OGH 2Ob10/95

OGH2Ob10/9523.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Kurt Klein, Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Republik Österreich, 2.) ***** Versicherungs-AG, ***** beide vertreten durch Dr.Helmut Destaller ua Rechtsanwälte in Graz, wegen S 1,000.000,-- sA, infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 28.Juni 1994, GZ 5 R 58/94-63, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 20.Dezember 1993, GZ 16 Cg 458/93w-54, bestätigt wurde,

1.) den Beschluß gefaßt:

Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

2.) Zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 19.305,-- (darin S 3.217,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8.3.1988 ereignete sich auf einer Eisenbahnkreuzung ein Verkehrsunfall, an dem ein Triebwagen VT 70 der Klägerin und ein Bundesheer-LKW beteiligt waren. Der LKW ist bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert. Der LKW-Lenker übersah das rote Blinklicht beim Eisenbahnübergang, weshalb es zur Kollision kam. Das von den Beklagten anerkannte Alleinverschulden am Zustandekommen dieses Unfalles trifft den LKW-Lenker. Die Reparaturkosten wurden der Klägerin bereits ersetzt.

Mit der beim Erstgericht am 9.4.1991 eingelangten Klage begehrte die Klägerin von den Beklagten den Ersatz von Vorsorgekosten (Kosten für die Haltung eines Reservefahrzeuges) in der Höhe von S 600.000,-- für die Dauer der unfallsbedingten Reparatur und wegen der schwerwiegenden Beschädigungen, die einen Reparaturaufwand von ca S 2,500.000,-- erforderten, einen merkantilen Wertminderungsbetrag von S 400.000,--.

Die Beklagten wendeten ein, die Klägerin habe keine Triebwagengarnitur gesondert in Reserve gehalten, um fremdverschuldete Ausfälle auszugleichen. Ihr stehe daher ein Ersatz von Vorsorgekosten überhaupt nicht zu. Ein Anspruch auf Ersatz von Wertminderung bestehe deswegen nicht, weil die Reparatur ordnungsgemäß erfolgt sei, ein Gebrauchtwagenmarkt für Schienenfahrzeuge nicht existiere und die Klägerin auch nicht die Absicht habe, ihre Zuggarnituren zu verkaufen, sondern sie vielmehr über die Nutzungsdauer hin im Bestand habe.

In der Tagsatzung vom 19.11.1992 stützte die Klägerin ihr Wertminderungsbegehren unter Aufrechterhaltung des Titels der merkantilen Wertminderung auch auf jenen einer technischen Wertminderung und in Ansehung eines Betrages von S 240.000,-- auch auf den Titel noch offener Reparaturkosten. Darauf erwiderten die Beklagten, die Reparaturkosten zur Gänze bezahlt zu haben. Überdies wandten sie Verjährung eines allfälligen Anspruches auf Ersatz von Reparaturkosten ein.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten zur Bezahlung von S 600.000,-- samt Anhang und wies das Mehrbegehren von S 400.000,-- samt Anhang ab. Es traf folgende Feststellungen:

Zu den Vorsorgekosten:

