OGH 5Ob22/95

OGH5Ob22/9521.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller

1.) Egon H*****, und 2.) Alfred H*****, beide vertreten durch Dr.Robert A. Kronegger und Dr.Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wider die Antragsgegner 1.) Verlassenschaft nach Elisabeth K***** und

2.) Elisabeth K*****, beide vertreten durch Dr.Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, wegen Angemessenheit des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages (§ 37 Abs 1 Z 13 MRG) infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 24. Oktober 1994, GZ 3 R 188/94-33, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19.Mai 1994, GZ 6 Msch 11/94h-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Antragsgegner sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus K*****. Die im ersten Stock dieses Hauses gelegene, 180 m2 große Wohnung wurde mit Beschluß des Wohnungsamtes des Magistrates Graz vom 11.10.1945 der Therese K***** zugewiesen, deren Rechtsnachfolger (Enkel) die nunmehrigen Antragsteller sind. Der Begründung des Zuweisungsbeschlusses ist zu entnehmen, daß die zugewiesene Wohnung aus sechs Zimmern, einer Küche und Bad samt Keller- und Dachbodenabteil bestand, wovon jedoch nur drei Zimmer bewohnbar waren. Die anderen Zimmer seien - so wie die ursprüngliche Wohnung der Therese K***** - bombenbeschädigt gewesen und sollten von der Wohnungswerberin auf eigene Kosten instandgesetzt werden.

Seit 1.1.1992 wird den Antragstellern, die einen Hauptmietzins von S 115,60 monatlich zu zahlen haben, ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag nach Maßgabe des Kategoriezinses für eine Wohnung der Ausstattungskategorie B vorgeschrieben (S 2.548,40 monatlich). Die Antragsteller vertreten jedoch den Standpunkt, daß sich der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag an einer Wohnung der Ausstattungskategorie D oder höchstens C zu orientieren habe und dementsprechend S 772,40 bzw S 1.660,40 im Monat nicht überschreiten dürfe. Die ihrer Rechtsvorgängerin im Oktober 1945 zugewiesene Wohnung habe sich nämlich in einem unbrauchbaren Zustand befunden. Drei Zimmer seien mit Bombenschutt ausgefüllt gewesen, der mühsam händisch habe entfernt werden müssen; außerdem hätten Fenster- und Türfüllungen sowie die Installationen im Bad gefehlt. Die Antragsteller haben deshalb zunächst bei der Schlichtungsstelle der Stadt Graz und sodann - nach Abweisung ihres Begehrens - bei Gericht die Überprüfung bzw Herabsetzung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages beantragt.

Die Antragsteller begehrten die Abweisung des Herabsetzungsantrages, weil die verfahrensgegenständliche Wohnung im Zeitpunkt der Zuweisung an Therese K***** unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse durchaus brauchbar gewesen sei und über ein funktionierendes Bad verfügt habe. Lediglich durch einen Bombentreffer im Nachbarhaus seien zufolge des Luftdrucks einige Fenster und Fensterstöcke beschädigt gewesen, die wegen des Materialmangels nicht sofort hätten repariert werden können.

Das Erstgericht wies den Sachantrag ab. Es stellte fest:

Bei Übernahme des gegenständlichen Bestandobjektes durch Therese K***** befand sich dieses in teilweise unbrauchbarem Zustand. Drei der sechs Zimmer waren teilweise voll Bombenschutt und somit zunächst nicht bewohnbar. Die Wohnung verfügte allerdings sowohl über ein benützbares und intaktes WC als auch über ein brauchbares Badezimmer mit einer damals standardgemäßen Einrichtung.

Durch den Druck der Explosionswellen von Bombeneinschlägen im Nachbarhaus sowie im ebenfalls in der Nähe befindlichen Justizpalast waren zahlreiche Fenstereinrahmungen und Füllungen beschädigt worden, sodaß Therese K***** bei Übernahme der Wohnung zwei Fensterkonstruktionen der insgesamt vier straßenseitig gelegenen Fenster erneuern lassen mußte.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, daß sich die verfahrensgegenständliche Wohnung bei Übernahme durch Therese K***** im Zustand der Kategorie B befunden habe, da sie über ein brauchbares Badezimmer verfügte. Der eingehobene Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag sei daher richtig bemessen worden.

