OGH 5Ob561/94

OGH5Ob561/9428.2.1995

Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Ingrid S*****, und

2.) Dr.Elmar H*****, beide vertreten durch Dr.Eva Krassnigg, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Christian S***** arbeitslos, *****, vertreten durch Dr.Wilfried Gussenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 12.Jänner 1994, GZ 48 R 1023/93-12, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19.August 1993, GZ 41 C 550/92y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagenden Parteien kündigten dem Beklagten das im Haus Wien 8, Fuhrmanngasse 2A, gelegene, als "Hobbywerkstätte top Nr 1" bezeichnete Bestandobjekt zum 31.3.1992 auf. Der Beklagte habe das Bestandobjekt als Hobbywerkstätte bzw Bastelraum gemietet, das nicht den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliege, sodaß die Anführung von Kündigungsgründen entbehrlich sei. Vorsichtshalber lägen auch die Kündigungsgründe gemäß § 30 Abs 2 Z 1 und 7 MRG vor. Der Beklagte habe den Mietzins nicht (vollständig) bezahlt und das als Hobbywerkstätte angemietete Bestandobjekt vertragswidrig zu geschäftlichen Zwecken verwendet.

Der Beklagte erhob rechtszeitig Einwendungen und bestritt das Vorliegen von Kündigungsgründen. Der Mietzins sei inzwischen bezahlt, er habe das Bestandobjekt zur Herstellung von künstlerischen Schmuck und Kunstgegenständen gemietet, die er auf verschiedenen Ausstellungen verkaufe.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:

Im Frühjahr 1990 bekundete der Beklagte gegenüber der zuständigen Hausverwaltung telefonisch sein Interesse, das gegenständliche Objekt anmieten zu wollen. Im Zuge dieses Telefonates gab der Beklagte von einer Angestellten der Hausverwaltung über den beabsichtigten Verwendungszweck befragt an, er sei Künstler und habe vor, das Bestandobjekt einerseits als Werkstättenraum für die Herstellung seiner Werke andererseits aber auch als eine Art Depotraum für die Lagerung seiner Bilder und Objekte "zu benötigen". Diese Angaben wurden von der Angestellten der Hausverwaltung zur Kenntnis genommen. In dem darüber erstellten Aktenvermerk faßte sie den vom Beklagten genannten beabsichtigten Verwendungszweck mit den Worten "Zum Zwecke eines Hobby- bzw. Bastelraumes" zusammen.

In der Folge kam es zu einer Besichtigung des Objektes. Auf Ersuchen der Hausverwaltung wurde die Besichtigung auf Vermieterseite von Dipl.Ing.Helmut S*****, dem Ehegatten der Erstklägerin, durchgeführt. Dieser zeigte dem Beklagten und dessen damaliger Freundin das Objekt. Dipl.Ing.Helmut S***** fragte den Beklagten, wofür dieser das Objekt anzumieten gedenke. Der Beklagte erzählte auch dem Ehemann der Erstklägerin - wie bereits zuvor am Telefon der Hausverwaltung - er sei Künstler, stelle Bilder, Objekte, teilweise auch Lampen her und habe vor, das Bestandobjekt als Werkstätte für seine Tätigkeit zu verwenden. Dipl.Ing.S***** zeigte sich über diesen Verwendungszweck erfreut, teilte dem Beklagten sinngemäß mit, er sei froh, wenn jemand das Objekt übernehme, der handwerklich "etwas kann" und der das Objekt "in Schuß halte". Dipl.Ing.S***** sicherte dem Beklagten auch zu, daß es "nicht wirklich wichtig" sei, wenn der Beklagte im Objekt Polier-, Schleif- und Bohrarbeiten vornehme, solange damit keine große Lärmbelästigung verbunden sei. Dipl.Ing.S***** wies lediglich darauf hin, daß es dem Beklagten jedenfalls verboten sei, wenn er im Lokal "Jugoslawen einquartiere" oder ein Gastgewerbelokal führe.

