OGH 10ObS293/94

OGH10ObS293/9428.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinz Paul und Dr.Martin Meches (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter S*****, vertreten durch Dr.Heinz Kallan, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Oktober 1994, GZ 7 Rs 96/94-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. April 1994, GZ 31 Cgs 244/93a-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sozialrechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 14.6.1939 geborene Kläger absolvierte nach Beendigung der Pflichtschule die Tischlerlehre und war nach Ende der Lehrzeit bis Dezember 1969 mit Unterbrechungen bei verschiedenen Arbeitgebern als Tischler beschäftigt. Mit 1.1.1970 machte er sich als Tischlermeister selbständig. Er führte eine Bau- und Möbeltischlerei mit Betriebsräumlichkeiten von ca 300 m2 und beschäftigte bis zu 5 Mitarbeiter. Daneben verfügte der Kläger über eine Gewerbeberechtigung für Möbelhandel und Bodenverlegung. Der Kläger legte die Gewerbeberechtigung für den Kleinhandel im Jahr 1989 zurück; die übrigen Gewerbeberechtigungen hatte er bereits 1988 zurückgelegt. Haupteinnahmsquelle des Klägers war die Tischlerei und nicht der Möbelhandel.

Der Kläger begehrt mit der gegen den abweisenden Bescheid der beklagten Partei gerichteten Klage die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension (nach Einschränkung des ursprünglichen Begehrens) ab 1.7.1993.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage; die gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Leistung seien nicht erfüllt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte die Ergebnisse der einzelnen Gutachten der beigezogenen Sachverständigen aus verschiedenen medizinischen Fachgebieten und die darin bezeichneten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Klägers dar und kam zum Ergebnis, daß der Kläger nicht in der Lage sei, Tätigkeiten auszuüben, die gleichwertige Kenntnisse erfordern wie die vom Kläger ausgeübten. In den Aufgabenbereich eines Möbeltischlers fielen etwa Arbeitern auf Leitern, die der Kläger nicht mehr verrichten könne. Auch als Antiquitätentischler oder Kassettentischler könne er nicht mehr tätig sein, weil auch die damit verbundenen Arbeiten das Leistungskalkül überschritten. Die Voraussetzungen des § 133 Abs 2 ASVG idF der 19.GSVGNov 1993 seien daher erfüllt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es treffe zwar zu, daß das Erstgericht nicht geprüft habe, ob und welche Tätigkeiten der Kläger in der Tischlerei verrichtet habe, die er aufgrund seines Leistungskalküls nicht mehr verrichten könne und inwieweit eine Umorganisation dahin möglich gewesen wäre, daß der Kläger in seinem Betrieb unter Vermeidung kalkülüberschreitender Tätigkeiten weiter hätte tätig sein können. Diese Frage sei jedoch für die Entscheidung nicht von Bedeutung. Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 133 Abs 2 GSVG liege bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen dann vor, wenn der Betrieb ohne die Mitarbeit des Versicherten nicht lebensfähig sei. Dabei sei unter Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes die Mitarbeit zu verstehen, die notwendig sein müsse, um den vom Versicherten zuletzt geführten Betrieb wirtschaftlich rentabel aufrecht zu erhalten. Diese Voraussetzung werde regelmäßig nur bei kleineren Betrieben gegeben sein. Hier spreche der Umstand, daß der Kläger nur bis zu fünf Mitarbeiter beschäftigt habe dafür, daß es sich um einen kleinen Betrieb gehandelt habe, der - unter Berücksichtigung der Konkurrenzsituation am Markt - die persönliche Mitarbeit des Klägers erfordert habe; dies ergebe sich auch daraus, daß über das Vermögen des Klägers das Konkursverfahren eröffnet und der Betrieb im Jahr 1987 stillgelegt worden sei. Daß der Kläger über weitere Gewerbeberechtigungen verfügt habe, sei nicht relevant, weil diese offenbar nur dazu gedient hätten, mit Tischlerarbeiten in Zusammenhang stehende Nebenleistungen zu erbringen. Sie hätten daher eine untergeordnete Rolle gespielt und seien bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit außer Betracht zu lassen. Im übrigen würde auch die Tätigkeit als Fußbodenleger im Hinblick auf die damit verbundenen Anforderungen das Leistungskalkül überschreiten. Es sei auch nicht ersichtlich, welchen anderen Betrieb der Kläger unter Berücksichtigung der noch vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten rentabel führen könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Da der Kläger das 50.Lebensjahr bereits vollendet hat, ist die Berechtigung seines Anspruches mit Stichtag 1.7.1993 (das Begehren wurde auf die Gewährung der begehrten Leistung ab diesem Tag eingeschränkt) auf der Grundlage des § 133 Abs 2 ASVG idF der

