OGH 11Os1/95

OGH11Os1/9528.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Braunwieser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Matthäus A* und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12, 142 Abs 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Matthäus A* und Karl P* sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 21. Juli 1994, GZ 7 Vr 1021/93‑115, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Zehetner, und der Verteidiger Dr. Weidisch und Dr. Brandt jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0110OS00001.950000.0228.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird ‑ jener des Angeklagten Karl P* teilweise ‑ Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen 9 und 10 und das darauf beruhende Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich des Schuldspruchs laut Punkt V des Urteilssatzes im Ausspruch "... und unter Verwendung einer Waffe ..." sowie "... wobei der Tod des Abdel Ashraf B* nicht vorhersehbar war", ferner in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung des Raubes als schwerer Raub nach § 143 StGB und demzufolge auch im gesamten Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Geschworenengericht beim Landesgericht Ried im Innkreis verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl P* im übrigen wird verworfen.

Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Matthäus A* des Verbrechens des gewerbsmäßigen, teilweise bandenmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 (zweiter und dritter Fall) StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 (dritter Fall) StGB (I. und IV.), des Vergehens des versuchten schweren Betruges als Beteiligter nach §§ 12 (zweiter Fall), 15, 146, 147 Abs 2 StGB (II.), des Vergehens der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB (III.), des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 (dritter Fall), 142 Abs 1, 143 (gemeint offensichtlich zweiter Fall) StGB (V.) und Karl P* der Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter nach §§ 12 (dritter Fall), 127, 129 Z 1 und 2 StGB (IV.) und des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 (zweiter Fall), 142 Abs 1, 143 (gemeint offensichtlich zweiter Fall) StGB (V.) schuldig erkannt.

Darnach haben

I. Matthäus A* fremde bewegliche Sachen anderen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er schwere Diebstähle durch Einbruch in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, bzw teilweise hiezu Tatbeiträge leistete, und zwar

1. am 14. November 1993 in Salzburg dadurch, daß er den abgesondert verfolgten Bora C*, der dem Alexander B* durch Einschlagen eines Fensters, Einsteigen und Aufbrechen der Registrierkasse Bargeld in der Höhe von 30.000 S, Schmuck im Wert von 2,089 S und zwei Stangen Wurst wegnahm, zum und vom Tatort chauffierte sowie die Beute abtransportierte, Beihilfe geleistet;

2. am 20. Dezember 1993 in Salzburg als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung der abgesondert verfolgten Albert A* und Bora C* als Bandenmitglieder der Johanna H* drei Garnituren Besteck, einen Bilderrahmen, eine Keramikvase, drei Ohrringe, eine Pistole Walther, Munition, einen Jagdpullover, einen Sportpullover im Gesamtwert von 12.650 S und Bargeld von 2.400 S durch Aufzwängen eines Fensters, Einsteigen und Aufbrechen einer Tür;

3. am 20. Dezember 1993 in Mattsee als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung der abgesondert verfolgten Albert A* und Bora C* als Bandenmitglieder dem Ing.Hannes W* einen Computer mit Festplatte und Netzwerkkarten, eine Stereoanlage, einen Videorecorder, zwei Videokassetten, zwei Flaschen Cognac im Gesamtwert von 70.770 S sowie 100 DM Bargeld durch Aufbrechen einer Terrassentüre;

4. am 22. Dezember 1993 in Attnang‑Puchheim als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung der abgesondert verfolgten Albert A* und Bora C* als Bandenmitglieder der Firma Heinz Sch* GesmbH & Co KG Autoradios im Wert von 21.660 S, CD‑Player und Wechsler im Wert von 15.780 S sowie 120 S Bargeld und der Anna K* 3.000 S Bargeld und zwei Stangen Marlboro im Wert von 560 S durch Einschlagen eines Fensters, Einsteigen und Aufbrechen einer Tür;

II. Matthäus A* am 7. Dezember 1993 in Mattighofen und anderen Orten dadurch, daß er den Personenkraftwagen des Harald K* übernahm und an Atif B* samt Kfz‑Papieren übergab, dazu beigetragen, daß Harald K* mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der W* VersicherungsAG durch die Vorgabe, sein Fahrzeug wäre in Salzburg gestohlen worden, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur Bezahlung des kaskoversicherungsmäßig gedeckten Wertes des Fahrzeuges zu bestimmen suchte, wobei durch die Tat ein Schaden von 400.000 S entstehen sollte;

III. Matthäus A* im Dezember 1993 in Friedburg sich mit Albert A* und Bora C* durch die Vereinbarung, künftig schwere Einbruchsdiebstähle verüben zu wollen, mit dem Vorsatz verbunden, daß von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Verbindung nicht bloß geringfügige Diebstähle ausgeführt werden;