Zum Unfallszeitpunkt hielt die Klägerin von den zu diesem Zeitpunkt insgesamt vorhandenen 13 Triebwagen der Type VT 70 drei Fahrzeuge in Reserve, da ein Fahrzeug ständig in Hauptuntersuchung, ein Fahrzeug als Ersatzfahrzeug für die ständige Wartung vorgesehen und ein Fahrzeug als ständiges Reservefahrzeug für unvorhergesehene Fälle (Unfall, Maschinenbruch, etc) vorgesehen ist. Ausgangspunkt für die Berechnung der Absetzung für Abnutzung sind die tatsächlichen Anschaffungskosten und die tatsächliche Nutzungsdauer der zur Unfallszeit verwendeten Fahrbetriebsmittel der Type VT 70. Da alle Fahrzeuge in Form eines Rotationssystems als Reservefahrzeuge eingesetzt wurden, ist für die Ermittlung der Absetzung für Abnutzung ein Durchschnittswert anzusetzen. Die Summe der Anschaffungskosten der 13 Fahrzeuge beträgt S 220,347.661,--, sodaß bei einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 30 Jahren eine tägliche AfA von S 1.548,-- gegeben ist. Im Jahr 1988 ist für die 13 Garnituren ein Instandhaltungs- und Revisionsaufwand von insgesamt S 7,320.229,-- angefallen, sodaß ein täglicher Instandhaltungs- und Revisionsaufwand pro Garnitur von S 1.543,-- gegeben war. An Gemeinkosten fallen bei der Klägerin die Kosten der Hauptverwaltung, der Werksverwaltung und die Kosten des Vertriebes an. Der auf den Eisenbahnbetrieb (die Klägerin hat auch andere Betriebe) entfallende Anteil betrug 1988 12,45 %, sodaß die anteiligen täglichen Gemeinkosten pro Fahrzeug 12,45 % aus der Summe AfA zuzüglich Instandhaltungs- und Revisionsaufwand somit S 384,22 ausmachen. Die Addition der Beträge für Absetzung für Abnutzung, Instandhaltungs- und Revisionsaufwand sowie Gemeinkosten ergibt tägliche Vorhaltekosten von S 3.476,-- und somit bei einem reparaturbedingten Ausfall von 175 Tagen S 608.300,--. Mit der vollständigen Reparatur und Wiederherstellung des Fahrzeuges wäre ein weiterer reparaturbedingter Ausfall von zumindest 14 Tagen verbunden. Die durchschnittlichen Einnahmen einer im Zeitraum März bis September 1988 eingesetzten VT 70-Garnitur betrugen pro Tag S 11.434,--. Die Ausfallszeiten aufgrund fremdverschuldeter Unfälle zu den Ausfallszeiten aufgrund eigenverschuldeter Unfälle, Motorschäden oder sonstiger Ausfälle, verhalten sich in den Jahren 1985 bis 1987 wie 21:79. Von den 13 VT 70-Garnituren wurde im Jahr 1988 eine Gesamtkilometerleistung von 987.136 und im Jahr 1992 eine solche von 1,076.846, sohin eine Durchschnittskilometerleistung im Jahr 1988 von

75.934 und im Jahr 1992 von 82.834 erbracht. Ausgehend von der Durchschnittskilometerleistung des Jahres 1992 ist im Jahr 1988 eine unausgenützte Reservefahrzeugkapazität von einer VT 70-Garnitur vorhanden gewesen. Die Reservehaltung einer VT 70-Garnitur für fremdverschuldete und betriebsbedingte Ausfälle ist in der Anzahl der Ausfallstage, die zwischen 295 im Jahr 1985 und 439 im Jahr 1988 schwankt, begründet. Dabei betrug der Anteil der fremdverschuldeten Reparaturtage im Jahr 1985 11,86 % und im Jahr 1988 41 %. Im Zeitraum 1985 bis 1987 war eine VT 70-Garnitur für fremdverschuldete und betriebsbedingte Ausfälle auch tatsächlich vorhanden.

Zur Wertminderung:

Das Klagsfahrzeug wurde im Jahr 1980 um S 14,819.021,-- angekauft. 1984 wurde das Fahrzeug beschädigt und repariert. Im Unfallszeitpunkt wies das Fahrzeug eine Laufleistung von ca 18.000 Stunden bzw 550.000 Kilometer auf und wird mit einer Lebensdauer von mindestens 30 Jahren gerechnet, wobei pro Jahr eine Laufleistung von ca 85.000 Kilometer anzunehmen ist. Die beiden eingebauten Motoren werden üblicherweise alle 850.000 Kilometer erneuert bzw generalüberholt und nach einer Laufzeit von 15 bis 17 Jahren sämtliche mechanischen Teile erneuert und Karosserie bzw Isolation sowie Dichtungen etc instandgesetzt. Nach Lackierarbeiten bzw im Neuzustand wird eine Korrosionsgarantie von 3 Jahren gegeben. Im Zuge der vorliegenden Reparaturarbeiten wurden nicht sämtliche Schäden behoben, sodaß noch Schäden im Bereich des Dachholmes bzw der Dachverblechung vorliegen, welche einen weiteren Reparaturkostenaufwand von rund 240.000,-- S erfordern würden. Im Zuge der Reparaturarbeiten wurden insgesamt neue Teile im Wert von S 2,271.131,-- verarbeitet, was ungefähr einem Viertel des gesamten Zeitwertes des Fahrzeuges entsprach. Von den Reparaturfirmen wird gewährleistet, daß diese neuen Teile einer Neukonstruktion entsprechen, sodaß die Reparatur im beschädigten Teil Neuzustand erreicht und somit eine Wertverbesserung erreicht wurde, insbesondere wenn man auch die Garantie hinsichtlich der Korrosionseigenschaften berücksichtigt. Schweißnähte werden in hochfester Form ausgeführt, sodaß grundsätzlich Sprödbrüche nicht zu erwarten sind. Da sich der gegenständliche Unfall einerseits bereits nach einem reparierten Vorschaden zutrug und andererseits annähernd in der Mitte des Zeitraumes, in dem eine völlige mechanische Teilerevision bzw Erneuerung und Instandsetzung vorgehen ist, ereignete, sowie durch eine Reparatur große Teile der Karosserie und des Fahrzeuges erneuert, ersetzt bzw lackiert werden, ist aus diesem Gesichtspunkt eine Wertminderung nicht aufgetreten und für den Kaufpreis eines Eisenbahnfahrzeuges der natürliche Verschleißzustand bestimmend. Im Gebrauchteisenbahnhandel werden eher ganze Zuggarnituren verkauft. Ein Markt für das gegenständliche Fahrzeug ist kaum zu erwarten. Nach Auffassung der österreichischen Bundesbahnen ist mit der Reparatur von Schienenfahrzeugen keinerlei Wertminderung in merkantiler oder technischer Hinsicht verbunden.

In seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Erstgericht den Anspruch der Klägerin auf Ersatz der geltend gemachten Vorsorge (Vorhalte-)kosten, da die Klägerin eine VT 70-Garnitur für fremdverschuldete und betriebsbedingte Ausfälle in Reserve gehalten habe und ohne Einsatz dieses Reservefahrzeuges der Verdienstentgang wesentlich höher gewesen wäre. Es verneinte aber den Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Wertminderung. Weder eine technische noch eine merkantile Wertminderung sei eingetreten. Der Anspruch auf Ersatz von Reparaturkosten sei verjährt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht, der Berufung der Beklagten nur im Kostenpunkt Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es übernahm die Feststellungen über die Materialkosten der Reparatur in der Höhe von S 2,271.131,-- und über den (weiteren) Reparaturaufwand von S 240.000,-- nicht und führte zu den Rechtsrügen folgendes aus:

Zur Frage der Wertminderung:

Der sogenannte merkantile Minderwert eines Fahrzeuges habe seine Ursache darin, daß das durchschnittliche Käuferpublikum rein gefühlsmäßig eine Abneigung gegen Unfallsfahrzeuge hege und daher bei deren Kauf erfahrungsgemäß eine Preisreduktion begehre. Es handle sich dabei um ein psychologisches Phänomen, das seinen Niederschlag in der Geringerbewertung von Fahrzeugen in der Käufergunst finde, die einen Unfall erlitten haben und daher repariert werden mußten; auch eine einwandfreie Reparatur vermöge diesem Trend - außer bei Vorliegen ganz geringfügiger harmloser Schäden - nicht Abbruch zu tun. Dementsprechend habe die Judikatur des Obersten Gerichtshofes einhellig den Ersatz des merkantilen Minderwertes eines Fahrzeuges zuerkannt. Auch dieser sei positiver Schaden, der neben den Reparaturkosten ohne Rücksicht darauf, ob das Fahrzeug tatsächlich repariert oder in beschädigtem Zustand verkauft werde, zu ersetzen sei. Die Bemessung des merkantilen Minderwertes habe nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen. Der Schädiger habe dem Geschädigten die Differenz zwischen dem Zeitwert des Fahrzeuges zum Zeitpunkt des Unfalles und dem im reparierten Zustand nach dem Unfall zu ersetzen (ZVR 1990/49, 1983/280 mwN uva). Dabei mache es keinen Unterschied, ob es sich um einen PKW oder einen LKW, also ein reines Nutzfahrzeug handle (vgl ZVR 1981, 96). Die Zuerkennung einer merkantilen Wertminderung setze also grundsätzlich die - dem Tatsachenbereich zuzuordnende - Abneigung des durchschnittlichen Käuferpublikums gegen Unfallsfahrzeuge voraus und daß wegen dieser Abneigung beim Kauf von (reparierten) Unfallsfahrzeugen eine Preisreduktion begehrt werde. Beim Gebrauchtwagenhandel in Ansehung von Kraftfahrzeugen werde diese Komponente der Wertbestimmung als bekannt vorausgesetzt und bedürfe nicht zusätzlich eines Beweises. Die Frage, ob bei unfallbeschädigten, dann reparierten Schienenfahrzeugen beim "Käuferpublikum" ebenso ein "psychologisches Phänomen" wie beim Käufer von Kraftfahrzeugen bestehe und daher eine merkantile Wertminderung zuzuerkennen sei, sei daher eine Tat- und keine Rechtsfrage. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen habe es zu Recht eine merkantile Minderung des Fahrzeugwertes verneint. Dies sei abzuleiten aus den Feststellungen, daß für den Kaufpreis eines Eisenbahnfahrzeuges der natürliche Verschleißzustand bestimmend sei, daß für das gegenständliche Klagsfahrzeug ein Markt kaum zu erwarten sei, aber auch, daß nach Meinung der Österreichischen Bundesbahnen mit (nach) der Reparatur von Schienenfahrzeugen keinerlei Wertminderung in merkantiler oder technischer Hinsicht verbunden sei, woraus jedenfalls hervorgehe, daß beim größten österreichischen Schienenverkehrsunternehmen dieses im Kraftfahrzeughandel bestehende psychologische Phänomen "nicht existiere". Der Klägerin sei jedenfalls der Beweis eines wegen der rein gefühlsmäßig bestehenden Abneigung gegen Unfallsfahrzeuge durch das durchschnittliche Käuferpublikum verminderten Zeitwertes des Schienenfahrzeuges der Klägerin im reparierten Zustand gegenüber dem Zeitwert im Unfallszeitpunkt nicht gelungen. Die für den Kraftfahrzeuggebrauchtwagenhandel entwickelten Grundsätze ließen sich auch nicht auf den Handel mit Gebrauchtschienenfahrzeugen übertragen.