19. GSVGNov (BGBl 1993/336) zu prüfen. Als erwerbsunfähig gilt danach auch der Versicherte, der das 50.Lebensjahr vollendet hat und dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Novellierung dieser Bestimmung die Absicht, daß ab dem 50.Lebensjahr für Kleingewerbetreibende zur Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit nur mehr eine qualifizierte Verweisung zulässig sein soll, sowie das auch bei erlernten oder angelernten Berufen unselbständig Erwerbstätiger schon vor dem 50.Lebensjahr der Fall ist. Ein Tätigkeitsschutz soll allerdings zwischen dem 50. und dem 55.Lebensjahr weiterhin nicht bestehen. Ein Versicherter, der krankheitsbedingt dauernd außerstande ist, jener selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die er zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat, hat nach Vollendung des 55.Lebensjahres Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit nach § 131 c Abs 1 Z 3 GSVG (vgl dazu Teschner/Widlar GSVG 47.ErgLfg 370/10g und die dort zitierten Materialien). Die letztgenannte Bestimmung kann hier deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil der Kläger die altersmäßigen Voraussetzungen im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht erfüllte.

Zu prüfen ist zunächst, ob die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war. Unter Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes ist nach ständiger Rechtsprechung des Senates die ausführende Mitarbeit zu verstehen, die notwendig ist, um wirtschaftlich gesehen, den vom Versicherten zuletzt geführten Betrieb rentabel aufrecht zu erhalten (SSV-NF 4/159 mwN). Da das Gesetz von der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung spricht, muß rückschauend geprüft werden, ob diese objektiv im Hinblick auf den betreffenden Betrieb auch erforderlich war. Es ist daher nicht von den Ergebnissen bei schlechter Betriebsführung, sondern von der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung im Rahmen einer wirtschaftlich vertretbaren Betriebsführung auszugehen. Dabei ist auch die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Umstrukturierung des Betriebes zu prüfen (siehe dazu SSV-NF 5/114). Ob nach diesen Grundsätzen die persönliche Arbeitsleistung des Klägers erforderlich war, kann nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden. Das Berufungsgericht hat die Notwendigkeit der persönlichen Mitarbeit aus der Betriebsgröße abgeleitet. Bei einem Kleinbetrieb - der Kläger habe nur bis zu 5 Arbeitskräfte beschäftigt - sei zu unterstellen, daß dieser ohne persönliche Mitarbeit des Betriebsinhabers nicht rentabel geführt werden könne; dafür spreche auch, daß über das Vermögen des Klägers der Konkurs eröffnet und im Jahr 1987 der Betrieb stillgelegt worden sei.

Aus den letztgenannten Umständen kann für den Standpunkt des Klägers nichts abgeleitet werden. Eine zu einem Insolvenzverfahren führende Verschuldung kann verschiedenste Ursachen haben; diese könnten etwa auch in einer schlechten Betriebsführung, übermäßigen Geldentnahmen, Uneinbringlichkeit von größeren Kundenforderungen uä gelegen sein. Ob und in welchem Umfang der Betrieb zuvor die persönliche Mitarbeit des Klägers erforderlich war, kann daraus nicht abgeleitet werden.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (SSV-NF 3/116, 5/55; 10 Ob S 241/94), ist zwar die Zahl der Arbeitnehmer durchaus ein Kriterium dafür, ob die persönliche Mitarbeit des Geschäftsinhabers erforderlich ist, doch nicht das einzige. Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes bedarf es dazu näherer Feststellungen über Art, Umfang und Struktur des klägerischen Unternehmens. Die bloße Zahl der Mitarbeiter sagt nämlich nichts darüber aus, ob und in welchem Umfang der Arbeitsbereich des Klägers delegiert werden konnte.

