OGH 13Os200/94

OGH13Os200/9415.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schaumberger als Schriftführer im Verfahren gegen Helmut W***** zur Unterbringung in einer Anstalt nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2.November 1994, GZ 26 Vr 2076/94-52, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Bassler, und des Verteidigers Dr.Prchlik, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft, den Betroffenen Helmut W***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung lägen nicht vor, weil es sowohl an der mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Anlaßtat als auch an der Gefährlichkeitsprognose mangle.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war der Betroffene wegen Hebephrenie, der ungünstigsten Verlaufsform der Schizophrenie, zur Tatzeit zurechnungsunfähig. Er betrat am 11.Juli 1994 mit Hut und Sonnenbrille getarnt eine Sparkassenfiliale in Reutte, richtete gegen die Angestellte Birgit H***** eine Pistole oder eine Pistolenattrappe und versuchte, ihr mit den Worten "Überfall, Geld her" Bargeld abzunötigen.

Da er in der Folge auf Zureden der Bedrohten und eines weiteren Bankangestellten die Filiale ohne Beute verließ, billigte ihm das Erstgericht (wie schon die Staatsanwaltschaft in ihrem Antrag) Rücktritt vom Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 2. Fall StGB zu (§ 16 Abs 1 StGB).

Zum bereits vollendeten Delikt, das die Staatsanwaltschaft als Vergehen der gefährlichen Drohung (mit dem Tode) nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB, sohin als eine dem § 21 Abs 1 StGB entsprechende Anlaßtat, beurteilt hatte, konstatierte das Schöffengericht, es könne "nicht festgestellt werden", daß der Betroffene Birgit H***** vorsätzlich "durch Vorhalt mit der Pistole mit dem Tode bedroht" habe (US 6), beurteilte demgemäß die Tat als (unqualifiziertes) Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und wies den Antrag der Staatsanwaltschaft (unter anderem schon) mangels Vorliegens einer mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Anlaßtat ab (US 9).

Rechtliche Beurteilung

Schon der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) der dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht stützte die sogenannte "Negativfeststellung" in Ansehung der Todesdrohung darauf, daß der Betroffene keine verbale Todesdrohung ausgesprochen hat und die Pistole verwendete, "um an das Geld der Bank heranzukommen", sonst gebe es keine darüber hinausgehenden Anzeichen für den Vorsatz, daß der Betroffene mit dem Tode drohte (US 7).

Eine solche Drohung liegt aber vor, wenn der Täter im Bedrohten Furcht vor einem Anschlag auf sein Leben hervorrufen wollte und der Bedrohte nach den Umständen objektiv den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, die Todesfolge zu verwirklichen. Ein Eindruck, der - auch ohne Worte zu verwenden - dadurch entstehen kann, daß der Täter, ohne daß der Bedrohte dies erkennt, mit einer Waffenattrappe (was das Erstgericht für möglich hielt) droht (Leukauf-Steininger Komm3, § 106 RN 5). Das Schöffengericht hat nun ersichtlich objektiv (SSt 48/61) eine Drohung "mit dem Tod" für gegeben erachtet, für die Zurechnung der Deliktsqualifikation aber den diesbezüglichen Vorsatz - wobei hiefür bedingter (§ 5 Abs 1 2. Halbsatz StGB) genügt - verneint.

Zutreffend zeigt demgegenüber die Staatsanwaltschaft auf, daß der Schluß auf inneres Vorhaben meist nur aus den äußeren Umständen, vor allem dem Tatablauf, gezogen werden kann. Demgemäß hätte das Erstgericht die Angaben der Zeugin Birgit H*****, wonach der Betroffene "die Faustfeuerwaffe" aus einer Entfernung "von höchstens einem Meter" gegen ihre Brust richtete (AS 80; 131), in seine Erwägungen einbeziehen müssen und - soferne diese Position als erwiesen angenommen wird - im Urteil darzulegen gehabt, aus welchen besonderen Gründen dennoch der (zumindest bedingte) Vorsatz des Betroffenen, Birgit H***** mit dem Tode zu bedrohen, nicht als erwiesen angenommen werden kann. Da das Erstgericht sohin eine entscheidende Tatsache betreffenden (AS 311) Beweisergebnissen nicht Rechnung getragen hat, ist das Urteil nichtig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

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