IV. Matthäus A* und Karl P* am 27. Dezember 1993 in Braunau am Inn dadurch, daß Karl P* das Fenster der Wohnung des Abdel Ashraf B* öffnete und Matthäus A* Bora C* nach Braunau fuhr, in der Nähe des Tatortes wartete und anschließend die Beute abtransportierte, dazu beigetragen, daß Bora C* fremde bewegliche Sachen nämlich einen Satellitenreceiver und 25 Schmuckstücke dem Abdel Ashraf B* durch Einsteigen in die Wohnung und Aufbrechen eines Koffers mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

V. Matthäus A* und Karl P* am 27. Dezember 1993 in Braunau am Inn dadurch, daß Karl P* den abgesondert verfolgten Bora C* aufforderte, in der Wohnung des Abdel Ashraf B* Vorpaß zu halten, ihm "eine drüber zu ziehen" und anschließend gewaltsam Geld wegzunehmen, Matthäus A* dadurch, daß er Bora C* nach Braunau fuhr, in der Nähe des Tatortes wartete und anschließend wieder wegfuhr, Bora C* dazu bestimmt bzw dazu beigetragen, daß dieser dem Abdel Ashraf B* mit Gewalt und unter Verwendung einer Waffe Bargeld in der Höhe von 20 Dollar wegnahm, wobei die Tat hinsichtlich eines weiteren Geldbetrages von 15.400 DM beim Versuch geblieben ist und wobei der Tod des Abdel Ashraf B* nicht vorhersehbar war.

 

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch (zu IV.) wegen Diebstahls richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Karl P*; den Schuldspruch wegen schweren Raubes (als Beteiligte) (Schuldspruch V.) bekämpfen der Angeklagte A* mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen des § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9 und 12, der Angeklagte P* aus § 345 Abs 1 Z 12 StPO und die Staatsanwaltschaft gestützt auf § 345 Abs 1 Z 6, 89 und 12 StPO.

Fehl geht zuächst die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P* in bezug auf den Schuldspruch laut Punkt IV. des Urteilssatzes.

Eine Nichtigkeit nach der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer hiezu in der Verletzung des § 316 StPO, weil an die Geschworenen keine "Zusatzfrage in Richtung (Versuches nach) § 15 StGB" gestellt worden sei. Er habe sich immer damit verantwortet, es sei vereinbart gewesen, Bora C* werde am 27. Dezember 1993 aus der Wohnung des Abdel Ashraf B* einen Bargeldbetrag von 15.400 DM stehlen. Nur zu diesem Zweck habe er das Fenster der Wohnung des Abdel Ashraf B* geöffnet (und damit einen Tatbeitrag geleistet). Die Wegnahme eines Satellitenreceivers und von 25 Schmuckstücken sei nicht vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfaßt gewesen; die Wegnahme des Geldbetrages sei nur versucht worden.

Eine Zusatzfrage nach § 316 StPO ist an die Geschworenen entgegen der Beschwerdeauffassung aber nur dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die ‑ wenn sie als erwiesen angenommen werden ‑ einen im Gesetze namentlich angeführten Erschwerungs‑ oder Milderungsumstand begründen würden, der nach dem Gesetz die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingt. Der Versuch einer Straftat kann jedoch die Anwendung eines anderen Strafsatzes nicht bewirken, weshalb die geforderte Zusatzfrage nicht zu stellen war.

Aber auch für die Stellung einer Eventualfrage im Sinne des § 314 Abs 1 StPO bestand kein Anlaß. Gemäß § 13 StGB ist bei Beteiligung mehrerer an einer Tat jeder von ihnen nach seiner Schuld zu bestrafen. Wenn der die Tat ausführende unmittelbare Täter etwas anderes tut, als den Vorstellungen seiner Beteiligten entspricht, so ist zwischen dem sogenannten quantitativen und dem qualitativen Exzeß zu unterscheiden. Bei ersterem tut der unmittelbare Täter mehr als den Vorstellungen seines Beteiligten entspricht; dieses Mehr kann auch in einer Qualifikation liegen, die von der Schuld des Beteiligten nicht umfaßt ist. Beim qualitativen Exzeß tut der unmittelbare Täter etwas ganz anderes als den Vorstellungen seiner Beteiligten entspricht (Fabrizy im WK § 13 Rz 6‑8).

Im vorliegenden Fall war ein Diebstahls durch Einbruch geplant, um einen Bargeldbetrag von 15.400 DM mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen. Der unmittelbare Täter Bora C* hat, weil er das Bargeld nicht fand, andere Gegenstände mitgenommen. Dies stellt indes keine wesentliche Abweichung vom Tatplan dar (siehe dazu Leukauf‑Steininger Komm3 § 13 RN 7 sowie Fabrizy aaO Rz 9).

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P* zu verwerfen.