Das von den Antragstellern angerufene Rekursgericht änderte diesen Sachbeschluß dahin ab, daß der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag unter Zugrundelegung der Ausstattungskategorie D für die verfahrensgegenständliche Wohnung mit S 772,40 monatlich bemessen wurde. Hiefür bedürfe es gar keiner Überprüfung oder Ergänzung der erstgerichtlichen Feststellungen:

Eine Wohnung befinde sich in brauchbarem, für die Kategorien A bis C unabdingbarem Zustand, wenn sie zum sofortigen Bewohnen geeignet ist, also keine gröberen, die Benützung hindernden Mängel aufweist. Als Maßstab hätten dabei nicht die heutigen Vorstellungen und Verhältnisse zu dienen, sondern die des jeweils maßgebenden Zeitpunkts, im konkreten Fall also die bei Kriegsende im Jahr 1945 herrschenden Bedingungen.

Die festgestellten Mängel - Bombenschutt in drei der sechs Zimmer und die daraus resultierende Unbenützbarkeit dieser Zimmer sowie die vollständige Zerstörung zweier Fenster inklusive der Fensterstöcke - ließen nicht einmal im Hinblick auf die Verhältnisse der Nachkriegszeit den Schluß zu, die verfahrensgegenständliche Wohnung sei brauchbar gewesen. Es habe sich um derart grobe Mängel gehandelt, daß - selbst zum damaligen Zeitpunkt - die sofortige Benützbarkeit der Wohnung nicht möglich gewesen sei. Der Berechnung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages sei somit der für eine Wohnung der Kategorie D geltende Kategoriezins zugrundezulegen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Erhebliche Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO hätten sich nämlich nicht gestellt.

Im nunmehr vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs machen die Antragsgegner geltend, daß es nicht angehe, den Hauseigentümer für die teilweise Unbrauchbarkeit einer Wohnung verantwortlich zu machen (und ihn deshalb mit einer Kategorieabstufung zu bestrafen), wenn ihm durch die aufgezwungene Einweisung eines Mieters nach den Wohnungsanforderungsbestimmungen des Jahres 1945 gar keine Gelegenheit gegeben wurde, die Wohnung zu sanieren. Im übrigen habe das Rekursgericht zu Unrecht die Unbrauchbarkeit der Wohnung angenommen. Bei Überprüfung der Tatsachen- und Beweisrüge hätte sich nämlich herausgestellt, daß der angebliche Bombenschutt nicht von den Wänden oder dem Boden der Wohnung stammte und nur weggeschafft werden mußte, um die betroffenen Räume bewohnbar zu machen; außerdem seien die Fensterstöcke intakt geblieben, sodaß - wie in unzähligen anderen kriegsbeschädigten Wohnungen auch - mit einer provisorischen Fensterverkleidung das Auslangen gefunden werden konnte. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den erstinstanzlichen Sachbeschluß wieder herzustellen.

Den Antragstellern und übrigen Mietern des Hauses wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Die Antragsteller haben von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht und die Zurückweisung des Revisionsrekurses, hilfsweise die Bestätigung des angefochtenen Sachbeschlusses beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne einer vom Abänderungsbegehren mitumfaßten Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen auch berechtigt.

