OGH 15Os23/95

OGH15Os23/959.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohrböck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wilhelm L***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB sowie des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.Oktober 1994, GZ 5 a Vr 3831/94-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wilhelm L***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A) sowie des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien vorsätzlich

A/ folgende unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er

1. zwischen Anfang Oktober 1986 und dem 5.Oktober 1987 wiederholt die am 6.Oktober 1973 geborene Martina E***** an ihrem Geschlechtsteil betastete und

2. zwischen Ende Jänner 1989 und 24.Jänner 1990 einmal die am 25. Jänner 1976 geborene Michaela E***** an ihrer Hand ergriff und mit dieser an sich onanierte sowie sie wiederholt im Bereiche ihres Busens und ihres Geschlechtsteils betastete;

B/ seine minderjährigen Stiefkinder zur Unzucht mißbraucht, und zwar

1. Martina E*****

a) zwischen Anfang Oktober 1986 und dem 5.Oktober 1987 durch die zu A/1. genannten Handlungen sowie

b) zwischen dem 6.Oktober 1987 und einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 1990, indem er wiederholt ihren Geschlechtsteil betastete;

2. Michaela E*****

a) zwischen Ende Jänner 1989 und dem 24.Jänner 1990 durch die zu A/2. genannten Handlungen sowie

b) zwischen dem 25.Jänner 1990 und einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 1992, indem er wiederholt ihren Busen und ihren Geschlechtsteil betastete.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Gründe der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO stützt.

In der Haupverhandlung am 24.Oktober 1994 beantragte der Verteidiger die "Einholung eines psychologischen Gutachtens der Zeugin Michaela E***** zum Nachweis dafür, "daß aus der ganzen Art ihrer Anzeigenerstattung sich ergibt, daß es sich offenbar um Phantasien in einem entwicklungsmäßigen schwierigen Zeitpunkt handelt". Diesen Beweisantrag wies das Schöffengericht durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 Abs 2 StPO mit der Begründung ab, daß zum Zeitpunkt der Vernehmung Michaela E***** 18 Jahre alt war und die Frage der Glaubwürdigkeit der Beweiswürdigung unterliege (S 201).

Durch die Abweisung des Beweisantrages erachtet der Beschwerdeführer den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gegeben; dies jedoch zu Unrecht.

Gleichwie eine Psychiatrierung eines Angeklagten nur dann zu veranlassen ist, wenn objektive Momente vorliegen, welche die Zurechnungsfähigkeit desselben in Frage stellen (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 121), wäre nach Lage des Falles die Einholung des beantragten psychologischen Gutachtens über die Zeugin Michaela E***** nur dann erforderlich gewesen, wenn reale Anhaltspunkte dafür vorgelegen wären, daß sie trotz ihres Alters von 18 Jahren durch eine außergewöhnliche Entwicklung bedingt zum Phantasieren neige; mangels solcher Hinweise und eines entsprechenden substantiierten Vorbringens im Beweisantrag läuft dieser lediglich auf Einholung eines unzulässigen Erkundungsbeweises hinaus (vgl Mayerhofer/Rieder aaO E 90 c), sodaß durch das erstinstanzliche Zwischenerkenntnis der Angeklagte in seinen Verteidigungsrechten nicht verkürzt wurde.

Aber auch seiner Mängelrüge (Z 5) kommt keine Berechtigung zu.

Der zu A/2. konstatierte Vorfall des Onanierens mit der Hand seiner damals noch unmündigen Stieftochter Michaela hat sich nach den Urteilsfeststellungen zu einer Zeit ereignet, als Michaela noch 13 Jahre alt war; demnach vermag die Aussage der Mutter des Mädchens, der Zeugin Renate L*****, im Februar 1992 habe Michaela neben dem Beschwerdeführer in den Ehebetten geschlafen, weil Manuela (die Tochter des Angeklagten mit der Zeugin Renate L*****) an "Zeugnisangst" gelitten und deshalb Renate L***** damals bei dem kranken Kind geschlafen habe, nicht unter Beweis zu stellen, daß Michaela zur Zeit der inkriminierten Tathandlung das 14.Lebensjahr bereits vollendet hatte, weil das Beweisverfahren keinen Anhaltspunkt dafür erbrachte, daß Michaela nur ein einziges Mal in den Ehebetten neben dem Angeklagten geschlafen und daß Manuela nur ein einziges Mal, nämlich im Jahr 1992 krank war und Renate L***** deshalb bei dem Kind geschlafen hat. Davon abgesehen hat das Schöffengericht die Aussage der Zeugin Renate L***** als nicht glaubwürdig gewertet (US 6).

Mit dem weiteren Vorbringen, anläßlich der kontradiktorischen Einvernahme der Zeugin Michaela E*****, bei der sowohl der Angeklagte als auch sein Verteidiger anwesend waren, habe der Verteidiger vorgebracht, daß ihm der Inhalt der dem Gericht vorgelegten Briefe (S 17-127) nicht bekannt sei und er dazu keine Fragen stellen könne, er habe sich aber eine diesbezügliche Fragestellung vorbehalten (S 155), der Inhalt dieser Briefe stelle jedoch eine bedeutende Rolle in diesem Verfahren dar und sei auch zu einem Hauptargument für den Schuldspruch geworden, der Beschwerdeführer habe aber nie die Möglichkeit gehabt, die Zeugin Michaela (erneut) zu diesen Briefen zu befragen, weshalb er in seinen Verteidigungsrechten in einem wesentlichen Bereich eingeschränkt worden sei, macht er keinen Begründungsmangel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO geltend, sondern behauptet einen Beweisaufnahmemangel im Sinn der Z 4 der zitierten Gesetzesstelle, zu dessen Relevierung er aber mangels einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung nicht legitimiert ist. Nur am Rande sei darauf verwiesen, daß sich die Briefe seit 6.April 1994 beim Akt befanden (S 1) und dem seit 7.April 1994 einschreitenden Verteidiger bis zur kontradiktorischen Vernehmung der Michaela E***** vom 10.Juni 1994, die bereits am 25.April 1994 angeordnet worden war (S 2 f), hinreichend Zeit zur Akteneinsicht und Vorbereitung zur Verfügung gestanden wäre, sodaß auch unter diesem Aspekt von einer Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten durch das Gericht nicht gesprochen werden könnte.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung gründet sich auf § 285 i StPO.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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