Technischer Minderwert sei zuzubilligen, wenn selbst bei ordnungsgemäßer Reparatur Mängel zurückblieben, welche die Gebrauchsfähigkeit, Betriebssicherheit, Lebensdauer oder das äußere Aussehen beeinträchtigten. Eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte Reparatur würde lediglich Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Reparaturunternehmen begründen. Daß aber vom technischen Standpunkt aus selbst bei einer ordnungsgemäß (dem Stand der Technik entsprechend) durchgeführten Repartur Mängel bestehen geblieben seien oder bestehen bleiben würden, habe die Klägerin gar nicht behauptet. Nach den Feststellungen scheide eine technische Wertminderung vielmehr infolge der bei Schienenfahrzeugen gegenüber Kraftfahrzeugen unterschiedlichen Reparaturart und des unterschiedlichen Reparaturumfanges aus. Daß im vorliegenden Fall keine vollständige Reparatur durchgeführt worden sei und noch Schäden im Bereich des Dachholmes bzw der Dachverblendung vorlägen, vermöge eine technische Wertminderung nicht zu begründen, weil die Klägerin nicht behauptet habe, daß diese Schäden unreparabel seien. Technische Wertminderung setze aber, wie schon erwähnt, eine ordnungsgemäß durchgeführte Reparatur voraus. Ansprüche auf Ersatz von Reparaturkosten und Wertminderung seien - wenngleich beide dem Oberbegriff Schadenersatz zu unterstellen seien - verschiedene Ansprüche, die nur aus einem unterschiedlichen rechtserzeugenden Sachverhalt abgeleitet werden können. Eine allenfalls von den Beklagten noch nicht bezahlte Reparatur der noch nicht zur Gänze behobenen Schäden gebe daher der Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz wegen technischer Wertminderung. Daher seien die Höhe der Kosten für Reparaturarbeiten zur Behebung der noch vorhandenen Schäden sowie der von den Beklagten bereits ersetzte Reparaturumfang nicht streitentscheidend. Ein allfälliger Anspruch auf Ersatz dieser Reparaturkosten wäre aber ausgehend vom Schadenereignis 8.3.1988 und der erstmaligen gerichtlichen Geltendmachung 19.11.1992 bereits verjährt. In der kurz vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist überreichten Klage habe die Klägerin keinen rechtserzeugenden Sachverhalt behauptet, aus dem ein Begehren auf Reparaturkostenersatz abzuleiten wäre. Die Klägerin habe zudem ausdrücklich nur Vorsorgekosten und Wertminderung geltend gemacht.

Zu den Vorsorgekosten:

Gestützt auf die Lehrmeinung von Apathy, Der Ersatz von Kosten eines Reservefahrzeuges, ZVR 1989, 257, würden die Beklagten die Ansicht vertreten, daß die Klägerin keinen Anspruch auf anteiligen Ersatz der Reservehaltungskosten habe, weil sie keine Triebwagengarnitur gesondert in Reserve gehalten habe, um fremdverschuldete Ausfälle auszugleichen. Sie bestritten einen Anspruch des Geschädigten auf einen solchen Ersatz für so lange, als er nicht mehr als ein Fahrzeug in Reserve halte, weil die Anschaffung des einen Reservefahrzeuges ohnehin notwendig sei, um die selbstverschuldeten Ausfälle auszugleichen. Die Klägerin bestreite auch gar nicht, daß sie keine Triebwagengarnitur gesondert in Reserve gehalten habe, um fremdverschuldete Ausfälle auszugleichen, behaupte aber, daß das eine Reservefahrzeug auch gehalten werde, um fremdverschuldete Ausfälle auszugleichen. Würde der Ansicht der Beklagten Rechnung getragen, bedeutete dies eine unbillige Begünstigung des Schädigers. Maßgeblich für den Ersatzanspruch auf Reservehaltungskosten könne daher nur sein, daß nach dem Fuhrpark des Geschädigten grundsätzlich differenziert werden könne, daß ein Fahrzeug als Reservefahrzeug für fremdverschuldete wie auch eigenverschuldete Ausfälle diene. Diesem Erfordernis habe die Klägerin Rechnung getragen. Nach dem vom Erstgericht erhobenen Sachverhalt halte sie ein Fahrzeug als ständiges Reservefahrzeug für unvorhergesehene Fälle (Unfall, Maschinenbruch etc). Insgesamt habe sie von den vorhandenen 13 Triebwagengarnituren der Type VT 70 drei Fahrzeuge in Reserve gehalten, ein Fahrzeug befindet sich ständig in Hauptuntersuchung, ein Fahrzeug sei als Ersatzfahrzeug für die ständige Wartung vorgesehen und das dritte eben als ständiges Reservefahrzeug für unvorgesehene (auch auf Fremdverschulden zurückzuführende) Fälle.