Am 26.4.1990 wurde der schriftlich Mietvertrag unterfertigt.

Punkt I. des Bestandvertrages lautet:

"Verwendungszweck des Bestandobjektes:

Hobbywerkstatt."

Anläßlich des Abschlusses des Mietvertrages wurde zwischen den Vertragsteilen über das Thema des Verwendungszweckes nichts mehr gesprochen. Vor der Unterfertigung des Vertrages hat der Beklagte den Vertrag durchgelesen. Gegen die Formulierung des vereinbarten Vertragszweckes erhob er keine Einwände, da ihm diese Wortwahl nicht im zwingenden Widerspruch zu dem ihm der Hausverwaltung sowie dem Ehemann der Erstklägerin offengelegten, von ihm beabsichtigten Verwendungszweck erschien.

Der Beklagte hat das Bestandobjekt von Beginn an nur zur Herstellung und Lagerung seiner Werke (Schmuckstücke, Bilder, Lampen) verwendet. Ausstellungen und Verkäufe der Objekte fanden nie im Bestandobjekt statt. Der Beklagte verkaufte die von ihm hergestellten Werke fallweise bei diversen Ausstellungen.

Der Beklagte bezahlte die in der Kündigung geltend gemachten Mietzinsperioden zu nachstehenden Zeitpunkten:

Jänner 1992 (S 1.007,--) am 2.2.1993

Mai 1992 (S 1.013,90) am 2.2.1993

September 1992 (S 1.019,42) am 15.9.1992.

In V. des Bestandvertrages vom 26.4.1990 wurde vereinbart, daß der Bestandzins am 1. des laufenden Monates im vorhinein zu bezahlen ist. Die Mietzinsvorschreibungen werden von der Hausverwaltung Realkanzlei Sch***** OHG postalisch mit beiligenden Erlagscheinen an die Adresse des aufgekündigten Objektes zugestellt.

Nicht festgestellt werden konnte, daß die Kläger oder die Hausverwaltung den Beklagten wegen der in der Aufkündigung geltend gemachten Mietzinsrückstände gemahnt haben.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, das Bestandobjekt unterliege trotz der Bezeichnung des Verwendungszweckes als Hobbywerkstätte dem Mietrechtsgesetz. Im Vorfeld der Mietvertragsunterzeichnung sei nämlich die Verwendung des Mietobjektes zur Herstellung und für die Lagerung der vom Beklagten angefertigten Bilder und Objekte als Werkstättenraum bezeichnet worden. Den von ihm beabsichtigten Verwendungszweck habe der Beklagte gegenüber der Hausverwaltung offengelegt. Auch anläßlich der Besichtigung habe der Beklagte gegenüber dem Vertreter der Hausverwaltung den von ihm geplanten Verwendungszweck dargelegt, was widerspruchslos zur Kenntnis genommen worden sei. Die von der vereinbarten Verwendung des Objektes gedeckte künstlerische Tätigkeit des Beklagten ginge über private Zwecke hinaus, weil er durch den Verkauf der von ihm angefertigten Objekte auch seinen Lebensunterhalt bestreiten wolle. Der Begriff des Geschäftsraumes in § 1 MRG sei weit gefaßt. Es fielen auch beispielsweise Werkstätten und Arbeitsräume darunter, selbst das Atelier eines akademischen Malers sei ein Geschäftsraum. Würde die im Raum ausgeübte Tätigkeit bloß eigenen privaten Zwecken dienen, liege allerdings ein Geschäftsraum nicht vor. Es müsse vielmehr im Sinne des § 1 Abs 2 Konsumentenschutzgesetz eine auf Dauer angelegte Organisation bestehen, selbst wenn sie nicht auf Gewinn gerichtet wäre. Im Ergebnis sei hier das Objekt nach dem vereinbarten Verwendungszweck als Geschäftsräumlichkeit zu qualifizieren und unterliege es damit den Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG. Der geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG sei jedoch nicht erfüllt, weil der damals bestehende Mietzinsrückstand vor der Aufkündigung nicht eingemahnt worden wäre. Im übrigen übe der Mieter im Objekt nur eine Tätigkeit aus, die vom vereinbarten Verwendungszweck erfaßt worden wäre, sodaß auch der zweite Kündigungsgrund nicht erfüllt sei.

