OGH 5Ob33/94

OGH5Ob33/9428.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Pervin A*****, vertreten durch Rifka Goldberg, Mieterinteressensgemeinschaft Österreichs, Antonsplatz 22, 1100 Wien, wider die Antragsgegner 1.) Michael B*****, 2.) Hermine B*****, beide *****, und 3.) H*****gesellschaft mbH, ***** alle vertreten durch Dr.Ernst Blasl, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 1 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 4.November 1993, GZ 48 R 776/93-9, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 8.Juni 1993, GZ 7 Msch 10/93a-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der Antragsgegner auf Kostenzuspruch (Rechtsanwaltskosten) wird abgewiesen.

Text

Begründung

Vorauszuschicken ist, daß zunächst die Ehegatten Isabella A***** und Pervin A***** gemeinsam ihre Anerkennung als Hauptmieter begehrten. Im Zuge des Verfahrens bei Gericht wurde - nach Ehescheidung und Verzicht der Isabella A***** auf Mietrechte an dieser Wohnung - der Antrag auf den Antragsteller Pervin A***** eingeschränkt (AS 13 in ON 4).

Der Revisionsrekurs wurde nur noch von dem Kopf dieser Entscheidung genannten Antragsteller erhoben, obgleich die Vorinstanzen - trotz der erwähnten Einschränkung des Antrages - noch bezüglich beider ursprünglicher Antragsteller eine abweisende Entscheidung fällten. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist jedenfalls nur noch der Antrag des Antragstellers Pervin A***** auf Anerkennung als Hauptmieter.

Der Antragsteller begehrte - nach vorausgegangenem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - seine Anerkennung als Hauptmieter der Wohnung ***** die von den Liegenschaftseigentümern (Erstantragsgegner und Zweitantragsgegnerin) an die Drittantragsgegnerin mittels Hauptmietvertrages vermietet worden war. Die Drittantragsgegnerin habe als Hauptmieterin nur Strohmannfunktion für die Hausinhabung bzw die Hausverwaltung. Geschäftsführer der Drittantragsgegnerin sei Franz B*****, Gesellschafter seien Franz, Helga und Susanne B*****. Aus der Namensgleichheit ergebe sich, daß es sich um nahe Angehörige der Hausinhabung handle. Diese personelle Verflechtung deute auf Umgehungsabsicht ebenso hin wie der Abschluß von Kettenmietverträgen und die Einhebung eines überhöhten Mietzinses. Allenfalls handle es sich um ein Scheingeschäft (AS 13).

Die Antragsgegner wendeten ein, die Drittantragsgegnerin habe (im einzelnen behauptete) Adaptierungsarbeiten im Wert von S 66.611,-

durchführen lassen. Die Einbeziehung des WC's in den Wohnungsverband sei gescheitert, weil die Nachbarwohnung nicht frei gewesen sei. Überdies habe die Drittantragsgegnerin mehrere Wohnungen in diesem Haus gemietet, um sie ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu sanieren. Da dies am kostengünstigsten pro Stockwerk durchgeführt werden könne, habe sie einzelne Wohnungen befristet untervermietet, um Leerstehungen - auch aus steuerrechtlichen Gründen - zu vermeiden.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Franz B*****, der Sohn von Michael und Hermine B***** (Liegenschaftseigentümer, Erst- und Zweitantragsgegner), war nach Gründung der Drittantragsgegnerin im Jahre 1977 neben seiner Ehegattin und Tochter Gesellschafter der Drittantragsgegnerin. Derzeit ist er nur noch Geschäftsführer. Der Geschäftszweig der Drittantragsgegnerin erstreckt sich auf verschiedene gastgewerbliche Tätigkeiten sowie die Vermittlung und Vermietung von Wohnungen.

Franz B*****, dessen Unternehmen das Wurst- und Fleischwarengeschäft zum Gegenstand hat, beabsichtigte, in Wien eine Imbißkette aufzumachen, wobei insbesondere im eigenen Unternehmen erzeugte Produkte zum Verkauf angeboten werden sollten. Um für dieses Vorhaben den Dienstnehmern entsprechende Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellen zu können, suchte Franz B***** entsprechende Wohnungen als Dienstwohnungen anzumieten. Dabei machte ihm der Vorverwalter der hier verfahrensgegenständlichen Liegenschaft den Vorschlag, in diesem Haus allenfalls freiwerdende Wohnungen anzumieten. Der Geschäftsführer der Drittantragsgegnerin ging auf diesen Vorschlag ein. Er beabsichtigte, durch Anmietung von verschiedenen Wohnungen auch im gegenständlichen Haus Dienstnehmern seines Unternehmens entsprechende Wohnungen zur Verfügung zu stellen.

