OGH 14Os185/94

OGH14Os185/9428.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schaffer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christine K* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 21. September 1994, GZ 11 Vr 1.624/93‑76, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Resch zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00185.9400000.0228.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christine K* auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen unter Abweichung von der auf Mord lautenden Anklage des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt, weil sie am 23. Mai 1993 in Graz dem Hannes K* dadurch, daß sie ihm Schläge mit einer Hantel gegen den Kopf versetzte, absichtlich eine schwere Körperverletzung zufügte, die den Tod des Geschädigten zur Folge hatte.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch und den Strafausspruch mit einer auf die Z 8, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welche einer Überprüfung nicht standhält.

In der Instruktionsrüge (Z 8) behauptet die Beschwerdeführerin, daß die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung zufolge unvollständiger und undeutlicher Darlegungen zur Irreführung über den Rechtsbegriff der Absichtlichkeit geeignet gewesen wäre.

Dazu ist zunächst grundsätzlich hervorzuheben, daß der eingewendete Nichtigkeitsgrund eine unrichtige Rechtsbelehrung voraussetzt. Diese Unrichtigkeit wird verwirklicht, wenn der Inhalt der Belehrung gesetzlichen Bestimmungen oder Grundsätzen des Strafrechtes oder des Strafverfahrensrechtes widerspricht. Maßgebend sind dabei die Ausführungen in ihrer Gesamtheit und nicht ‑ wie in der Beschwerde angenommen ‑ einzelne aus dem Zusammenhang gelöste Teile der Rechtsbelehrung. Das bloße Vorbringen, es sei nicht gelungen, den Geschworenen einen Rechtsbegriff gemeinverständlich und vollständig darzulegen, kann den Nichtigkeitsgrund nicht aufzeigen, weil damit noch keine Unrichtigkeit der Belehrung ins Treffen geführt wird. Zur Bewältigung allfälliger Schwierigkeiten bei Verfassung einer richtigen Rechtsbelehrung sieht die Prozeßordnung ohnehin vor, daß sich der Vorsitzende am Schluß einer näheren Besprechung davon zu überzeugen hat, ob seine Belehrung von den Geschworenen verstanden worden ist (§ 323 Abs 2 und Abs 3 StPO).

Soweit die Beschwerdeführerin daher den ausführlichen einschlägigen Erläuterungen im allgemeinen Teil und in dem die Schuldfrage III (in Richtung absichtlicher schwerer Körperverletzung) betreffenden Teil der Rechtsbelehrung (S 5 und 13) bloß entgegenhält, es ergäbe sich daraus bezüglich des Unterschiedes zwischen vorsätzlicher und absichtlicher Tatbegehung kein "Anhaltspunkt" für die Erfaßbarkeit durch einen Laien, liegt eine unsubstantiierte Kritik vor, welche eine der Nichtigkeitssanktion entsprechende unrichtige rechtliche Aussage nicht bezeichnet. Die ferner beanstandete Umschreibung der Absichtlichkeit als "klassische Urform der Finalität" vermittelt zwar schon wegen des abgehobenen sprachlichen Zuganges gewiß keine für sich allein akzeptable Begriffsaufklärung, stellt aber bei der gebotenen Berücksichtigung des Textzusammenhanges eher eine illustrative Beifügung als eine Erläuterung dar und enthält jedenfalls keine rechtliche Unrichtigkeit.

Zum noch verbleibenden Einwand gegen die Rechtsbelehrung ist der Beschwerdeführerin durchaus einzuräumen, daß keine absichtliche schwere Körperverletzung vorliegt, wenn der Täterwillen auf ein anderes Ziel gerichtet ist als darauf, das Opfer zu verletzen. Es trifft jedoch nicht zu, daß den Geschworenen eine gegenteilige Vorstellung nahegebracht wurde. Der in Beschwerde gezogenen, gar keinen abweichenden, sondern einen kumulativen Vorstellungsinhalt betreffenden Passage ("Absichtlichkeit ist aber nicht nur dann anzunehmen, wenn der Täter die schwere Körperverletzung des Opfers als Endzweck anstrebt, sondern auch dann, wenn er sich den genannten Erfolg lediglich als Mittel zur Erreichung eines weiteren Zwecks zum Ziel setzt") ist nämlich bei denkgesetzmäßiger Interpretation eine solche Deutungsmöglichkeit nicht zu entnehmen. Somit hält die Rechtsbelehrung auch in diesem Punkt der Anfechtung stand.