Beide Vorinstanzen sind in ihren Entscheidungen davon ausgegangen, daß für die Bemessung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages die Ausstattungskategorie der verfahrensgegenständlichen Wohnung im Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Einweisung der Therese K*****, also der Zustand am 11.10.1945, maßgebend sei. § 16 Abs 3 MRG, auf den § 45 Abs 1 Z 1 MRG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem 3.WÄG) verweist, verlangt jedoch ein Abstellen auf den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses (MietSlg 37.576; RdW 1986, 208 ua). In der Zuweisung der Wohnung an die Rechtsvorgängerin der Antragsteller kann ein solcher Vertragsabschluß nicht erblickt werden, weil damit ein rein öffentlich-rechtliches Benützungsverhältnis begründet wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Zuweisung der verfahrensgegenständlichen Wohnung an Therese K***** laut Beschluß vom 11.10.1945 "in Hauptmiete" erfolgte. Mit dieser in Zuweisungsbescheiden durchaus üblichen Formulierung sollte nur zum Ausdruck gebracht werden, daß der Eingewiesene den Abschluß eines Hauptmietvertrages (und nicht nur eines Untermietvertrages) verlangen kann; privatrechtliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Eingewiesenen und dem über das Zuweisungsobjekt Verfügungsberechtigten wurden durch den Zuweisungsbescheid nicht begründet (vgl Schuppich, Kommentar zum Wohnungsanforderungsgesetz, 270). Darum kommt es bei der Ermittlung des fiktiven Kategoriemietzinses, an dem sich der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag zu orientieren hat, nicht auf den Zustand der Wohnung im Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Einweisung des späteren Mieters, sondern auf den Mietvertragsabschluß an (WoBl 1991, 12/7; vgl auch Würth in Rummel2, Rz 17 zu § 16 MRG). Die von den Revisionsrekurswerbern geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anknüpfung der Rechtsfolgen des § 45 MRG an einen Zustand des Bestandobjektes, auf den der Vermieter keinerlei Einfluß nehmen konnte, sind bei dieser - dem Wortlaut und Sinn des § 16 Abs 3 MRG entsprechenden - Lösung ausgeräumt.

Es erweist sich somit als unerläßlich, den Zeitpunkt des Abschlusses jenes Mietvertrages festzustellen, aus dem die Antragsteller ihre Hauptmietrechte ableiten, und dazu noch den damaligen Zustand der Wohnung, um ausreichende Beurteilungsgrundlagen für die maßgebende Urkategorie zu gewinnen. Sollte es gar nicht zum Abschluß eines Mietvertrages zwischen den Antragstellern und Antragsgegnern (bzw ihren jeweiligen Rechtsvorgängern) gekommen sein, ist auf jene gesetzlichen Regelungen zurückzugreifen, die in solchen Fällen der Rechtsunsicherheit das Zustandekommen eines Mietverhältnisses fingierten. Im gegenständlichen Fall, der sich dadurch auszeichnet, daß nicht einmal eine sichere Rechtsgrundlage für den Zuweisungsbeschluß des Wohnungsamtes des Magistrates Graz vom 11.10.1945 zu eruieren ist (siehe die hiefür in Frage kommenden Rechtsquellen bei Schuppich aaO, 6 f), findet sich die maßgebliche Bestimmung in Art III Z 2 der Novelle vom 9.7.1953 zum Wohnungsanforderungsgesetz 1949, BGBl 1953/116, der anordnet, daß die in Wohnungen der verfahrensgegenständlichen Art Zugewiesenen (siehe dazu § 3 Abs 1 Z 7 WAG idF der Novelle vom 9.7.1953), sofern die Zuweisung vor dem Inkrafttreten der Novelle rechtskräftig geworden ist (woran im hier zu beurteilenden Fall nicht gezweifelt wurde) mit dem Inkrafttreten der genannten Novelle - also am 20.8.1953 - als Mieter anzusehen sind.

Sofern kein früherer Mietvertragsabschluß feststellbar ist, wird daher für die Beurteilung der Ausstattungskategorie iSd § 45 Abs 1 Z 1 MRG iVm § 16 Abs 2 und 3 MRG auf den 20.8.1953 abzustellen sein. Daß dabei unter Berücksichtigung der Nachkriegsverhältnisse kein allzustrenger Maßstab an die Brauchbarkeit der Wohnung angelegt werden kann (vgl WoBl 1991, 12/7 = MietSlg 42.262 ua), wurde bereits vom Rekursgericht grundsätzlich richtig erkannt; eine abschließende Stellungnahme kommt erst in Betracht, wenn die Feststellungsmängel behoben sind.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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