst gegen jederzeitigen Widerruf dienstfrei gestellt, ihn jedoch aufgefordert habe, daß er sich jedoch, solange das Dienstverhältnis noch aufrecht bestehe, auf Abruf zur Verrichtung von Dienstleistungen bereit zu halten habe. Er sei daher so zu stellen, wie wenn er während des fraglichen Zeitraumes gearbeitet hätte. Abgesehen davon, daß der Kläger den erhobenen Anspruch aus diesem Sachverhalt im Verfahren erster Instanz nicht abgeleitet hat (dort wurde dieses Schreiben nur im Zusammenhang mit dem Urlaubsverbrauch erwähnt) und daher ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot vorliegt, kann die genannte Erklärung der beklagten Partei nur auf den Zeitraum bezogen werden, während dessen die Frage, ob das Arbeitsverhältnis beendet war, in Schwebe war. Mit der Aufhebung des § 8 Abs 2 BehEinstG durch den Verfassungsgerichtshof am 11.12.1991 stand aber die Beendigung des Dienstverhältnisses fest. Dafür, daß die beklagte Partei vom Kläger für die folgende Zeit verlangt hätte, sich zur Dienstleistung bereit zu halten, bestand ab diesem Zeitpunkt keinerlei Grundlage. Der Kläger konnte auch nicht mehr davon ausgehen, daß er sich weiter in Bereitschaft zu halten habe. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen waren beendet und die beklagte Partei hatte durch ihre Vorgangsweise in den Verfahren klargestellt, daß sie nicht die Absicht hatte, den Kläger weiter an sich zu binden.

Der Anspruch des Klägers auf Entgelt für die hier strittige Zeit auf Urlaubsentschädigung und Abfertigung auch unter Einbeziehung der Zeit vom März 1992 bis Dezember 1992 besteht daher nicht, so daß es auch einer Prüfung des Begehrens der Höhe nach nicht bedarf.

Die Rechtsansicht, daß der Anspruch des Klägers auf Abfertigung und Urlaubsentschädigung (ausgehend von einer Beendigung des Dienstverhältnisses mit 31.3.1989) durch Aufrechnung mit den an den Kläger für die Zeit ab 31.3.1989 bis Feber 1992 erloschen sei, wurde im Rechtsmittelverfahren weder in der Berufung des Klägers noch in der Revisionsbeantwortung bekämpft. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, zu dieser Frage Stellung zu nehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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