European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00022.9500000.0310.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, daß Susanne G* das Suchtgiftverbrechen (Punkt B des Urteilssatzes) gewerbsmäßig (§ 12 Abs 2 SGG) begangen hat, sowie im Ausspruch, daß von einer Zusatzstrafe abgesehen wird (§ 40 zweiter Satz StGB), aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Susanne G* wird für das ihr nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches zur Last liegende Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG nach dieser Gesetzesstelle zu 9 (neun) Monaten Freiheitsstrafe sowie zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens verurteilt.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Susanne G* des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 erster Fall SGG als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie in der Zeit von Mitte Jänner 1994 bis 16.(richtig: 26.)Jänner 1994 in Wien zur Ausführung des Suchtgiftverbrechens der Mitangeklagten Martin B* und Erich K*, die im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider 20 Gramm Heroin durch Verkauf an nicht mehr feststellbare Süchtige in Verkehr setzten, dadurch beigetragen hat, daß sie in einem Kaffeehaus das Suchtgift verwahrte und jeweils nur kleine Mengen an die Genannten zum Verkauf herausgab (Punkt B iVm Punkt A/I/a des Urteilssatzes).
Unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. November 1993, GZ 6 d Vr 5.255/93‑30, wurde von einer Zusatzstrafe nach dem Strafsatz des § 12 Abs 2 SGG abgesehen.
I. Dagegen richtet sich zu Recht die auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 31 Abs 1 StGB ist eine Zusatzstrafe zu verhängen, wenn jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon im früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Wäre bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die im früheren Urteil verhängte auszusprechen, so ist von einer Zusatzstrafe abzusehen (§ 40 zweiter Satz StGB).
Zutreffend zeigt die Staatsanwaltschaft auf, daß darnach eine Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.November 1993 nicht in Betracht kommt, weil die im gegenständlichen Verfahren abgeurteilten Taten in der Zeit von Mitte Jänner 1994 bis 26. Jänner 1994, sohin nach diesem Urteil begangen wurden und daher nicht schon im früheren Verfahren hätten abgeurteilt werden können.
Eine Bedachtnahme auf das ‑ vom Erstgericht nicht erwähnte ‑ rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. März 1994, GZ 12 c E Vr 16.531/93‑10, mit dem die Angeklagte wegen der Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (Tatzeit: 30. September 1992 bis 1. Jänner 1993) schuldig erkannt wurde, scheidet ebenfalls aus.
Dieses Urteil wurde zwar zeitlich nach der gegenständlichen Straftat (Tatzeitraum Jänner 1994) gefällt, die somit gleichzeitig hätte abgeurteilt werden können (§ 56 StPO), es nahm aber seinerseits (zu Recht) auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. November 1993 Bedacht, das mit dem angefochtenen Urteil ‑ wie dargelegt ‑ eben nicht im Sinne des § 31 StGB tatzeitmäßig verknüpft ist. Die Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB hat zwar auch in Ansehung mehrerer Vor‑Urteile zu erfolgen, doch ist dafür vorausgesetzt, daß die zuletzt abgeurteilte Tat vor dem ersten der in Betracht kommenden früheren Urteile verübt worden ist. Nimmt ein Vor‑Urteil seinerseits auf ein (noch) früheres Urteil gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht, so kommt daher eine Bedachtnahme auf dieses Vor‑Urteil nur dann in Betracht, wenn die nunmehr abgeurteilte Tat nach der Zeit ihrer Begehung auch schon im früheren (ersten) Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Wurde aber ‑ wie hier ‑ die Tat (Jänner 1994) zwar vor dem letzten Vor‑Urteil (21.März 1994), aber nach dem ersten Vor‑Urteil (23.November 1993) verübt, so ist § 31 StGB nicht anwendbar (EvBl 1983/109; Leukauf‑Steininger Komm3 § 31 RN 15, 16 mwN aus Jud und Lit; Foregger‑Serini StGB5 § 31 Erl III aE).
Diese besondere Konstellation bietet im konkreten Fall übrigens nicht einmal Anlaß zu einem von der Rechtsprechung auch außerhalb des durch § 31 StGB vorgegebenen zeitlichen Rahmens zugelassenen ausgleichenden Berücksichtigung bei der Strafbemessung (SSt 42/45; Leukauf‑Steininger aaO RN 13), weil einerseits die eine Bedachtnahme auf das Urteil vom 23. November 1993 ausschließende Nachstraftat (nämlich das hier urteilsgegenständliche Suchtgiftverbrechen vom Jänner 1994) keineswegs verhältnismäßig unbedeutend ist und andererseits im Urteil vom 21. März 1994 ohnedies keine Zusatzstrafe verhängt worden ist, die Billigkeitserwägungen der erwähnten Art auslösen könnte.
Somit hat der Gerichtshof durch das Absehen von einer Zusatzstrafe seine Strafbefugnis (zum Vorteil der Angeklagten) überschritten (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO), was in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ‑ und zwar ohne Rücksicht auf die aus den folgenden Erwägungen notwendig gewordene Änderung der schuldspruchmäßigen Grundlage eines Strafausspruches ‑ durch Aufhebung dieses Ausspruches zu korrigieren war.
II. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof aber zudem davon überzeugen, daß das Strafgesetz auch zum Nachteil der Angeklagten unrichtig angewendet worden ist (§§ 281 Abs 1 Z 10, 290 Abs 1 StPO), indem ihre Tat dem Qualifikationstatbestand des § 12 Abs 2 erster Fall SGG unterstellt wurde.
Nach den Urteilsannahmen (US 8) haben zwar die Mitangeklagten Martin B* und Erich K* (sowie der gesondert verfolgte Ahmed T*) den Suchtgifthandel gewerbsmäßig betrieben, um sich dadurch eine zusätzliche Einnahmsquelle zur Finanzierung ihres Drogenkonsums zu erschließen, nicht jedoch die Angeklagte, bei der nicht einmal festgestellt ist, ob und allenfalls welchen Anteil sie aus dem Verkaufserlös erhalten hat.
Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung derjenige, der sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Fremdnützigkeit, also das Abzielen auf die fortlaufende Einnahme eines anderen, sei es eines Beteiligten (§ 12 StGB), sei es eines strafrechtlich unbeteiligten Dritten, genügt daher nicht; noch viel weniger die bloße Kenntnis davon (US 7 unten), daß ein Beteiligter gewerbsmäßig handelt. Die Gewerbsmäßigkeit belastet immer nur denjenigen, in dessen Person dieses Merkmal vorliegt (stRsp: SSt 48/96; JBl 1979,662; EvBl 1980/89; JBl 1980,436; EvBl 1983/97; JUS 1993/6/1137; NRsp 1993/208 uva; siehe auch die überwiegende Lehre: Bertel‑Schwaighofer BT I3 § 130 Rz 9; Kienapfel BT II3 § 130 RN 14; Fabrizy in WK § 14 Rz 20; Foregger‑Serini StGB5 Erl III zu § 14, Erl III zu § 70; Mayerhofer‑Rieder StGB4 Anm 6 zu § 14; Pallin in WK § 70 Rz 15; Triffterer AT2, 419; aM: Wegscheider in ÖJZ 1979,66).
Für dieses Ergebnis ist es gleichgültig, ob man die Gewerbsmäßigkeit dem Unrechtstatbestand (so Kienapfel AT5 E 7 RN 37; ders BT II3 § 130 RN 4,14; Fabrizy aaO; idS auch Wegscheider aaO) oder der Schuld zurechnet (so Foregger‑Serini StGB5 Erl III zu § 70; Leukauf‑Steininger Komm3 § 14 RN 17, § 70 RN 7; Pallin in WK § 70 Rz 2; Triffterer AT2, 95; ders im StGB‑Komm § 148a, Rz 61 ff; sowie die zit Judikatur). Im ersten Fall fehlt es in Ansehung des nicht auf eigene Einnahmen abzielenden Täters an einem subjektiven (Unrechts‑)Tatbestandsmerkmal, im anderen ist ihm die Gewerbsmäßigkeit mangels eines ihn insoweit treffenden Schuldvorwurfes zufolge § 13 StGB nicht zuzurechnen, weshalb dieser Meinungsstreit für die Frage der Gewerbsmäßigkeit bei Mehrbeteiligung ohne jede Bedeutung ist (Fabrizy aaO; Triffterer AT2, 419; Kienapfel BT II3 § 130 RN 14). Die nur auf die Sonderdelikte zugeschnittene Zurechnungsregel des § 14 StGB kommt in diesem Zusammenhang ‑ entgegen ihrer Heranziehung in manchen, aber keineswegs allen obzitierten Entscheidungen ‑ nicht zur Geltung, weil gewerbsmäßiges Handeln weder eine besondere persönliche Eigenschaft noch ein besonderes persönliches Verhältnis des Täters darstellt, worunter nämlich nur solche Eigenschaften und Verhältnisse zu verstehen sind, die in seiner Person unabhängig vom Tatgeschehen vorliegen. Deliktstypisch vorausgesetzte bestimmte Motive oder Gesinnungen des Täters bei der Tat fallen nicht darunter (Nowakowski in WK Vorbem zu §§ 3 bis 5 Rz 63; vgl auch Fuchs, Strafrecht AT I, 331; Kienapfel AT5 E 7 RN 23, 37; Mayerhofer‑Rieder StGB4 Anm 6 zu § 14).
Somit war auch der Ausspruch über die gewerbsmäßige Begehungsweise der Tat durch die Angeklagte (§ 12 Abs 2 SGG) aus dem Ersturteil zu eliminieren.
Es bleibt noch anzumerken, daß die Tathandlung der Angeklagten nicht bloß als Tatbeitrag, sondern ihrerseits als unmittelbares Inverkehrsetzen des Suchtgiftes schon durch dessen Übergabe an Martin B* und Erich K* zu beurteilen gewesen wäre, was indes wegen der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen des § 12 StGB auf sich beruhen kann.
Bei der nunmehr vorzunehmenden Strafbemessung nach § 12 Abs 1 SGG waren die einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall der Angeklagten erschwerend; mildernd ihr Geständnis. Die verhängte Freiheitsstrafe entspricht der unrechtsbezogenen Schuld (§ 32 StGB). Sie steht auch zu den Freiheitsstrafen, die über die Mitangeklagten verhängt worden sind, denen die Privilegierung des § 12 Abs 2 zweiter Satz SGG zugute gehalten worden ist, in einem ausgewogenen Verhältnis.
Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.
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