OGH 15Os24/95

OGH15Os24/959.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohrböck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz S***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems a. d.Donau als Schöffengericht vom 25.November 1994, GZ 16 Vr 356/93-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Franz S***** wurde des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1.) und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt und zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahre 1990 (vor dem 2.Juli 1990) in Hundsheim

(zu 1.) eine unmündige Person, nämlich seine am 24.Dezember 1983 geborene Tochter Eva Maria S*****, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbrauchte, indem er sie unterhalb des T-Shirts und der Unterhose am Geschlechtsteil abgriff, sie auszog, an den Geschlechtsorganen streichelte, ihr Zungenküsse gab und sie schließlich auf seinen Körper legte und rieb;

(zu 2.) durch die unter Punkt 1. geschilderte Tathandlung sein minderjähriges Kind auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbrauchte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch erhob der Angeklagte eine nominell nur auf die Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch bekämpfen er und die Staatsanwaltschaft mit Berufung.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Mit der Behauptung, das Erstgericht habe den Urteilskonstatierungen die als glaubwürdig beurteilten Angaben der Eva Maria S***** zugrunde gelegt, dabei aber übersehen, daß diesen Feststellungen schwerwiegende Beweisergebnisse entgegenstünden, macht der Beschwerdeführer zwar der Sache nach eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO geltend, offenbart dann aber in eigenmächtigen Schlußfolgerungen und in seiner zusammenfassenden Darstellung (245 ff: zB "Bei dieser Sachlage können die Behauptungen des Kindes ... keineswegs eine gesicherte Grundlage für einen Schuldspruch darstellen". "Die unglaubwürdige Zeugenaussage [des Unzuchtsopfers] zeigt sich insbesondere durch Widersprüche und Mangel an Detailtreue"), daß die Stoßrichtung der Nichtigkeitsbeschwerde einzig und allein dahin geht, die Glaubwürdigkeit der genannten Zeugin zu erschüttern und solcherart seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen. Der kritisch-psychologische Vorgang der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) ist jedoch der Anfechtung sowohl nach Z 5 als auch nach Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO entzogen (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 E 23 ff, § 285 Z 5 E 1 ff, 147 ff; § 281 Z 5 a E 3 f).

Unter diesem Blickwinkel sowie eingedenk des Umstandes, daß das Gericht nur verpflichtet ist (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), die Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen (Foregger/Kodek StPO6 S 396), vermögen demnach die vom Nichtigkeitswerber (Punkte 1., 2., 4. der Beschwerdeschrift) aus dem Zusammenhang gelösten und isoliert betrachteten (teilweise ohnehin irrelevanten) Passagen aus einem Bericht des Jugendamtes Krems an der Donau vom 1.Juli 1993 (15 ff) und einem schulpsychologischen Bericht (25), aus einer Äußerung des Angeklagten anläßlich seiner Vorsprache beim Bezirksgericht Langenlois am 4.September 1990 (Punkt 3. und S 245), ferner aus der gerichtlichen Aussage der Zeugin Andrea R***** einerseits über ihren aus einem mit der Kindesmutter Roswitha S***** im Juli 1990 geführten Gespräch gewonnenen Eindruck, andererseits über den Inhalt einer neuerlichen Befragung der Eva Maria S***** im Juni 1993 (Punkt 8.) sowie aus den Aussagen dieser unmündigen Zeugin anläßlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter am 23.Dezember 1993 (Punkt 10.) keinen formalen Begründungsmangel aufzuzeigen oder schwerwiegende Bedenken gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu erwecken.

Soweit die Beschwerde in den Punkten 5., 7. und S 247 auf sicherheitsbehördliche und gerichtliche Aussagen der Roswitha S***** Bezug nimmt, geht das Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil diese zufolge Inanspruchnahme des Entschlagungsrechtes nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO im Verlauf ihrer Zeugenvernehmung (194 ff) im Urteil zutreffenderweise gar nicht verwertet wurden (US 8 f) und demnach auch im Rechtsmittelverfahren nicht heranzuziehen sind.

Inwiefern ein im Akt erliegendes (im Urteil unerwähnt gebliebenes) Lichtbild, das die Unmündige halb aufgerichtet in einem Bett - über der Bettdecke - mit einem Freund ihrer Mutter darstellt, wobei dessen Oberkörper entblößt ist (Punkt 6 der Beschwerde), eine Nichtigkeit bewirkt haben soll, vermag die Beschwerde auch nicht ansatzweise darzutun.

Der Umstand hinwieder, daß Eva Maria S***** nach dem inkriminierten Zeitpunkt im Kinderheim mit Alexander K***** sexuellen Kontakt hatte (Punkt 9), wird in den Urteilsgründen (US 9 unten bis 10 oben) ausdrücklich erörtert.

Der Beschwerdekritik (246 4.Absatz), das Schöffengericht habe sich damit begnügt, das Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr.F***** über seine Untersuchung des Kindes zu verlesen, ohne den genannten Experten selbst zu hören, genügt es zu erwidern, daß es Sache des Angeklagten oder seines Verteidigers gewesen wäre, in der Hauptverhandlung einen darauf abzielenden, begründeten Antrag zu stellen, nach dessen Abweisung durch den Gerichtshof ihm die Verfahrensrüge nach der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO offengestanden wäre. Da dies nicht geschehen ist, kann das bezügliche Beschwerdevorbringen auf sich beruhen. Dies umsomehr, als der genannte Sachverständige sein Gutachten im Anschluß an die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Eva Maria S***** durch den Untersuchungsrichter in Gegenwart des Angeklagten und seines Verteidigers erstattet hat und beide Gelegenheit hatten, Fragen sowohl an die Zeugin (108 f) als auch an den Sachverständigen zu stellen (111 ff).

Nach eingehender Prüfung der in der Rechtsmittelschrift erhobenen Einwände, die weitgehend mit bloßen Wahrscheinlichkeitsüberlegungen und durch keinerlei Beweisergebnisse gedeckten Mutmaßungen unterlegt sind, gelangte der Oberste Gerichtshof daher zur Überzeugung, daß damit weder eine fehlerhafte Urteilsbegründung (Z 5) noch schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufgezeigt noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hingewiesen wird, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (Z 5 a). Die Tatrichter haben nämlich in einer kritischen Gesamtschau aller zur Verfügung stehenden Beweisergebnisse sowie unter Verwertung des vom Angeklagten, den Zeugen Hildegard G*****, Andrea R***** und Günter S***** in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks mit zureichender, denkmöglicher und plausibler Begründung dargetan, aus welchen Gründen sie den belastenden Aussagen der unmündigen Eva Maria S***** iVm deren Demonstrationen an einem "Puppenset" im Vorverfahren glaubten, hingegen die leugnende Verantwortung des Angeklagten für widerlegt erachteten.

Aus den angeführten Gründen war somit die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien (§ 285 i StPO).

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