OGH 3Ob508/95

OGH3Ob508/9522.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth H*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Robert Brande, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mustafa Z*****, ***** vertreten durch Dr.Peter Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 17. November 1993, GZ 41 R 815/93-22, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2.Juli 1993, GZ 43 C 783/91a-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die Aufkündigung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27.11.1991, GZ 43 K 313/91-1, wird aufgehoben.

Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin die den Gegenstand der Aufkündigung bildende Wohnung binnen vierzehn Tagen geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben, wird abgewiesen."

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 15.864,56 (darin S 2.324,16 Umsatzsteuer und S 1.920,- Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren aller drei Instanzen binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kündigte dem Beklagten den mit ihm über eine Wohnung geschlossenen Mietvertrag gerichtlich auf und brachte hiezu vor, daß er den Mietgegenstand ganz weitergegeben habe und ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich dringend benötige und daß er ihn überdies gegen eine im Vergleich zu dem von ihm zu entrichtenden Mietzins unverhältnismäßig hohe Gegenleistung überlassen habe.

Der Beklagte wendete ein, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund nicht vorliege und daß die Klägerin außerdem auf dessen Geltendmachung verzichtet habe.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als wirkam und verurteilte den Beklagten zur Übergabe der Wohnung. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Die damalige Verwalterin des der Klägerin gehörenden Hauses schloß in deren Namen mit dem Beklagten am 8.2.1984 einen schriftlichen Mietvertrag über eine in dem Haus gelegene Wohnung. Von einer Angestellten der Verwalterin und vom Beklagten wurde außerdem eine mit 6.2.1984 datierte Urkunde unterschrieben, die folgenden Wortlaut hat:

"Auf Verlangen wird vom Vermieter gem § 27 Abs 2 ein Verzicht auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Ziff 4 (Untervermietung) und Ziff 6 (Leerstehung) ausgesprochen und zwischen den Vertragspartnern vereinbart, auch gehen die in der Wohnung verbleibenden beweglichen und unbeweglichen Gegenstände in den Besitz des Mieters über."

Auf dieser Urkunde wurde handschriftlich der Zusatz "Für Wohnung ...... (es folgt die nähere Bezeichnung der vom Beklagten gemieteten Wohnung)" beigefügt. Dies geschah durch jemanden, der nicht bei der damaligen Verwalterin des Hauses beschäftigt ist oder war. Die Echtheit der angeführten Urkunde kann nicht festgestellt werden.

Der Beklagte, der selbst einen monatlichen Mietzins von S 1.084,78 bezahlt, hat die gemietete Wohnung an einen Dritten in Untermiete gegeben. Der monatliche Untermietzins betrug zur Zeit der Zustellung der Aufkündigung S 3.000 und zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz S 3.500.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG gegeben sei, weil der Beklagte die gemietete Wohnung gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung verwertet habe. Die Zustimmung zur Untervermietung bedeute nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wohl den Verzicht auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG, es werde dem Mieter damit aber nicht ohne weiteres das Recht eingeräumt, aus der Untervermietung einen unverhältnismäßigen Vorteil zu ziehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Aus der vom Erstgericht bezogenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Miet 42.326 und 41.328 je mwN), von der anscheinend auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, ergibt sich nur, daß die Gestattung der Untervermietung allein noch nicht die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG ausschließt. Es wurde aber in diesen Entscheidungen auch darauf hingewiesen, daß im Fall weiterer Abmachungen ein Verzicht auf die Geltendmachung auch dieses Kündigungsgrundes vorliegen könne. Eine solche Abmachung wurde zwischen den Parteien aber getroffen, wenn vom Inhalt der Vereinbarung vom 6.2.1984 auszugehen ist und sich diese Vereinbarung auf den den Gegenstand der Aufkündigung bildende Wohnung bezieht. Der Vermieter hat darin nämlich allgemein auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG und damit auch auf den darin im zweiten Tatbestand umschriebenen Kündigungsgrund verzichtet.

Ist eine Privaturkunde unterschrieben, so ist zwischen der Echtheit der Unterschrift und der Echtheit des Textes zu unterscheiden (EvBl 1992/69). Die Echtheit der Unterschriften wurde hier vom Erstgericht festgestellt. Seine Erklärung, daß die Echtheit der Urkunde nicht festgestellt werden kann, bezieht sich daher offensichtlich nur auf die Echtheit des Textes. Hiezu ist den Feststellungen des Erstgerichtes zwar zu entnehmen, daß die Urkunde teilweise verfälscht worden sein dürfte, da der Beisatz, in dem auf die vom Beklagten gemietete Wohnung hingewiesen wird, nicht von einer Person hinzugefügt wurde, deren Verhalten sich die Klägerin zurechnen lassen muß, liegt die Annahme nahe, daß dies auch nach Unterfertigung der Urkunde geschah. Eine Verfälschung bedeutet aber noch nicht, daß auch die unverfälschten Teile der Urkunde unwirksam sind.

Die Klägerin hat nicht behauptet, daß der Beklagte von ihr weitere Wohungen gemietet hat, und sie hat auch nicht behauptet, geschweige denn bewiesen, daß er unrechtmäßig in den Besitz der Urkunde gelangte. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß der Verzicht, der aus dem unverfälscht gebliebenen Teil der Urkunde hervorgeht, dem Willen der Beteiligten entspricht und sich mangels auf die den Gegenstand der Aufkündigung bildende Wohnung bezieht. Da er von einer Person erklärt wurde, deren Verhalten sich die Klägerin zurechnen lassen muß, hindert er die Aufkündigung des mit dem Beklagten geschlossenen Mietvertrages aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG, auf dessen Geltendmachung zur Gänze verzichtet wurde. Die allein auf diesen Kündigungsgrund gestützte Aufkündigung war daher aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 41 ZPO, bei den Rechtsmittelkosten außerdem auf § 50 ZPO.

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