Die Rechtsrüge (Z 12) gesteht eingangs zu, daß eine zulässige Bekämpfung von den Feststellungen des Wahrspruches auszugehen hat, argumentiert aber dessenungeachtet keineswegs mit einem inhaltlichen Verständnis des Verdikts im Sinne der übrigen Aktenlage, sondern nimmt unter Heranziehung wahrspruchsfremder Verfahrensumstände gegen die Lösung der Tatfrage Stellung, ohne zudem das andere Strafgesetz zu bezeichnen, welches nach Ansicht der Beschwerdeführerin anzuwenden gewesen wäre. Solcherart gelangt der herangezogene materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund in mehrfacher Beziehung nicht zur prozeßordnungsmäßigen Ausführung (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 345 Z 12 Nr 6 und 8).

Letztlich versagt auch der Einwand in der Sanktionsrüge (Z 13), wonach dem Tatbestand der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge bereits eine besonders brutale Vorgangsweise des Täters immanent sei und demgemäß in der zusätzlichen Wertung einer solchen Modalität als Erschwerungsgrund ein Rechtsfehler liege. Der Tatbestand läßt nämlich in Wahrheit die Begehungsweise offen, sodaß durchaus Raum dafür bleibt, im Einklang mit den im § 32 Abs 3 StGB umschriebenen Strafbemessungsgrundsätzen eine akzentuierte Rücksichtslosigkeit bei der Tatausführung als Erschwerungsumstand zu werten. Die besonders brutale Vorgangsweise bei Zufügung der Körperverletzung ist dem Beschwerdestandpunkt zuwider sohin keine zwangsläufige Voraussetzung der Todesfolge, sondern sehr wohl einer zusätzlichen Würdigung zugänglich.

Die übrigen Einwände, daß Milderungsgründe unbeachtet geblieben seien und die außerordentliche Strafmilderung anzuwenden gewesen wäre, bezeichnen keine Anwendungsfälle der Nichtigkeitssanktion, sondern enthalten ein Berufungsvorbringen (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 11 Nr 6 und 17).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über Christine K* nach dem zweiten Strafsatz des § 87 Abs 2 StGB fünf Jahre Freiheitsstrafe. Dabei wertete es die bisherige Unbescholtenheit, "eine gewisse" Provokation durch das Opfer und "eine gewisse" Erregung zur Tatzeit als mildernd, als erschwerend hingegen die besonders brutale Vorgangsweise.

Die dagegen erhobene Berufung der Angeklagten, mit welcher sie eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter das gesetzliche Mindestmaß (§ 41 StGB) anstrebt, ist nicht berechtigt.

Weitere Milderungsgründe kommen ihr nicht zugute, zumal sie sich ‑ das Vorliegen einer Notwehrsituation behauptend ‑ weder reumütig, noch der Wahrheitsfindung dienend verantwortete. Die sich im mehrfachen Zuschlagen mit einer Hantel manifestierende besonders brutale Vorgangsweise gegen den Kopf des Tatopfers fand zutreffend erschwerende Berücksichtigung. Daß der Provokation der Berufungswerberin und ihrer Erregung zur Tatzeit ohnedies erhebliches Gewicht beigemessen wurde, zeigt die Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe. Für eine außerordentliche Strafmilderung nach § 41 StGB ist kein Raum.

Somit war auch der Berufung der Erfolg zu versagen.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

 

Stichworte