Zum Schuldspruch wegen schweren Raubes (V.) machen die beiden Angeklagten (P* der Sache nach) und die Staatsanwaltschaft übereinstimmend aus dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 9 StPO geltend, daß die Antworten der Geschworenen auf die ihnen diesbezüglich gestellten Fragen (Hauptfrage 9 hinsichtlich Karl P* und Hauptfrage 10 hinsichtlich Matthäus A*) undeutlich und in sich widersprechend seien.

Dem Wahrspruch nach haben die Geschworenen die Hauptfragen 9 und 10 wegen schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und fünfter Fall StGB zunächst mit 8 Ja‑Stimmen beantwortet. In der gemäß § 331 Abs 3 StPO verfaßten Niederschrift führte der Obmann der Geschworenen hiezu folgende Erwägungen an: "Verbrechen des schweren Raubes wurde mit Anwendung von Gewalt geplant, aber der Waffengebrauch (Pistole) war nicht unmittelbar vorhersehbar. Der Tod war nicht vorhersehbar". Nach Befragung durch den Vorsitzenden über den Widerspruch zwischen dem Wahrspruch und der Niederschrift erklärten die Geschworenen einstimmig, daß die Niederschrift auf einem Mißverständnis beruhe und daß die Formulierung "unter Verwendung einer Waffe" nicht entfallen sollte (59 b/Bd II). Daraufhin erteilte der Schwurgerichtshof den Geschworenen den Auftrag, den Wahrspruch zu den Hauptfragen 9 und 10 zu verbessern und die Niederschrift zu ergänzen. Noch in Anwesenheit des Schwurgerichtshofes setzte der Obmann der Geschworenen ohne Beratung unter das Abstimmungsergebnis den Vermerk "Waffengebrauch und Tod nicht vorhersehbar". Als diese Vorgangweise gerügt wurde, strich der Obmann der Geschworenen diese Eintragung wieder aus (159/Bd II). Nach neuerlicher Beratung beantworteten die Geschworenen die Hauptfragen 9 und 10 wiederum mit 8 Ja‑Stimmen, jedoch mit der Einschränkung: "Anwendung einer Pistole nicht als Schußwaffe, sondern als Schlagwaffe".

Wegen des weiterbestehenden Widerspruches zwischen dem Wahrspruch und der Niederschrift hinsichtlich der Todesfolge beim Raubopfer stellte der öffentliche Ankläger den Antrag auf Ergänzung des Fragenschemas, was vom Schwurgerichtshof jedoch abgelehnt wurde. Auf Grund eines den Geschworenen vom Schwurgerichtshof neuerlich erteilten Auftrages, den Wahrspruch hinsichtlich der Hauptfragen 9 und 10 der Niederschrift anzugleichen, beschlossen die Geschworenen folgende zweite Ergänzung zu den Wahrsprüchen: "Maßgabe: Verbrechen des schweren Raubes wurde von Gewalt geplant, aber der Waffengebrauch (Pistole) war nicht unmittelbar vorhersehbar! Der Tod war nicht vorhersehbar!

Aus der ersten Ergänzung des Wahrspruches ergibt sich somit, daß die Anwendung einer Pistole nicht als Schußwaffe, sondern als Schlagwaffe angenommen wurde, während in der zweiten Ergänzung der Waffengebrauch (Pistole) als nicht ("unmittelbar") vorhersehbar bezeichnet wurde. Darin liegt tatsächlich ein Mangel des Wahrspruches, nämlich eine Undeutlichkeit und ein von den Beschwerdeführern aufgezeigter Widerspruch, weil nicht eindeutig zu erkennen ist, ob und welche Qualifikation des Verbrechens des Raubes die Geschworenen den Angeklagten anlasten wollten.

Da dieser Widerspruch im Wahrspruch zu den Hauptfragen 9 und 10 ausschließlich die Voraussetzungen der Qualifikationen nach § 143 StGB betrifft, im übrigen aber den Wahrspruch zum Grundtatbestand des (teils vollendeten, teils versuchten) Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (auch im Sinne der Nichtigkeitsbeschwerden) unberührt läßt, war der Wahrspruch und das darauf beruhende Urteil gemäß § 349 Abs 2 StPO nur in diesem Umfang aufzuheben, wogegen die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruchs im zu erneuernden Verfahren der Entscheidung mit zugrunde zu legen wären.

Im Hinblick auf die (Teil‑)Aufhebung der bezeichneten Wahr‑ und Schuldsprüche erübrigte sich ein Eingehen auf die weiteren darauf Bezug habenden Beschwerdeausführungen.

Nur der Vollständigkeit halber sei jedoch für das fortgesetzte Verfahren ‑ im Sinn der Beschwerdeausführungen der Staatsanwaltschaft ‑ noch bemerkt, daß die Zusammenfassung von Fragen zwar an sich dem Emessen des Schwurgerichtshofes anheimgestellt ist; dies findet jedoch dort eine Grenze, wo auf Grund einer kumulativen Fragestellung die Gefahr einer pauschalen Beurteilung besteht und die teilweise Bejahung von Fragen nicht (mehr) nur unter kurzer Beifügung einer Beschränkung (§ 330 Abs 2 StPO) erfolgen kann (Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr 5 zu § 317).

