OGH 6Ob505/95

OGH6Ob505/959.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Josef R*****, geboren am 8.Juni 1977, und des mj. Harald R*****, geboren 28.April 1978, infolge des Revisionsrekurses des mj.Harald R*****, vertreten durch den Unterhaltssachwalter Bezirkshauptmannschaft ***** Jugendamt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 21.Oktober 1994, AZ R 541/94 (ON 66), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mattersburg vom 31.August 1994, GZ P 55/80-59, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß dem mj.Harald R***** für die Zeit vom 1.9.1994 bis 31.8.1995 gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG ein monatlicher Unterhaltsvorschuß von S 1.400,-- weitergewährt und nur ein Mehrbegehren von S 600,-- monatlich abgewiesen wird.

Text

Begründung

Der Vater des am 28.April 1978 geborenen Knaben hatte sich in dem, mit Beschluß des Erstgerichtes vom 20.11.1986 pflegschaftsgerichlich genehmigten Vergleich der Eltern vom 5.November 1986 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.000,-- je Kind verpflichtet (ON 38). Er ist seit Jahren unbekannten Aufenthaltes. In seinem erlernten Beruf als Landwirtschaftsmeister könnte er monatlich zwischen S 9.000,-- und S 10.000,-- netto verdienen.

Am 16.8.1994 beantragte der Jugendwohlfahrtsträger namens des Minderjährigen die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse (§§ 3, 4 Z 1 UVG) in der Höhe der Exekutionstitel von monatlich S 2.000,-- je Kind.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse hinsichtlich des mj. Harald nur im Ausmaß von S 1.100,-- monatlich (ON 59).

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Kindes nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Gegen die Höhe des Unterhaltsvorschusses hegte das Rekursgericht nicht aus dem Grund der mangelnden Leistungsfähigkeit des Vaters Bedenken, sondern deswegen, weil das Kind über eine (nach Abzug des für den Lehraufwand benötigten Teiles) anrechenbare Lehrlingsentschädigung von S 5.500,-- verfüge. Dieses Eigeneinkommen sei auf die von den Eltern gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen anzurechnen. Nach der in der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 26.August 1992, 1 Ob 560/92, SZ 65/114, entwickelten Berechnungsregel ergebe sich hier ein Beitragsverhältnis von 45 % zu 55 % und danach ein konkreter Unterhaltsanspruch des Kindes von S 1.400,-- monatlich. Dabei werde aber nicht berücksichtigt, daß die Betreuungsleistungen bei Kindern über 17 Jahre gegenüber den Geldunterhaltszahlungen im Verhältnis 1 :

2 zu gewichten seien, bei unter 10 Jahre alten Kindern betrage dieses Verhältnis 2 : 1 und bei Kindern zwischen 10 und 17 Jahren sei eine Gleichwertigkeit der elterlichen Leistungen anzunehmen. Die Gewichtung aus der Differenz zwischen der Mindestpension nach § 293 Abs.1 lit.a sublit bb und b ASVG und dem Durchschnittsbedarf abzuleiten, sei deswegen problematisch, weil die Mindestpension wesentlich stärker gestiegen sei als der sogenannte Regelbedarf. Aufgrund der geringen Leistungsfähigkeit des Vaters sei die in Abzug zu bringende Quote des Eigeneinkommens des Kindes nicht vom festgesetzten Unterhaltsanspruch, sondern vom Regelbedarf in Abzug zu bringen, im vorliegenden Fall seien also S 2.750,-- vom Regelbedarf von S 3.850,-- abzuziehen. Bei letzterem seien die für das Jahr 1993 veröffentlichten Bedarfssätze heranzuziehen, weil im Burgenland gegenüber den anderen Bundesländern etwas niedrigere Lebenshaltungskosten bestünden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß namens des Kindes erhobene Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig (weil das Rekursgericht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist), er ist auch berechtigt.

Die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Elternteile durch ein Eigeneinkommen des unterhaltsberechtigten Kindes entlastet werden sollen, hat der Oberste Gerichtshof mit seiner Entscheidung des verstärkten Senates vom 26.8.1992 dahin beantwortet, daß bei einfachen Lebensverhältnissen das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen sei (1 Ob 560/92, veröffentlicht in SZ 65/114). Im Anlaßfall ergab sich bei dieser Entscheidung eine annähernde Gleichwertigkeit der Leistungen der beiden Elternteile.

Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, in der gestellten Frage bei den hier ebenfalls vorliegenden einfachen Lebensverhältnissen von der angeführten Berechnungsregel wieder abzugehen und zu der vor der Entscheidung des verstärkten Senates bestandenen Diskussion über die Gewichtung der Elternleistungen zurückzukehren. Der Umstand, daß die Mindestpension seit 1992 stärker gestiegen ist, als die veröffentlichten Durchschnittsbedarfssätze, ist schon deshalb nicht rechtserheblich, weil sich hier auch unter Zugrundelegung des für 1993 veröffentlichten Regelbedarfssatzes von S 3.850,-- und des Richtsatzes der Mindestpension in der Höhe von S 7.500,-- (für das Jahr 1994 laut BGBl 1994/20) x 14 : 12 (also S 8.750,--) konkret ein Verhältnis von 44 : 56 % errechnet, bei welchem durchaus noch von einer Gleichwertigkeit der Elternleistungen ausgegangen werden kann, zumal es sich bei der Berechnungsregel nur um eine Orientierungshilfe handelt. Da der Lehrling über eine anrechenbare monatliche Entschädigung von S 5.500,-- verfügt, reduziert sich sein Unterhaltsanspruch auf S 3.250,--, sodaß gegen die Höhe des mit Revisionsrekurs angestrebten Unterhaltsvorschusses von S 1.400,-- monatlich keine Bedenken bestehen.

Auf die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 8 Ob 528/93, mit welcher vom zitierten Berechnungsgrundsatz des verstärkten Senates über die Gewichtung der elterlichen Leistungen keineswegs abgegangen wurde, braucht hier schon deswegen nicht weiter eingegangen werden, weil dort ein Fall mit deutlich gehobenen Einkommensverhältnissen des Unterhaltsschuldners zu beurteilen war. Hier liegen jedoch die einfachen Lebensverhältnisse vor, die der Oberste Gerichtshof bei der Entwicklung des Anrechnungsgrundsatzes im Auge hatte.

Dem Revisionsrekurs war stattzugeben. Der Unterhaltsvorschuß ist dem Kind wegen dessen Eigeneinkommens in einem nur auf S 1.400,-- monatlich reduzierten Ausmaß weiterzugewähren.

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