Das Erstgericht sei auch richtig davon ausgegangen, daß die gesamten Einsatztage der Reservefahrzeuge (hier des Reservefahrzeuges) für eigene und fremde Zwecke Ansatzpunkt für die betragsmäßige Aufteilung der Fixkosten seien. Nur wenn Reservefahrzeuge nicht nur für Ausfälle eingesetzt würden, sondern auch für andere Zwecke, seien auch die diesbezüglichen Einsatztage zu berücksichtigen (Reischauer in Rummel2 Rz 11 a zu § 1323 ABGB). Der "Tagessatz" sei daher auch nicht nach dem Verhältnis der Ausfallszeiten aufgrund fremdverschuldeter Unfälle zu den Ausfallszeiten aufgrund eigenverschuldeter Unfälle, Motorschäden oder sonstiger Ausfälle der Jahre 1985 bis 1987 von 21 :

79 zu berechnen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Klägerin beantragt die Abänderung im Sinne der vollinhaltlichen Klagsstattgebung, während die Beklagte die Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung anstrebt. Die Klägerin stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Revisionsbeantwortung der Klägerin ist verspätet (Zustellung der gegnerischen Revision am 29.12.1994; Postaufgabe 6.2.1995 - vgl EvBl 1993/195) und war daher zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin zurück- oder abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig, aber nicht berechtigt.

Zur Revision der Klägerin:

Die Klägerin macht geltend, jeder allfälliger Käufer des Schienenfahrzeuges würde zumindest den notwendigen Aufwand zur völligen Wiederherstellung des Fahrzeuges von S 240.000,-- in Form einer merkantilen Wertminderung vom Kaufpreis abziehen. Das Erstgericht hätte daher aussprechen müssen, daß eine Wertminderung dem Grunde nach bestehe und diese nach § 273 Abs 1 ZPO der Höhe nach festsetzen müssen. Auch ein nicht getätigter Reparaturaufwand stelle positiven Schaden dar und sei daher jedenfalls aus dem Titel des Schadenersatzes - wozu auch die Wertminderung gehöre - zu ersetzen. Mit der Klage sei festgehalten worden, daß ein unberichtigter Schaden von insgesamt S 1,000.000,-- entstanden sei; es finde daher der Betrag von S 240.000,-- aus dem Titel noch ungetätigter Reparaturkosten im Klagsbetrag jedenfalls Deckung.

Diese Argumentation ist nicht überzeugend.

Zunächst wird gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteiles verwiesen. Den Revisionsausführungen ist noch folgendes entgegenzuhalten:

Die Klägerin vermengt Reparaturkosten mit merkantilem Minderwert. Für letzteren kann dem Geschädigten nach herrschender Ansicht im Falle von reparierten Kraftfahrzeugen neben dem Ersatz der Reparaturkosten ein Ersatz gebühren, weil die gefühlsmäßige Abneigung des Käuferpublikums gegen wenngleich reparierte Unfallsfahrzeuge zur Wertminderung führen kann (Reischauer in Rummel2 § 1332 ABGB Rz 16; Apathy, EKHG § 16 Rz 17 jeweils mwN). Nicht aufgewendete Reparaturkosten in der angeblichen Höhe von S 240.000,-- - die diesbezügliche Feststellung des Erstgerichtes wurde vom Berufungsgericht nicht übernommen - können daher nicht in merkantilen Minderwert umgedeutet werden. Was die durchgeführte Reparatur anlangt, deren Kosten der Klägerin ersetzt wurden, so ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, daß auch bei Schienenfahrzeugen ein merkantiler Minderwert entsteht. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist eine solche Wertminderung aber nicht eingetreten; der entsprechende Nachweis ist der Klägerin nicht gelungen.