Der dagegen erhobenen Berufung der Kläger aus den Gründen der unrichtigen Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gab das Berufungsgericht nicht Folge. Das MRG gelte für die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art samt den etwa mitgemieteten Haus- oder Gartenflächen. "Mitgemietet unterlägen auch für sich allein nicht unter das MRG fallende Objekte (Garagen Flächen, Einrichtungsgegenstände) den gleichen Regelungen des MRG wie die Hauptsache (vgl Würth-Zingher , Miet- und WohnR19, Rz 32 zu § 1 MRG). Auch Dachbodenräume zählten beispielsweise zu den sogenannten "neutralen" Objekten; hier sei es Sache desjenigen, der sich auf die MRG-Anwendung stützen wolle, nachzuweisen, daß die Miete für Wohn- oder Geschäftszwecke vorgesehen gewesen sei (WoBl 1992/4; MietSlg 42.172). Das Erstgericht habe keinerlei Feststellungen über die Beschaffenheit des hier gegenständlichen Bestandobjektes getroffen. Das Beweisverfahren ergäbe Anhaltspunkte, daß es sich um einen Einzelraum im Souterrain ohne Wasseranschluß und ohne WC handelt. Ein solcher Raum wäre möglicherweise, ebenso wie ein Dachboden, als neutrales Objekt zu qualifizieren, ebenso wie ein Dachboden, als neutrales Objekt zu qualifizieren. Sogar die Kläger gingen aber davon aus, daß dieser Raum als Hobbywerkstatt bzw Bastelraum angemietet worden sei. Auch wenn die Ausübung eines Hobbys, "Basteln", möglicherweise ausschließlich privaten Zwecken dient, werde zwar keine Geschäftsraummiete vorliegen, wohl aber Wohnungsmiete. Auch nur für Freizeitgestaltungen genützte Räume würden vom MRG erfaßt, weil unter den Begriff des Wohnens neben lebensnotwendigen Tätigkeiten wie Essen und Schlafen, auch Tätigkeiten der Freizeitgestaltung fielen, soweit sie üblicherweise im privaten abgeschlossenen Räumlichkeiten ausgeübt würden. Die Anfertigung von Kunstgegenständen zähle zweifellos dazu. Die Benützung als Hobbywerkstätte sei zwar möglicherweise keine geschäftliche Verwendung, sie diene aber einem Wohnzweck und werde daher vom Kündigungsschutz des MRG erfaßt. Es sei daher entbehrlich, auf die Beweisrüge einzugehen, inwiefern der Beklagte den beabsichtigten Verwendungszweck offengelegt habe und Dipl.Ing.S***** Vertreter der Hausverwaltung gewesen sei.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Qualifikation einer Hobbywerkstätte als Wohn- oder Geschäftsraum fehle.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der Kläger aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern, die Aufkündigung für wirksam zu erklären und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantworung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerber machen dem Berufungsgericht zum Vorwurf, es habe das gemietete Bestandobjekt zu Unrecht als Wohnraum qualifiziert. Das Erstgericht habe eine Anmietung zu geschäftlichen Zwecken angenommen. Da der Beklagte die Anmietung als Bastelraum und nicht zu Wohnzwecken behauptet habe, hätte sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge in Ansehung des vereinbarten Verwendungszweckes auseinanderzusetzen gehabt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sei die Freizeitgestaltung - Ausübung eines Hobby "Basteln" - nicht unter den Begriff des Wohnes zu subsumieren, zumal der Beklagte seinen Wohnsitz im 19. Bezirk habe. Die Anmietung des streitgegenständlichen Bestandobjektes als Hobbywerkstatt bzw als Bastelraum habe weder eine Geschäftsraummiete noch eine Wohnungsmiete begründet. Es handle sich vielmehr um ein neutrales Objekt, das nicht in dem Anwendungsbereich des MRG falle. Aber selbst wenn man im Sinne des Berufungsgerichtes in der gegenständlichen Freizeitgestaltung ein "Wohnen" erblicken wollte, wäre die Entscheidung unrichtig, weil dann das Bestandobjekt gemäß § 1 Abs 2 Z 4 MRG vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen wäre.

Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das MRG grundsätzlich für die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art samt den etwa mitgemieteten Haus- oder Grundflächen gilt. Unter Wohnung wird ein selbständiger und in sich baulich abgeschlossener Teil eines Gebäudes verstanden, der geeignet ist, der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen (Würth-Zinger, Miet- und Wohnrecht19, Rz 29 zu § 1 MRG unter Hinweis auf MietSlg 37.235; JBl 1987, 321 = MietSlg 38.262/37), wobei es auf die Parteienabsicht bei Vertragsabschluß bzw eine spätere einvernehmliche Vertragsänderung ankommt (RdW 1986, 109 = MietSlg 37.302/51; MietSlg 38.591; zuletzt etwa 5 Ob 513, 514/94). Auch der Begriff der Geschäftsräume wird durch den Vertragszweck bestimmt (Würth-Zingher aaO Rz 30 zu § 1 MRG unter Hinweis auf MietSlg 32.260, 34.371).

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist ein lediglich

zur Ausübung eines Hobby, das heißt einer bloß eigenen privaten

Zwecken dienenden Tätigkeit, gemieteter Raum nicht als Geschäftsraum

im Sinne des § 1 MRG zu verstehen (MietSlg 41.166 = WoBl 1989/73, 135

= JBl 1990, 48).

Kommt es für die rechtliche Beurteilung der Art des Bestandgegenstandes auf die Parteienabsicht hinsichtlich des Benützungszweckes des gemieteten Objektes an, so ist die Rechtssache noch nicht spruchreif, weil das Berufungsgericht es - von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend - unterlassen hat, auf die zu dieser Frage erstattete Beweisrüge einzugehen. Die Aufhebung der Entscheidung zweiter Instanz ist daher unumgänglich.

Das Berufungsgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren die Beweisrüge der klagenden Parteien (AS 74 ff), womit sie sich gegen die Feststellung des Erstgerichtes, der Beklagte habe einen Werkstättenraum für geschäftliche Zwecke angemietet, wenden, zu behandeln haben.

Sollte sich im fortgesetzen Verfahren ergeben, daß das gekündigte Bestandobjekt nach der Parteiabsicht für die Ausübung einer geschäftlichen Tätigkeit vermietet worden ist und dem Vertragszweck entsprechend vom Beklagten verwendet wurde, wird der Kündigungsgrund als nicht erfüllt anzusehen sein.

Sollte sich hingegen herausstellen, daß der Beklagte einen Wohnraum gemietet hat, so wird die Einschränkung des Anwendungsbereiches des MRG zu berücksichtigen sein, wonach gemäß § 1 Abs 2 Z 4 MRG "Wohnungen oder Wohnräume, die vom Mieter bloß als Zweitwohnung zu Zwecken der Erholung oder Freizeitgestaltung gemietet werden", von der Anwendung des MRG ausgenommen sind. Daraus folgt, daß der vom MRG erfaßte Wohnzweck insoweit eine Einschränkung erfährt, als das Anmieten eines weiteren Wohnraumes neben einer vorhandenen "Erstwohnung" nicht in den Anwendungsbereich des MRG fällt (vgl Würth-Zingher aaO, Rz 42 zu § 1 MRG; Bernard in Korinek-Krejci, HBzMRG, 114).

Die Revision erweist sich daher im Sinne des Eventualantrages als berechtigt.

Der Kostenvorbehalt gründet sich § 52 Abs 1 ZPO.

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