OGH 9Ob506/95

OGH9Ob506/9522.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****-GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Maximilian Geiger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei F***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander und Dr.Martin Piaty, Rechtsanwälte in Graz, wegen 3,402.086,40 S sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 18. November 1994, GZ 1 R 189/94-11, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 8. September 1994, GZ 18 Cg 108/94s-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Rekurs der beklagten Partei zurückgewiesen wird.

Die Kosten des Rekursverfahrens hat jede Partei selbst zu tragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 29.210,61 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 4.868,43 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei berief sich in der gegen die in Dornbirn ansässige beklagte Partei beim Erstgericht eingebrachten Klage auf eine Gerichtsstandvereinbarung. In der ihr gemäß § 243 Abs 4 ZPO aufgetragenen Klagebeantwortung bestritt die beklagte Partei das Vorliegen einer Gerichtsstandvereinbarung und wandte die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein.

In der Tagsatzung vom 5.September 1994 schränkte das Erstgericht das Verfahren auf die Prüfung der Zuständigkeitsfrage ein, schloß die Verhandlung und gab bekannt, daß die Entscheidung schriftlich ergehen werde.

Mit am 5.September 1994 überreichtem Schriftsatz, der nicht mehr Gegenstand der Tagsatzung war, beantragte die klagende Partei, für den Fall, daß das Erstgericht seine örtliche Unzuständigkeit aussprechen sollte, die Überweisung der Klage an das Landesgericht Feldkirch.

Das Erstgericht sprach daraufhin seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Klage an das offenbar nicht unzuständige Landesgericht Feldkirch.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Überweisungsantrag der beklagten Partei vom 5.September 1994 zurückwies und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO sei bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede zu stellen, so daß darüber mündlich verhandelt werden könne. Werde der Antrag erst nach Schluß der Verhandlung gestellt, werde dem Beklagten die Möglichkeit zur Stellungnahme genommen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß die Klage an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Feldkirch überwiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die in § 182 Abs 2 Satz 3 ZPO normierte Pflicht des Richters, auf die Möglichkeit eines Überweisungsantrages hinzuweisen, besteht nicht nur bei Wahrnehmung der Unzuständigkeit von Amts wegen, sondern auch nach Erhebung der Unzuständigkeitseinrede sowie auch gegenüber dem anwaltlich vertretenen Kläger (JBl 1986, 529 = EvBl 1987/6 = RZ 1986/61; EvBl 1993/100; 7 Ob 583/94; siehe auch Fasching, Zivilverfahrens-Novelle 1981, JBl 1982, 68 ff [77]; derselbe ZPR2 Rz 782; Fucik, Die Zuständigkeit nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983, RZ 1985, 258 ff [261]; derselbe in Rechberger Komm ZPO § 182 Rz 3; Rechberger in Rechberger Komm ZPO § 261 Rz 8; Ballon, Die Rechtsprechung in Zuständigkeitsfragen, Fasching-FS [1988], 55 ff [59]; gegenteilig lediglich 2 Ob 583/92, ohne sich mit der grundlegenden Entscheidung JBl 1986, 529 auseinanderzusetzen).

Der Verstoß gegen die Anleitungspflicht hat zur Folge, daß dem Kläger der Rechtsbehelf des Überweisungsantrages ungeachtet der Unterlassung der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung nicht verloren geht:

Bei Aufhebung der mit einem Verfahrensmangel behafteten Entscheidung über die Zurückweisung der Klage wird dem Kläger die Möglichkeit gegeben, im fortgesetzten Verfahren in der mündlichen Verhandlung einen Überweisungsantrag zu stellen (siehe JBl 1986, 529 sowie 7 Ob 583/94), bei Anwendung des § 230a ZPO auf diesen Fall wird dem Kläger diese Möglichkeit auch ohne derartigen Verfahrensaufwand eingeräumt (siehe EvBl 1993/100; Fasching ZPR2 Rz 226; Fucik, Die Zuständigkeit nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983, 261; Simotta, Der Überweisungsantrag nach § 230a ZPO, JBl 1988, 359 ff [361]; Ballon aaO 59; Rechberger aaO § 230a Rz 1).

Für den vorliegenden Fall ergibt dies, daß nach herrschender Rechtsprechung und Lehre die Verletzung der Anleitungspflicht nach § 182 Abs 2 Satz 3 ZPO durch das Erstgericht in der Tagsatzung vom 5. September 1994 zur Folge hat, daß dem Kläger die Möglichkeit zur Stellung eines Antrages auf Überweisung der Rechtssache an das von ihm namhaft zu machende nicht offenbar unzuständige andere Gericht gewahrt bleibt. Geht man davon aus, daß dem Kläger die Möglichkeit eröffnet werden soll, die zufolge Unterbleibens der Belehrung unterlassene Antragstellung nachzuholen, dann besteht kein Grund, die nach § 230a ZPO grundsätzlich auch außerhalb der mündlichen Verhandlung mögliche Antragstellung nicht auch bereits vor Zustellung des Beschlusses über die Zurückweisung der Klage zuzulassen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nur in diesem Fall dem Kläger ein dem durch die Unterlassung der Belehrung versäumten Antrag nach § 261 Abs 6 ZPO adäquater Rechtsbehelf geboten wird, weil bei Stellung des Überweisungsantrages vor dem Beschluß über die Unzuständigkeit der Rechtsmittelausschluß nach § 261 Abs 6 Satz 5 ZPO zum Tragen kommt. Im Hinblick auf diese Rechtsfolge und den Umstand, daß es dem Beklagten gemäß § 261 Abs 6 letzter Satz ZPO ebenso wie nach § 230a letzter Satz ZPO freisteht, auch die Unzuständigkeit des Gerichtes, an das die Rechtssache überwiesen wurde, einzuwenden, werden die Rechte des Beklagten bei dieser Vorgangsweise nicht beeinträchtigt.

Da daher die Beachtung des schriftlichen Überweisungsantrages der klagenden Partei durch das Erstgericht den Bestimmungen des § 261 Abs 6 ZPO - unter Berücksichtigung der dem Kläger nach § 230a ZPO eröffneten Möglichkeit, einen Überweisungsantrag auch außerhalb der mündlichen Verhandlung zu stellen - nicht derart widerspricht, daß der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt wird (siehe SZ 61/265 und den dortigen Hinweis auf Simotta aaO, 366), war die Überprüfung der vom Erstgericht erfolgten Überweisung aufgrund des Rechtsmittelausschlusses des § 261 Abs 6 Satz 5 ZPO nicht zulässig (siehe auch 8 Ob 607/91).

Das Rekursgericht hätte daher ohne Eingehen auf die sachliche Berechtigung des erstgerichtlichen Überweisungsbeschlusses den dagegen erhobenen Rekurs zurückweisen müssen. Der angefochtene Beschluß war daher entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 52 Abs 2 und 41, 50 Abs 1 ZPO. Da die klagende Partei in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen hat, waren ihr Kosten hiefür nicht zuzusprechen.

Stichworte