Aber auch der Versuch der Klägerin, unter Hinweis auf die Klage der Verjährung ihrer Forderung zusätzlicher Reparaturkosten zu entgehen, muß scheitern. Sie hat nämlich entgegen ihrer nunmehrigen Behauptung in ihrer Klage ausdrücklich nur Ersatz von Vorsorgekosten und (im Hinblick auf die angefallenen Reparaturkosten von 2,5 Mio S) merkantile Wertminderung begehrt; von zusätzlichen Reparaturkosten war keine Rede. Eine solche Forderung wurde erst nach Verjährungseintritt erhoben. Daß sowohl Reparaturkosten als auch Wertminderung aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht werden können, ändert hieran nichts.

Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagten führen aus, dem Geschädigten stehe Vorsorgekostenersatz nur zu, wenn er eine größere Anzahl von Reservefahrzeugen bereit halte, als ohne Berücksichtigung fremdverschuldeter Ausfälle nötig sei. Die Klägerin habe ihren Fuhrpark zum Ausgleich von Ausfällen durch fremdverschuldete Unfälle aber überhaupt nicht erhöht. Die eine Garnitur, aus der rein abstrakt ein Einsatzanteil von 21 % für fremdverschuldete Unfälle herausgerechnet worden sei, habe sie so und so (eigenverschuldete Unfälle, Motorschäden oder sonstige Ausfälle) gebraucht. Überdies sei es unrichtig, den ganzen Tageskostensatz von S 3.476,-- auf die Anzahl der durch den Unfall ausgelösten Ausfallstage umzulegen. Dieser Tagessatz enthalte einen rechnerischen Kostenanteil von 79 % für nicht fremdverschuldete Unfälle, mit dem die Beklagten jedenfalls nichts zu tun hätten. Allenfalls könnten nur 21 % des Tagessatzes, nämlich S 729,96 als Vorsorgekosten für fremdverschuldete Unfälle gewertet werden.

Auch dieser Argumentation ist nicht zuzustimmen.

Zum Ersatz von Aufwendungen für ein Reservefahrzeug hat der Oberste

Gerichtshof schon mehrmals Stellung genommen (SZ 45/137 = ZVR

1974/114 = JBl 1973, 476; SZ 59/95 = ZVR 1987/100 = JBl 1986, 581; SZ

60/65; ZVR 1988/125). Danach hat der Schädiger bei Beschädigung eines Fahrzeuges nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag für die auf die Zeit des unfallsbedingten Ausfalles des beschädigten Fahrzeuges entfallenden Kosten eines vom Geschädigten bereit gehaltenen und nun zum Einsatz gebrachten Reservefahrzeuges einzustehen. Auf diese Rechtsprechung, der die Lehre weitgehend zugestimmt hat und die von Reischauer in Rummel2 § 1323 ABGB Rz 11 a übersichtlich dargestellt wurde, kann verwiesen werden (vgl auch Koziol, Die Schadensminderungspflicht, JBl 1972, 234 und zu JBl 1973, 476 sowie Haftpflichtrecht I2 63 ; Rummel in Rummel2 § 1035 ABGB Rz 5; Apathy, Der Ersatz von Kosten eines Reservefahrzeuges, ZVR 1989, 257 sowie auch EKHG § 16 Rz 27; anders Harrer in Schwimann § 1323 ABGB Rz 35).

Zur vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Frage, ob Reservehaltungskosten auch dann gebühren, wenn für fremdverschuldete und eigenverschuldete Ausfälle insgesamt nur ein Reservefahrzeug zur Verfügung steht, lehrt Apathy (aaO), ein Ersatz von Aufwendungen für ein Reservefahrzeug komme erst in Betracht, wenn die Zahl der Reservefahrzeuge so groß sei, daß davon auszugehen sei, der Geschädigte hätte zumindest ein Fahrzeug nicht angeschafft, bräuchte er für fremdverschuldete Unfälle nicht vorzusorgen. Diese Voraussetzung wäre im vorliegenden Fall nicht gegeben: Die Klägerin hält zwar drei Triebwagengarnituren in Reserve, benötigt aber schon zwei Garnituren wegen Hauptuntersuchungen und ständiger Wartung; die dritte dient als Reservefahrzeug für unvorhergesehene Fälle jeglicher Art. Als Vorsorge allein für fremdverschuldete Unfälle hat sie keine zusätzliche Garnitur angeschafft.