In diesem Sinn wurde die Wohnung top Nr.37 per 1.3.1981 auf unbestimmte Zeit an die Drittantragsgegnerin zum damals gesetzlichen Hauptmietzins von S 45,- auf unbestimmte Zeit vermietet. Die Wohnung selbst wurde weder an Dienstnehmer der Drittantragsgegnerin noch an Untermieter weitergegeben, sondern mit erheblichen Eigenmitteln der Drittantragsgegnerin adaptiert und saniert. Es wurden insbesondere die Licht-, Gas- und Stromleitungen erneuert, der Fußboden renoviert, umfangreiche Streich- und Malerarbeiten im Bestandobjekt vorgenommen und die Wohnung voll möbliert. Der Investitionsaufwand der Drittantragsgegnerin betrug mindestens S 66.661,-. In der Folge ergab sich kein Bedarf an dieser Wohnung für Dienstnehmer der Drittantragsgegnerin, sodaß etwa ab dem Jahre 1982 der Plan gefaßt wurde, durch Zusammenlegung der gegenständlichen Wohnung mit anderen Wohnungen sowie Einbau eines WC's innerhalb des Bestandobjektes eine Standardanhebung vorzunehmen und die dann im Standard angehobenen Wohnungen Dienstnehmern der Drittantragsgegnerin zur Verfügung zu stellen. Eine Wohnungszusammenlegung mit der danebenliegenden Wohnung scheiterte allerdings, weil die Bestandnehmerin zur Wohnungsaufgabe nicht bereit war. Daraufhin faßte Franz B***** die Absicht, die Wohnung bis zur Freiwerdung der Nachbarwohnung unterzuvermieten. Die erstmalige Untervermietung erfolgte im Jahre 1982 oder 1983.

Die Hauseigentümer erfuhren von der Untervermietung zunächst nichts. Sie erfolgte aber mit Wissen und Willen der Hausverwaltung, die auch an der Errichtung der Untermietverträge mitwirkte.

Mit Untermietvertrag vom 11.12.1990 wurde die Wohnung top Nr.37 an (Isabella A***** und) den Antragsteller vermietet. Das Untermietverhältnis begann am 1.12.1990 und war auf ein Jahr befristet. Eine Verlängerung wurde von der Hausverwaltung wegen geplanter größerer Umbauarbeiten abgelehnt.

Im Untermietvertrag war ein Gesamtmietzins von S 3.300,- vereinbart. Die Mietzinszahlung erfolgte auf ein Konto der Drittantragsgegnerin. Mit der Verrechnung der Untermietzinse hatte die Hausverwaltung nichts zu tun.

Es kann nicht festgestellt werden, daß die Hausverwalterin den Untermietern bei Vertragsabschluß mitteilte, daß der Vertrag auf insgesamt 5 Jahre - bei jährlicher Erneuerung - abgeschlossen werde.

Nachdem der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 30 - 33/92 betreffend die Wohnungen 50 und 18 in diesem Haus ausgeführt hatte, daß es als Voraussetzung für die Frage der Anerkennung als Hauptmieter darauf ankäme, ob die Hauseigentümer "redlich" wären und daß insbesondere die Hauseigentümer darzulegen hätten, warum sie zB trotz Kenntnis einer Untervermietung durch die Drittantragsgegnerin nicht vom Kündigungsrecht nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG Gebrauch gemacht hätten, wurden sämtliche Hauptmietverträge zwischen den Liegenschaftseigentümern und der Drittantragsgegnerin aufgekündigt. Die Aufkündigungen wurden rechtswirksam.

Die Untermieter der hier verfahrensgegenständlichen Wohnung brachten eine Exszindierungsklage ein, nachdem den Liegenschaftseigentümern auf Grund der rechtswirksam gewordenen Aufkündigung die Räumungsexekution gegen die Drittantragsgegnerin bewilligt worden war. Auf Grund dieser Exszindierungsklage ist das Exekutionsverfahren aufgeschoben.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen folgendes aus:

Der Abschluß des Hauptmietvertrages vor dem Inkrafttreten des MRG hindere die Anerkennung der Untermieter als Hauptmieter auf Grund eines bloßen Umgehungsgeschäftes. Ein Scheingeschäft liege jedoch nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und unbedenklicher Beweiswürdigung.

Rechtlich führte das Rekursgericht im wesentlichen folgendes aus:

Das Erstgericht habe zutreffend den Unterschied zwischen Schein- und Umgehungsgeschäft dargestellt. Es könne keine Rede davon sein, die Drittantragsgegnerin habe im Zusammenspiel mit der Hausverwaltung sämtliche freiwerdenden Wohnungen (bloß) nominell angemietet. Zweck der Anmietung sei die Schaffung von Dienstwohnungen gewesen. Damit könne aber vom Vorschieben eines Strohmannes bzw von einem nicht gewollten Rechtsgeschäft nicht mehr gesprochen werden.