Sollte sich ergeben, daß die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, wird zu prüfen sein, ob er dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die er zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Zur Beurteilung dieser Frage bedarf es vorerst eines zusammenfassenden Leistungskalküls, aus dem ersichtlich ist, welche Arbeiten der Kläger unter Berücksichtigung der bestehenden Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit verrichten kann. Die Feststellungen der Vorinstanzen, die die bestehenden Leistungseinschränkungen aus der Sicht der einzelnen medizinischen Fachgebiete darstellen, reichen hiezu nicht aus (SSV-NF 5/40). Es muß nämlich in Betracht gezogen werden, daß das Zusammenspiel verschiedener Krankheiten zu einer Erwerbsunfähigkeit führen kann, auch wenn einzelne Krankheitsfaktoren dazu nicht ausreichen würden (10 Ob S 241/94). Die Vorinstanzen haben diese Gesamtschau nicht berücksichtigt, obwohl die vorliegenden Leistungskalküle nicht deckungsgleich sind. Im weiteren Verfahren wird daher ein zusammenfassendes Leistungskalkül zu erheben sein.

Im weiteren wird zu prüfen sein, welche selbständigen Tätigkeiten, die eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordern, die der Kläger zuletzt durch mindestens 60 Monate ausgeübt hat, für eine Verweisung in Frage kommen und es werden auch die Anforderungen dieser Tätigkeiten festzustellen sein. Bei Beurteilung der Frage, ob der Kläger eine bestimmte Tätigkeit verrichten kann, ist auch in Betracht zu ziehen, daß ein selbständig Erwerbstätiger, anders ein unselbständig Beschäftigter über eine weitgehende Dispositionsfähigkeit auch den Arbeitsablauf betreffend verfügt. Betreffen bestimmte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit nur einzelne im Zug der persönlichen Mitarbeit anfallende Verrichtungen, so ist die Möglichkeit zu berücksichtigen, diese Verrichtungen an im Betrieb beschäftigte Arbeitskräfte zu übertragen, womit trotz Vorliegens bestimmter Behinderungen die zur rentablen Führung des Betriebes notwendige eigene Arbeitsleistung des Betriebsinhabers weiterhin erbracht werden kann.

Auch der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß bei Prüfung der Voraussetzungen für die Erwerbsunfähigkeitspension ausschließlich auf den Tischlereibetrieb abzustellen sei, kann nicht beigetreten werden. Vorerst fehlt für die vom Berufungsgericht dafür gegebene Begründung, es habe sich bei den im Rahmen der anderen Gewerbeberechtigungen verrichteten Tätigkeiten nur um solche von untergeordneter Bedeutung gehandelt, die Feststellungsgrundlage. Im übrigen kommt dem keine entscheidende Bedeutung zu.

Wie bereits ausgeführt, lag der Novellierung der Bestimmung des § 133 Abs 2 durch die 19.GSVGNov die Absicht zugrunde, daß ab dem 50. Lebensjahr für Kleingewerbetreibende zur Beurteilung der dauernden Erwerbsunfähigkeit nur mehr eine qualifizierte Verweisung zulässig sein soll, sowie das auch bei erlernten oder angelernten Berufen unselbständig Erwerbstätiger schon vor dem 50.Lebensjahr der Fall ist. Die neue Regelung lehnt sich daher an die Bestimmungen des ASVG über den Berufsschutz an, wobei die Gesetzesmaterialien, wie sich aus dem Hinweis auf "angelernte und erlernte Berufe" ergibt, offenbar handwerkliche Tätigkeiten und damit die Bestimmung des § 255 ASVG vor Augen hatten. Aus dem Gesetzestext ergibt sich aber keine Einschränkung in dieser Richtung. Die Neuregelung ist daher auch auf selbständig Erwerbstätige anzuwenden, deren Gewerbe nicht eine handwerkliche Tätigkeit zum Gegenstand hat, sondern etwa ein Handelsgewerbe. Im Hinblick auf die inhaltliche Nähe der Regelung des § 133 Abs 2 GSVG zu den Bestimmungen über den Berufsschutz nach dem ASVG, kann für die Prüfung der Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG auf die entsprechenden Bestimmungen des ASVG zurückgegriffen werden.