Der erkennende Senat folgt aber der Auffassung Apathys nicht. Auch Apathy verlangt nicht, daß der Geschädigte spezielle Fahrzeuge nur als Ersatzfahrzeuge für fremdverschuldete Unfälle hält. Er spricht sich auch nicht grundsätzlich gegen einen Ersatz anteiliger Kosten des Reservefahrzeuges aus, wenn sowohl im eigenen wie im fremden Interesse gehandelt wurde. In SZ 60/65 wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, es sei nicht erforderlich, daß das Ersatzfahrzeug vom Geschädigten allein oder überwiegend zu dem Zweck gehalten wurde, um im Fall der Beschädigung eines eigenen Fahrzeuges aus dem Verschulden eines anderen eingesetzt zu werden; es genüge vielmehr, daß der Geschädigte mit der Haltung des Ersatzfahrzeuges neben der Verfolgung eigener Interessen auch diesen Zweck verfolgte (vgl auch Rummel aaO).

Hievon ausgehend ist der erkennende Senat der Ansicht, daß ein anteiliger Ersatz von Reservehaltungskosten auch dann zu erfolgen hat, wenn kein zusätzliches Fahrzeug zur Vorsorge bei fremdverschuldeten Unfällen angeschafft wurde. Auch in einem solchen Fall werden Mittel (auch) im fremden Interesse eingesetzt. Daß der Einsatz nicht nur bei fremdverschuldeten Unfällen erfolgt, ist ohnehin bei der Berechnung der Höhe des Ersatzes zu berücksichtigen (ebenso wohl Reischauer aaO). Sollte der Entscheidung ZVR 1988/125 eine andere Auffassung zugrundeliegen, könnte diese nicht aufrecht erhalten werden.

Was die Höhe des Ersatzes anlangt, so wurde in SZ 60/65 (zust Reischauer aaO; vgl Apathy aaO) bereits mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, daß die Jahreskosten durch die Anzahl der (gesamten) Einsatztage zu dividieren und das Ergebnis mit der Zahl der Ausfallstage zu multiplizieren ist. Wenn - wie hier - alle Wagen nach einem Rotationssystem als Reservefahrzeuge eingesetzt werden, sind Durchschnittswerte anzusetzen.

Das Erstgericht ist bei seiner Berechnung in Anlehnung an die Berechnung der Klägerin offenbar von einem täglichen Einsatz ausgegangen. Lag die Zahl der tatsächlichen Einsatztage (für jegliche Zwecke) darunter, so hat sich dies nur zugunsten der Beklagten ausgewirkt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten war es zutreffend, den gesamten Tageskostensatz auf die durch den gegenständlichen Unfall verursachten Ausfallstage umzulegen. Die Einsatzkosten pro Tag basieren auf jeglichem Einsatz. Die Berücksichtigung der von den Beklagten zu vertretenden Ausfallszeit erfolgt durch den Ansatz der Zahl der Ausfallstage und nicht durch Kürzung des Tagessatzes um einen rechnerischen Anteil sonstiger Ausfälle. Dem Umstand, daß der Geschädigte das Ersatzfahrzeug auch für eigene Zwecke benützt, wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, daß der Schädiger ja nur den Teil der Vorsorgekosten zu ersetzen hat, der auf den Zeitraum entfällt, in dem das Ersatzfahrzeug zu seinen Gunsten eingesetzt wurde (vgl SZ 60/65, in welcher Entscheidung auch der Vorschlag Koziols, JBl 1973, 477, die anteilsmäßigen Kosten für den Einsatzzeitraum zwischen dem Verkehrsunternehmer und dem Schädiger zu teilen, abgelehnt wurde). Daß die so ermittelten Vorsorgekosten den sonst eingetretenen Schaden übersteigen würden, behaupten selbst die Beklagten nicht.

Beiden Revisionen war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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