Der Hinweis im Rekurs auf das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes wegen Abschlusses des Untermietvertrages nach dem 1.1.1982 sei nicht zielführend, weil die Anwendbarkeit des § 2 Abs 3 MRG nach ständiger Rechtsprechung auf vor dem 1.1.1982 stattgefundende Umgehungsgeschäfte (Abschluß des Hauptmietvertrages) nicht anwendbar sei. Der gegenteiligen, im Rekurs zitierten Entscheidung WoBl 1992/160 (Überlassung zukünftig freiwerdender Wohnungen an einem Generalmieter zur gänzlichen Untervermietung, wobei die Untervermietung erst nach dem 1.1.1982 erfolgte) schließe sich das Rekursgericht nicht an.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur hier aufgeworfenen Problematik nicht gegeben sei. Überdies habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 30 - 33/92 es ausdrücklich dahingestellt gelassen, ob eine Änderung der Umstände dazu führen könnte, daß auch die vor dem Inkrafttreten des MRG begründeten Hauptmietverhältnisse dem Umgehungstatbestand des § 2 Abs 3 MRG unterstellt werden könnten, wenn es erst nachher zur Untervermietung gekommen sei.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Antrag des Antragstellers auf Anerkennung als Hauptmieter stattgegeben werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Überdies mangle es dem Antragsteller am rechtlichen Interesse an der Entscheidung, weil er die Wohnung bereits verlassen und an die Drittantragsgegnerin zurückgestellt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

a) Zum Rechtsschutzinteresse des Antragstellers:

Es bedarf keiner näheren Überprüfung, ob der Antragsteller die Wohnung bereits aufgegeben, also sein (Unter-)Mietverhältnis beendete hat, weil seine Anerkennung als Hauptmieter jedenfalls auch die Zeit davor beträfe und schon wegen der damit verbundenen Änderung der für die Mietzinshöhe maßgebenden Vorschriften für seine Rechtsstellung Bedeutung hätte.

b) Zur Sachentscheidung:

Zutreffend ist die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, daß die getroffenen Feststellungen es nicht zulassen, den zwischen den Hauseigentümern und der Hauptmieterin geschlossenen Vertrag als Scheingeschäft zu qualifizieren. Das Vorliegen eines derartigen Geschäftes wird auch im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht.

Durch die Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 13.4.1994 (3 Ob 523/94 = WoBl 1994, 117/18) ist die bis zu diesem Zeitpunkt bestandene Judikaturdifferenz zur Frage, was rechtens sei, wenn zwar ein Hauptmietvertrag in Umgehungsabsicht vor, der Untermietvertrag jedoch erst nach dem Inkrafttreten des MRG abgeschlossen wurde, in dem Sinn bereinigt, daß § 2 Abs 3 MRG auch in einem solchen Fall anzuwenden ist.

Eine solche Umgehungsabsicht ist im vorliegenden Fall jedoch sowohl für den Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptmietvertrages als auch des Untermietvertrages mit dem Antragsteller aus folgenden Gründen zu verneinen:

Nach den für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Feststellungen der Vorinstanzen wurde die gegenständliche Wohnung zunächst zu dem Zweck angemietet, bei Bedarf - beabsichtigt war die Eröffnung einer Imbißkette - für Dienstnehmer der Drittantragsgegnerin Wohnungen zur Verfügung zu haben. Schon dies schließt es aus, daß der Hauptmietvertrag - wie in § 2 Abs 3 Satz 1 MRG gefordert - nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen wurde.

Später wurde die Wohnung durch erhebliche Eigenmittel der Drittantragsgegnerin adaptiert und saniert, sodaß die Voraussetzungen einer sogenannten Sanierungshauptmiete gegeben wären, sollte der Abschluß des Mietvertrages mit Wissen und Willen der Hauseigentümer und unter weiterer Gestattung der Untervermietung auch unter diesen Umständen erfolgt sein. Indizien für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes bei einer solchen Fallkonstellation wären unter anderem (siehe Fenyves in WoBl 1988, 55 [59])

a) der Rückfluß des von der Drittantragsgegnerin (als "Vermietungs-GesmbH") eingehobenen Untermietzinses an die Hauseigentümer derart, daß diese im Ergebnis mehr als den Kategorienmietzins erhalten;

b) das Fehlen von Investitionen durch die Drittantragsgegnerin;

c) die Speisung solcher Investitionen aus dem Vermögen der Hauseigentümer, die das erforderliche Kapital - wenn auch über Umwege - der Drittantragsgegnerin zur Verfügung stellten;

d) die Beherrschung der Drittantragsgegner durch die Hauseigentümer oder

e) das Erreichen desselben Zweckes durch Einschaltung von Familienmitgliedern oder sonstiger Strohmänner.

Entscheidendes Gewicht haben also wirtschaftliche Gesichtspunkte, die sich am besten mit Hilfe des Satzes darstellen lassen: Je deutlicher der Rückfluß an den Hauseigentümer ist und je stärker er die "VermietungsGesmbH" beherrscht, desto eher kann von einem Umgehungsgeschäft die Rede sein. Von diesen - wenn auch nur beispielsweise aufgezählten - Umständen könnte nach den getroffenen Feststellungen nur das Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Hauseigentümern einerseits und den Gesellschaftern bzw dem Geschäftsführer der Drittantragsgegnerin andererseits als Indikation für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes zum Tragen kommen. Diesbezüglich ist aber zu sagen, daß dieses bestehende Verwandtschaftsverhältnis im Zusammenhang mit den anderen hier konkret getroffenen Feststellungen nicht die Annahme rechtfertigen kann, es bestehe bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, daß ein Umgehungsgeschäft im Sinne des § 2 Abs 3 Satz 1 MRG vorliegt.

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG.

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