Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Bei der am 16.1.1968 geborenen Klägerin besteht ein berufsabhängiges Handekzem (Friseurekzem). Derzeit ist die Haut an den Händen zart, gut durchblutet und von normaler Trophik; der Nitrazingelbtest ist negativ. Der Sachverständige für Dermatologie schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei Zugrundelegung des Friseurberufes mit 20 vH und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen des dort nur selten vorkommenden Allergens mit 10 vH ein.
Mit Bescheid vom 2.6.1993 anerkannte die Beklagte die Erkrankung, die sich die Klägerin als Friseurlehrling und Friseurin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 ASVG unfallversichert, zugezogen hat, als Berufskrankheit gemäß § 177 ASVG Anlage 1 Nr 19 und stellte den Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles gemäß § 174 Z 2 ASVG mit 30.5.1992 fest. Hingegen lehnte sie den Antrag vom 25.1.1993 auf Versehrtenrente mit der Begründung ab, daß die beruflich verursachte Hauterkrankung keine MdE im entschädigungspflichtigen Ausmaß bedinge.
Das Klagebegehren richtet sich auf eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß für die Dauer der MdE rückwirkend zunächst ab 30.5.1992, nach Ausdehnung ab 24.2.1992. Es stützt sich darauf, daß ein Ekzem an den Händen "gem BGBl Nr. 150/1965" je nach Ausdehnung und Entzündungsgrad eine MdE von 20 bis 60 vH bewirke.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, die Klägerin habe sich vom 24.2. bis 4.3. sowie vom 16.3. bis 7.4.1992 im Krankenstand befunden. Die anerkannte Berufskrankheit hätte keine die Leistungsfähigkeit der Klägerin meßbar beeinträchtigenden Folgen.
Das Erstgericht wies das (ursprüngliche) Klagebegehren (ohne Berücksichtigung der Ausdehnung) ab. Unter Beachtung der stRsp sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die Berufskrankheit nicht über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 vH vermindert (§ 203 Abs 1 ASVG).
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.
Nach seit der E SSV-NF 1/64 stRsp des Obersten Gerichtshofes sei der Grad der durch die Folgen eines Arbeitsunfalles (oder eine Berufskrankheit) verursachten MdE grundsätzlich abstrakt nach dem Umfang aller verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens zu beurteilen. Dabei sei von der medizinischen MdE auszugehen, die im allgemeinen auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung bilde, wenn nicht besondere Umstände eine Abweichung gebieten (SSV-NF 6/15). Deshalb habe das Erstgericht zutreffend nur ein medizinisches und nicht auch ein berufskundliches Gutachten eingeholt. Ein Härtefall liege nicht vor (SSV-NF 3/3, 22 und 128; 6/44). Der bei Eintritt des Versicherungsfalles 24 alten Klägerin, die nur kurze Zeit im (erlernten Beruf) als Friseurin gearbeiet habe, sei eine berufliche Umstellung zumutbar.
In der Revision macht die Klägerin unrichtige rechtliche Beurteilung geltend; sie beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß ihr die Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß für die Dauer der MdE ab dem 30.5.1992 zuerkannt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Berufungsgericht ist richtig (§ 48 ASGG). Sie entspricht der stRsp der seit 1.1.1987 mit der sozialen Unfallversicherung befaßten Senate des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 1/64 bis SSV-NF 7/52, 127 und 130 mwN). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlaß, von dieser Rsp abzugehen, die auch von einem Teil der Lehre gebilligt wird (zB Grillberger, Österreichisches Sozialrecht2, 67 f).
Unter Erwerbsfähigkeit iS der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Fähigkeit des (der) Versicherten zu verstehen, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm (ihr) nach seinen (ihren) Kenntnissen und Fähigkeiten im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Als MdE ist daher die Beeinträchtigung dieser Fähigkeit anzusehen. Für die Ermittlung der MdE gilt das Prinzip der abstrakten Schadensberechnung. Dies bedeutet, daß zunächst die individuelle Erwerbsfähigkeit des (der) Versicherten vor dem Unfall rechnerisch mit 100 vH zu bewerten ist. Dieser Erwerbsfähigkeit wird die nach dem Arbeitsunfall oder wegen der Berufskrankheit verbliebene Erwerbsfähigkeit als Vergleichswert gegenübergestellt. Die Differenz ergibt die MdE. Entschädigt wird also nach dem Unterschied der auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens bestehenden Erwerbsmöglichkeiten vor und nach dem Arbeitsunfall (der Berufskrankheit). Ob der Versicherungsfall tatsächlich zu einem Einkommensausfall führt, ist bedeutungslos. Die Versehrtenrente wird infolge der abstrakten Schadensberechnung auch dann gewährt, wenn kein Lohnausfall entstanden ist oder sogar ein höheres Einkommen erzielt wird (zB Gitter, Sozialrecht3, 133 f mwN).
Die auf Grund von ärztlichen Gutachten über die gesundheitlichen Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit und die Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit festgestellte medizinische MdE berücksichtigt auch die Verhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Deshalb bietet sie im allgemeinen auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung der MdE, wenn nicht aus besonderen Gründen ein Abweichen geboten ist (zB SSV-NF 7/127 mwN; Gitter aaO 134). Ein solcher Härtefall liegt aber bei der Klägerin nicht vor (vgl SSV-NF 7/52).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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