European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0150OS00032.9500000.0324.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Rita T* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Beim Landesgericht Feldkirch ist gegen Rita T* (und eine andere Beschuldigte) zum AZ 27 Vr 1290/94 ein Strafverfahren wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB anhängig. Rita T* steht im Verdacht, in der Zeit vom 11. bis 21. Jänner 1993 sowie (nach einer Untersuchungshaft vom 26. Jänner 1993 bis 20. August 1993) neuerlich vom 4. November 1993 bis 28. Oktober 1994 teils als Einzeltäterin, teils im Zusammenwirken mit Irmgard H* in einer Vielzahl von Fällen Betrügereien mit einem Schaden in der Höhe von ca. 3,7 Mio S begangen sowie (allein) den Dieter E* und die Irmgard H* dadurch verleumdet zu haben, daß sie am 14. November 1994 vor dem Gendarmerieposten Feldkirch Stadt vorbrachte, E* konsumiere Suchtgift, das ihm von H* geliefert werde (S 109/VI).
Über die am 3. November 1994 um 22,40 Uhr (neuerlich) festgenommene Beschuldigte T* wurde mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom 4. November 1994 die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht‑, Verdunkelungs‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a bis c StPO verhängt (ON 5). In der Folge hat der Untersuchungsrichter die Fortsetzung der Untersuchungshaft wiederholt (ON 20 und 30) und zuletzt mit Beschluß vom 17. Jänner 1995 (ON 46) aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr angeordnet, wobei diesem Beschluß Wirksamkeit bis zum 20. März 1995 zuerkannt wurde.
Der von Rita T*gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem angefochtenen Beschluß insoweit teilweise Folge, als das Vorliegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO) verneint wurde; im übrigen wurde der Beschwerde (der Sache nach) nicht Folge gegeben, die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a bis c StPO angeordnet und ausgesprochen, daß dieser Beschluß bis 3. April 1995 wirksam sei.
Gegen den abweislichen Teil dieser Beschwerdeentscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz richtet sich die rechtzeitig erhobene Grundrechtsbeschwerde, die jedoch nicht berechtigt ist.
Die Beschwerdeführerin, die das Vorliegen eines dringenden Tatverdachtes nicht bekämpft, vermeint im Grundrecht auf persönliche Freiheit dadurch verletzt worden zu sein, daß die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft "zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis" stehe und daß die Voraussetzung der Haft, nämlich der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr vom Oberlandesgericht unrichtig beurteilt worden sei.
Dem ist vorerst zu entgegnen, daß die Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die Bedeutung der Sache ‑ dh der Straftat ‑ oder die zu erwartende Strafe abzustellen hat (§ 180 Abs 1 StPO); der Zweck der Untersuchungshaft ist nur bei Beurteilung der Frage, ob er durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann, von Bedeutung (§ 180 Abs 1 aE StPO iVm § 180 Abs 5 StPO).
Daß die Beschuldigte hochschwanger ist, hat weder Einfluß auf die Bedeutung der Sache noch auf die Beurteilung, ob die Untersuchungshaft im Vergleich zu einer zu erwartenden Strafe unverhältnismäßig ist. Gelindere Mittel können vorliegend hingegen den Zweck der Untersuchungshaft nicht substituieren, die aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr verhängt (und aufrecht erhalten) wurde. Angesichts der gewichtigen Vorabstrafungen der Beschwerdeführerin in Verbindung mit der Tatsache, daß sie während des beim Landesgericht Feldkirch zum AZ Vr 139/93 anhängigen Strafverfahrens, das in das gegenständliche Verfahren einbezogen wurde, nachdem sie am 20.August 1993 gegen Gelöbnis und Erteilung von Weisungen (§ 180 Abs 5 Z 1 bis 4 StPO ‑ ON 56 in ON 10) aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, erneut in überaus raschem Rückfall massiv Betrügereien mit hohem Schaden verübte, ist die Befürchtung neuerlicher Rückfälligkeit in die Schwerkriminalität für den Fall der Enthaftung gerechtfertigt, sodaß die Fortsetzung der Untersuchungshaft zur Erreichung ihres Zwecks geradezu erforderlich ist, zumal eine Schwangerschaft der Begehung von Betrugstaten, insbesondere solche der in Untersuchung stehenden Art, nicht entgegensteht. Daß gelindere Mittel versagt haben, ist evident.
Da Rita T* am 18. Jänner 1995 von der Justizanstalt Feldkirch aus medizinischen Gründen im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft zum weiteren Vollzug der Untersuchungshaft in die besondere Frauenabteilung der Justizanstalt Innsbruck überstellt wurde, ist dort für eine ausreichende medizinische Versorgung der Beschwerdeführerin gesorgt, sodaß nicht länger von einer gesundheitlichen Gefährdung der Schwangeren und der Leibesfrucht gesprochen werden kann.
Der Behauptung, Reinhold S*, "der Freund und Lebensgefährte" der Beschuldigten, werde dieser Halt geben und alles daran setzen, daß sie nicht mehr straffällig wird, weshalb auch aus diesem Grund die Haft "zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis" stehe, ist zu erwidern, daß nach der Aussage des Genannten die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft im Hinblick auf das zu erwartende gemeinsame Kind erst für die Zukunft in Aussicht gestellt ist, eine Lebensgemeinschaft sohin zur Zeit noch gar nicht besteht (S 13/VIII). Darüber hinaus ergab diese Aussage, daß die Beziehung zwischen dem Zeugen und der Beschwerdeführerin in erheblichem Maße durch Mißtrauen getrübt ist, weil er (erst) auf andere Weise als durch sie von ihrem kriminellen Vorleben erfahren hatte.
So gesehen erweist sich das Naheverhältnis des Zeugen S* zur Beschuldigten als nicht geeignet, die Gefahr ihrer neuerlichen Straffälligkeit zu beseitigen.
Aus all diesen Erwägungen besteht aber auch ‑ ungeachtet ihres Teilgeständnisses ‑ der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a bis c StPO weiter fort, zumal die Beschuldigte im Verdacht steht, auch nach der Aufnahme der Beziehung zum Zeugen S* (im Juni 1994 ‑ S 13/VIII) und nach dem Beginn ihrer Schwangerschaft (in ihrer Beschwerde vom 18. Jänner 1995 bringt sie vor, im sechsten Monat schwanger zu sein, die Schwangerschaft wäre demnach kurz nach ihrer Enthaftung vom 20. August 1993 eingetreten) Betrugshandlungen verübt zu haben. Der Beschwerdebehauptung aber, Gesundheit und körperliches Wohlergehen des Ungeborenen und auch der Kindesmutter hätten Vorrang vor jedweder Haft, ist zu entgegnen, daß auch die Tatsache, daß Rita T* Mutter eines nunmehr fünf Jahre alten Kindes ist, sie in der Vergangenheit von der immer wiederkehrenden Verübung von Betrügereien nicht abgehalten hat.
Insgesamt zeigt sich, daß der Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck mit dem Gesetz jedenfalls in Einklang steht und somit keine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit der Beschwerdeführerin stattgefunden hat, weswegen ihre Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
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