Aus der Beantwortung der Hauptfragen 9 und 10 ergab sich unzweifelhaft, daß die Fragestellung nicht geeignet war, eine klare und erschöpfende Beurteilung des Sachverhaltes durch die Geschworenen zu ermöglichen. Spätestens im Moniturverfahren wäre daher der Schwurgerichtshof verpflichtet gewesen, das Fragenschema zum Verbrechen des schweren Raubes durch Stellung einer Hauptfrage nach dem Grunddelikt des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und von (uneigentlichen) Zusatzfragen (§ 316 StPO) nach den Qualifikationen des § 143 zweiter Fall StGB (Verwendung einer Waffe) und des § 143 fünfter Fall StGB (Todesfolge) abzuändern und zu ergänzen. Solcherart wäre es den Geschworenen möglich gewesen, den Sachverhalt unter dem Blickwinkel verschiedener Qualifikationen umfassend für jeden Angeklagten zu beurteilen.

Außerdem wurden den Geschworenen in der schriftlichen Rechtsbelehrung wesentliche Begriffe wie Zumutbarkeit, Zurechenbarkeit, Vorhersehbarkeit, Adäquanz‑ und Risikozusammenhang teilweise überhaupt nicht, teilweise völlig unzureichend erläutert.

Die Qualifikation des bewaffneten Raubes wird demjenigen Beteiligten zugerechnet, der entweder selbst die Waffe beim Raubüberfall verwendet oder die Verwendung einer Waffe durch einen anderen Beteiligten kennt und billigt (zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes gemäß § 5 Abs 1 StGB). Ist nach dem gemeinsamen Tatplan die Verwendung einer Waffe nicht abgesprochen oder dies gar ausdrücklich ausgeschlossen worden, verwendet aber ein Tatbeteiligter dennoch eine Waffe bei Ausführung der Raubtat, so kann ein Exzeß vorliegen, der den übrigen Mitwirkenden nicht zuzurechnen ist. Zu beachten dabei allerdings ist, daß die Zustimmung zum Waffeneinsatz durch vorher nicht damit rechnende Tatbeteiligte auch erst während der Tatausführung und auch (bloß) in konkludenter Form erfolgen kann (Leukauf‑Steininger aaO RN 15; Zipf im WK Rz 11 je zu § 143).

Beim Raub mit schweren Folgen müssen diese unmittelbar durch die Gewaltanwendung verursacht sein und im Rahmen der objektiven Zurechenbarkeit des Täterverhaltens liegen; dazu ist insbesondere erforderlich, daß die Tatfolgen im Risikozusammenhang mit dem Täterverhalten (Gewaltsanwendung) liegen. Daher muß zwischen der Gewalthandlung und der eingetretenen Verletzungs- bzw Todesfolge ein deliktsspezifischer Zusammenhang bestehen. Die Zurechnung der schweren Folgen setzt wenigstens Fahrlässigkeit voraus, für die die allgemeinen Regeln des § 6 StGB gelten (Zipf aaO Rz 19 bis 20).

Die schwere, von einem anderen bewirkte Folge ist dem Tatbeteiligten gemäß § 7 Abs 2 StGB allerdings zuzurechnen, wenn auch für ihn sowohl Risikozusammenhang als auch Adäquanzzusammenhang gegeben sind (Kienapfel BT II3 RN 48 zu § 143 StGB). Notwendig ist dafür nur, daß die herbeigeführte und zuzurechnende Folge für den jeweiligen Tatbeteiligten im Rahmen der gesamten Tatplanung und Ausführung im Sinne des Fahrlässigkeitsvorwurfes nach § 6 StGB vorhersehbar war (Zipf aaO Rz 23).

Die Angeklagten haben sich damit verantwortet, daß der unmittelbare Täter Bora C* ihnen gesagt habe, er werde Abdel Ashraf B* erschießen und in den Wald schmeißen. Sie hätten das aber abgelehnt (39 und 47/Bd IV). Der Angeklagte Karl P* gab zudem an, daß sie (die Angeklagten) gesehen hätten, daß er (Bora C*) die Waffe einsteckt und sie hätten auch gesagt, daß er "narrisch ist" (50/Bd IV).

Auf Grund dieser Verantwortungen und den rechtlichen Erfordernissen für die Zurechnung der Todesfolge wäre die Erörterung der angeführten Rechtsbegriffe in der den Geschworenen zu erteilenden schriftlichen Belehrung jedenfalls erforderlich.

Aus all diesen Erwägungen war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

 

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