Gemäß § 255 Abs 1 ASVG gilt ein Versicherter, der überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig war, als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist. Ausgangspunkt für die Prüfung der Verweisbarkeit sind in diesen Fällen der oder die gelernten Berufe, wobei der Versicherte auch auf Teiltätigkeiten seines Berufes verwiesen werden darf, sofern dadurch der Berufsschutz nicht verloren geht (SSV-NF 3/29, 119 ua). Das Verweisungsfeld umfaßt daher Berufe, die Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern, über die der Versicherte aufgrund seiner Lehrausbildung bzw Anlernung verfügt, wobei es allerdings nicht entscheidend ist, ob und in welchem Umfang die für die Verweisungsberufe spezifischen Tätigkeiten im Rahmen seiner bisherigen Berufsausübung tatsächlich anfielen. Übte der Versicherte überwiegend mehrere Lehrberufe oder angelernte Berufe (gleichzeitig oder nacheinander) aus, so ist Invalidität nur dann gegeben, wenn die Arbeitsfähigkeit in jedem dieser Berufe in dem im § 255 Abs 1 ASVG bezeichneten Maß herabgesunken ist (idS auch SSV-NF 6/19, 5/65, 4/143, zuletzt 10 Ob S 75/94 mwN). Gleiches gilt für den Begriff den Berufsunfähigkeit gemäß § 277 Abs 1 ASVG.

Gemäß § 133 Abs 2 GSVG wird das Verweisungsfeld durch die selbständigen Erwerbstätigkeiten gebildet, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern, wie die vom Versicherten zuletzt durch mindestens 60 Monaten ausgeübten. Die Verweisungstätigkeit muß keineswegs der bisher ausgeübten Tätigkeit in allen Punkten entsprechen und es ist wie im Fall des § 255 Abs 1 ASVG auch die Verweisung auf eine selbständige Erwerbstätigkeit, die nur Teilbereiche der bisher ausgeübten umfassen, zulässig, wenn nur für diesen Teilbereich die Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich waren, die der Versicherte bisher benötigte. Dabei kommt der Frage, welche wirtschaftliche Bedeutung ein bestimmter Tätigkeitszweig für den Versicherten im Rahmen des von ihm bisher geführten Betriebes hatte, keine entscheidende Bedeutung zu. Das Gesetz stellt nicht auf die konkret ausgeübten selbständigen Tätigkeiten und die bisherige Betriebsstruktur ab (dies sind Umstände, die im Falle des § 131 c GSVG von Bedeutung wären), sondern nur auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die durch 60 Monate ausgeübte selbständige Tätigkeit erforderlich waren. Dem Versicherten soll bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG nicht zugemutet werden, sich völlig neue Kenntnisse zu erwerben oder nunmehr einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen.

Der Kläger verfügte neben der Gewerbeberechtigung für die Tischlerei auch über eine solche für den Möbelhandel und die Verlegung von Kunststoffußböden, so daß davon auszugehen ist, daß er über die für die Verrichtung der damit zusammenhängenden Arbeiten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, doch sagt das Vorliegen der Gewerbeberechtigung nichts darüber aus, ob er alle diese Tätigkeiten auch ausgeübt hat. Im Hinblick auf den letzten Satzteil des § 133 Abs 2 GSVG können aber bei Prüfung der Verweisungsmöglichkeit nur Tätigkeiten einbezogen werden, die zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt wurden. Tätigkeiten, für die zwar eine Gewerbeberechtigung vorlag, die aber tatsächlich nicht Gegenstand der selbständigen Tätigkeit waren, sind daher außer Betracht zu lassen. Bildeten sie aber tatsächlich, wenn auch nur in geringerem Umfang, einen Betriebsgegenstand, so ist die Verweisung auf eine selbständige Tätigkeit in diesem Teilbereich zulässig, sofern die Leistungsfähigkeit des Versicherten hiefür ausreicht und im Hinblick auf die Situation des Marktes ein Unternehmen dieser Art im Bundesgebiet erfolgreich geführt werden kann.

Da sich das Verfahren in diesen Punkten ergänzungsbedürftig erweist und es zur Prüfung der noch offenen Fragen offenbar einer Verhandlung vor dem Erstgericht bedarf, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

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